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Georg Fricker ist tot
Wie Georg Fricker übernahