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Rückeroberung der Kinos!
Auf nach Karlsruhe, dem „Disneyland“ des 70mm Formates
Schauburg’s 5. Todd-AO Festival, Oktober 2009 – ein Rückblick
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Von: Thomas Hauerslev,
editor in70mm.com |
Date:
27.10.2009 |
Bild
von Thomas Hauerslev
Am ersten Oktoberwochenende 2009 wurde in einem
der schönsten Kinos Deutschlands, der prächtigen Schauburg, der letzte
Filmpalast in Karlsruhe, das 5. Todd-AO-Festival gefeiert, zu Ehren des
großartigen 70mm-Filmformats, an das sich viele so gerne erinnern.
Etwa 150 Gäste hatten ein Wochenendticket für 100 EURO erworben, das ihnen
freien Eintritt zu zwölf 70mm-Filmen innerhalb von nur drei Tagen gewährte.
Die Gäste hielten jeden Tag rekordbrechende 15 Stunden in dem Kino aus, mit
einer Kombination aus Frühstück, Unterhaltung, Snacks und Bier. Die meiste
Zeit wurde natürlich vor der sensationellen gekrümmten Leinwand verbracht,
um folgende Filme zu sehen:
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Bild
von Thomas Hauerslev
„Westwärts zieht der Wind“ (OT: Paint Your Wagon)
„Krakatoa - Das größte Abenteuer des letzten Jahrhunderts“ (OT: Krakatoa -
East of Java)
„Erster Sieg“ (OT: In Harms Way)
„Paris, Paris - Monsieur Pigoil auf dem Weg zum Glück“ (OT: Faubourg 36)
„Julius Caesar“
„Salomon und die Königin von Saba“ (OT: Solomon and Sheba)
„Uzala, der Kirgise“ (OT: Dersu Uzala)
„Flying Clipper - Traumreise unter weißen Segeln“
„That's Entertainment“
„Die Verfluchten der Pampas“ (OT: Savage Pampas)
„Der Untergang des römischen Reiches“ (OT: The Fall of the Roman Empire)
„Funny Girl“
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Bild
von Thomas Hauerslev
Herausragend waren „Paris, Paris - Monsieur
Pigoil auf dem Weg zum Glück“, „Flying Clipper - Traumreise unter
weißen Segeln“ und der selten gezeigte „Uzala, der Kirgise“ von
Akira Kurosawa. Bei allen drei Filmen war die Schauburg bis fast auf den
letzten Platz von zahlreichen Karlsruhern besetzt, die sich zu den alt
eingesessenen „Breitbildfans“ gesellten, um die seltene Gelegenheit einer
außergewöhnlichen Filmvorführung zu nutzen. Der Direktor der Schauburg,
Herbert Born, geht von fast 2.000 verkauften Tickets im Laufe des
Wochenendes aus.
Das Todd-AO Festival zieht ein großes und gemischtes Publikum an,
hauptsächlich aus Deutschland; das Festival hat sich aber auch zu einem
jährlichen internationalen Event entwickelt, mit Gästen aus Frankreich,
Holland, Tschechien, der Slowakei, Kanada, Dänemark, Schweden, Österreich,
der Schweiz, Spanien, Portugal, Großbritannien und den USA.
Herbert Born führt das Vermächtnis von Georg Fricker fort, der seit 1971
Eigentümer der Schauburg war. Herr Fricker, der im Juni 2008 verstorben ist,
hatte eine große Leidenschaft für 70mm-Filme und führte das Format
regelmäßig vor.
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70mm für Alle – Wie erzähle ich diese Geschichte …
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70mm,
Freitag Abend und der „Inbegriff des Kinos“ in einem schwedischen
Wohnzimmer. Photo: Thomas Hauerslev
Vor einigen Jahren lud mich eine Gruppe von Filmvorführern zu einer
70mm-Vorführung von „Westwärts zieht der Wind“ nach Schweden ein.
Es war die ungewöhnlichste Vorführung, die ich je gesehen habe, komplett
mit 70mm-Projektoren und Umrolltisch, die in einem Wohnzimmer
aufgestellt wurden, das direkt in den Garten hinaus ging, wo eine
gekrümmte Leinwand auf dem Rasen zwischen zwei Bäumen aufgebaut war. Ich
war einfach beeindruckt, wie sehr sie das Kino und den Film liebten. Sie
hätten den einfachen Weg per Videokassette und Fernseher wählen können,
aber der war nicht gut genug. Diese Gruppe, deprimiert durch Multiplex-Kinos
und die Schließung von Filmtheatern, richtete einfach ihr eigenes Kino
ein, so wie es ihrer Meinung nach sein sollte.
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Am
nächsten Morgen im Garten-Kino, die Sonne scheint und die gekrümmte Bildwand
trocknet. Bild von Thomas Hauerslev.
Sie nennen es „Rückeroberung des Kinos“ und mir wurde klar, wie großartig
diese Idee war. Menschen kommen zusammen, haben eine gute Zeit, schauen sich
einen Film an und teilen etwas Außergewöhnliches miteinander. Es war
sensationell, die Begeisterung für Filme wie diesen zu beobachten - ein
alter Film, der für ein begeistertes Publikum wieder zum Leben erweckt wird.
Ich denke, die Schweden haben das „Wesen des Kinos“ eingefangen. Es ist
schwer zu beschreiben - Sie müssen es selbst sehen, um es verstehen zu
können.
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Aber was ist „70mm“
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Bild
von Thomas Hauerslev
Aber was ist „70mm“, wofür Leute ihr Wohnzimmer umbauen, um die Filme sehen
zu können? Nun, 70mm ist die außergewöhnliche Kinoerfahrung, die in den 60er
Jahren häufig für große Monumentalfilme wie „Lawrence von Arabien“
und „2001: Odyssee im Weltraum“ eingesetzt wurde. Filme, die einen
bleibenden Eindruck hinterlassen haben, der für Einige seit ihrer Kindheit
andauert. 70mm ist wesentlich schärfer im Vergleich zu heutigen Filmen. 70mm
ist einfach besser und gilt als ultimative Kinoerfahrung.
In den 50er und 60er Jahren gab es weniger als 100 Filme in 70mm. Dennoch
haben diese Titel einen derartigen Zauber entwickelt, wie das Königtum Kino,
so dass Fans aus allen Teilen der Welt anreisen, um sie zu sehen.
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„Das Wesen des Kinos“, wie bitte?
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Herbert
Born welcoming you to the Schauburg. Bild von Thomas Hauerslev
Ist das „Wesen des Kinos“ woanders zu finden? Allerdings, an vielen Orten -
es liegt wirklich an Ihnen. Ich hatte das Glück, es selbst an verschiedenen
Orten zu erfahren. Herr Herbert Born lud mich im Oktober 2005 zu seinem
ersten Todd-AO-Festival nach Karlsruhe ein. Da mir 70mm-Festivals vertraut
waren, war ich darauf gespannt, wie er sein 70mm-Festival veranstalten würde.
Herbert ist seit 30 Jahren in der deutschen Filmbranche tätig und hat
mehrere Preise für seine Arbeit in Karlsruhe erhalten. Herbert hat einen „guten
Riecher“ und weiß, was dem Publikum gefällt und wie es das „Wesen des Kinos“
in der Schauburg am liebsten hat.
Das historische Schauburg-Filmtheater geht auf das Jahr 1906 zurück, als an
dieser Stelle ein Theater mit einer Leinwand errichtet wurde. Heute gibt es
3 Kinos unter einem Dach: „Schauburg“, „Cinema“ (auf dem ehemaligen Balkon)
und „Bambi“ mit gerade mal 61 Sitzplätzen. Alle drei Leinwände verfügen über
eine 2K-Digitalprojektion und natürlich alle Arten von Tonformaten. Die
Schauburg ist ein führendes und unabhängiges Kino in Deutschland, und das
70mm-Wochenende reiht sich in eine breite Palette von Veranstaltungen ein,
die bereits in dem Kino stattfinden.
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Der
Eingang mit dem Blumentopf. Bild von Thomas Hauerslev
Ich hatte das Gefühl, mich auf etwas Besonderes gefasst machen zu können,
und ich wurde nicht enttäuscht. Ich habe mich auf 3 Tage erstklassige
Vorführungen gefreut und alles bekommen, was ich mir hätte wünschen können.
Die Mitarbeiter(innen) der Schauburg haben eine offene und entspannte
Einstellung und sind gleichzeitig unglaublich aufmerksam was Details bei der
Projektion und die Versorgung des Publikums angeht. Das Festival stellte
sich als wunderbare Erfahrung heraus, mit Plakaten, deutschem Bier,
ultrascharfen Bildern auf einer gekrümmten Leinwand, 6-Kanal Magnetton,
einem sagenhaften Kino, in dem man sich sehr willkommen gefühlt hat.
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Gemeinschaft und Ihr Publikum verstehen
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Team
Projektion: Marcus Vetter und Vincent Koch präsentieren stolz die 70mm kopie
von „Dersu Uzala“. Bild von Thomas Hauerslev
Das Hauptpublikum - bei dem es sich fast ausschließlich um erwachsene Männer
handelt - hat sich sehr stark dem 70mm-Film verschrieben und einige melden
sich Monate im Voraus an, bevor sie sich auf ihre Reise nach Karlsruhe
machen. Sie kennen sich sehr gut mit Filmen und Formaten aus und können
stundenlang darüber diskutieren, wie Filme vorgeführt werden sollten, und
nicht zuletzt wie sie im goldenen Zeitalter des 70mm-Films vorgeführt WURDEN.
Einige sind sogar noch einen Schritt weiter gegangen und machen Werbung für
den 70mm-Film, um die Flamme etwas länger am Leben zu erhalten. Dazu gehören
Johan Wolthuis, der über seine „International 70mm Publishers“ Werbung
betreibt, und natürlich Brian Guckian vom 65/70mm Workshop. Ein weiterer
Freund der Schauburg ist Wolfram Hannemann, der mit hervorragenden
Einführungen zu den Filmen immer der richtige Mann vor Ort ist.
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Verpflegung - nein, wir können die Leute nicht hungern lassen
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Bild
von Thomas Hauerslev
Eines der Probleme beim tagelangen Anschauen von Filmen an einem
70mm-Wochenende ist der Mangel an Essen. Natürlich muss man ab und zu etwas
zu sich nehmen, so dass man „theoretisch“ das Kino verlassen und einen oder
zwei Filme verpassen könnte. Aber wenn man extra nach Karlsruhe reist, um
Filme anzuschauen, ist dies wirklich nicht die beste Lösung - einen Film zu
verpassen.
Herbert serviert samstags und sonntags ein komplettes Frühstück um 9 Uhr im
Foyer der Schauburg und nachmittags zwischen den Filmen einen Imbiss,
Snacks, Kaffee und Tee. Das Publikum kann natürlich Bier und Schokolade
kaufen, der Imbiss ist aber im Festival-Pass enthalten. Ich denke, das
Publikum freut sich darüber, weil dadurch eine entspannte Atmosphäre
entsteht, da niemand das Kino verlassen muss, um essen zu gehen. Man kann
bleiben, sich unterhalten, essen und trinken sowie Filme genießen.
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Filme ins Deutsche synchronisiert
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Herbert
Born, Thomas Hauerslev und Dieter Gaebler. Bild von Adéla Kokešová
Wenn ich für 70mm-Filme in Karlsruhe Werbung mache, reagieren einige
abweisend, weil die Filme „ins Deutsche synchronisiert sind“. „Ja“, sage ich,
„es ist ein deutsches Festival, was erwarten Sie?“ Und einverstanden, sie
sind synchronisiert, und wäre es nicht toll, wenn sie in Englisch wären?
Aber sie sind es nicht. Es handelt sich um alte 70mm-Kopien, die zudem so
selten sind, dass in vielen Fällen keine weitere 70mm-Kopie der
Originalversion zu finden ist.
Da ich viele der Filme bereits gesehen habe und die Story kenne, ist mir die
Sprache nicht ganz so wichtig. Das große Bild ist immer noch da, trotzdem.
Ich glaube, ich kann behaupten, dass ich ein wenig vergesse, dass der Film
in Deutsch ist, wenn ich ihn schon einmal gesehen habe. Vielleicht nicht
ganz, aber ich achte auf das Bild und die Optik. Ich würde keinen seltenen
70mm-Film verpassen wollen, nur weil er in Deutsch gezeigt wird. Was ist die
Alternative? Ihn überhaupt nicht zu sehen? Kein Kompromiss, den ich eingehen
möchte.
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Die Vorführungen und Publikumswirksamkeit
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Francois
Carrin, Orla Nielsen und Jean-Rene Failliot Fritag 2 October 2009. Bild von Thomas Hauerslev
Ich bin ein wenig verwirrt darüber, warum diese 70mm-Filme immer noch so
berühmt sind, dass Menschen von nah und fern anreisen, um sie zu sehen. Die
meisten von ihnen waren noch nicht einmal besonders gute Filme. Viele waren
Flops und waren ein derartiger Reinfall, dass man nie wieder von ihnen
gehört hat. Zugegeben, ein Dutzend von ihnen waren sehr, sehr gute Filme und
behaupten sich heute immer noch, weil sie sehr gut produziert wurden, über
gute Darsteller und Regisseure verfügten. Aber viele waren wirklich schlecht.
Der einzige gemeinsame Nenner war das Filmformat: 70mm mit 6-Kanal Stereoton.
Worin liegt also der Reiz? Es ist eine andere Erfahrung, diese alten Filme
anzusehen, und sie unterscheidet sich von allem anderen, was man heute
irgendwo in den Kinos zu sehen bekommt. Sie haben einen wundervollen,
analogen Magnetton, der sehr angenehm im Ohr ist. Er ist nicht besonders
laut, klingt aber gut, und einige sagen, er höre sich besser als der moderne
Filmton an.
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Dieter
Gaebler, Heinz Hölscher, Herbert Born und Gerhard Fromm. Bild
von Werner Neuner
Die Filme sind alle sehr alt und verblasst, das heißt, die Kopien haben
keine Farbe mehr, mit Ausnahme der Rottöne. Sie sind außerdem verkratzt und
haben viele Klebestellen. Aber sie sind immer noch unglaublich SCHARF und
haben eine bestechende Produktionsqualität - sie sind GROSSE MONUMENTALFILME.
Und das macht den Unterschied aus. 70mm-Filme auf einer gekrümmten Leinwand
zu sehen ist so außergewöhnlich, dass man es gesehen haben muss, um es zu
verstehen.
Beim klassischen 70mm-Film gibt es keine „digitalen“ Tricks. Er wird immer
noch mit einem analogen, in den 50er Jahren entwickelten Projektor
vorgeführt, aber die Objektive sind brandneu. Zum Besten gehört die
Vorführung von etwas, das es in den Kinos 30-40 Jahre lang nicht gegeben
hat: Ultra Panavision 70, eine anamorphotische Projektionstechnik, die nur
bei 9 Filmen eingesetzt wurde. Die Schauburg kann sie zeigen, und alles ist
immer perfekt scharf, dank der beiden Filmvorführer des Hauses: Marcus
Vetter und Vincent Koch.
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Marcus
Vetter approving the image. Bild von Thomas Hauerslev
In der Schauburg werden 70mm-Filme auf einer gekrümmten Leinwand gezeigt,
was für zusätzliche Begeisterung sorgt, weil es so auch bei der
Original-Premiere der Filme gewesen ist. Die Leinwand ist 17 m breit und hat
eine Krümmung von ungefähr 3 m. Dadurch entsteht eine zusätzliche Tiefe,
wenn sich die Schauspieler auf der Leinwand bewegen.
Zu einer guten Vorführung tragen innerhalb des Kinos außerdem ein Foyer und
eine Fassade geschmückt mit Filmplakaten und einem großen Schild bei. Es ist
eine verloren gegangene Kunst, das Kino zu „dekorieren“. Die Dekoration der
Schauburg mit alten Filmplakaten und Standbildern ist unübertroffen.
Das Publikum erhält außerdem ein kostenloses, 80 Seiten umfassendes
Wochenendprogramm als Andenken, mit extra geschriebenen Artikeln und
Filminformationen.
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Die Bedeutung eines Festivals
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Bild
von Thomas Hauerslev
Herbert Born und seine Mitarbeiter(innen) haben für mich ebenfalls das „Wesen
des Kinos“ eingefangen. Menschen zusammen zu bringen, eine gute Zeit zu
haben, auf die Leinwand zu schauen, etwas Besonderes miteinander zu teilen.
Die Schauburg ist das „Disneyland des 70mm-Films“ - er kann nirgendwo sonst
so gesehen werden.
Ich finde es großartig, dass dies jemand für andere und für den 70mm-Film
tut. Es ist wichtig, das Bewusstsein für den 70mm-Film zu wahren und die
Erfahrung Kino am Leben zu erhalten. Für „Otto Normalverbraucher“ zählt der
70mm-Film zum „Kleingedruckten“ und ist bei allen weitgehend in
Vergessenheit geraten, obwohl eine kleine Gruppe von Leuten tut, was sie
kann, um „ihr lokales 70mm-Filmtheater“ zu unterstützen.
70mm passt in ein Kino wie die Schauburg, deren Bauart und Abmessungen für
70mm-Filme ausgelegt sind. Für mich ist die Schauburg eine Gelegenheit,
klassische Filme noch einmal in dem besten Umfeld zu sehen - und es ist
wirklich die Mühe wert, sich für ein langes Wochenende auf den Weg zu machen,
um Filme zu sehen. Dies ist wirklich der beste Ort, um 70mm-Filme zu sehen,
und das nicht nur wegen den technischen Vorzügen. Hoffen wir, dass es das
Todd-AO-Festival noch viele weitere Jahre geben wird.
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Updated
28-07-24 |
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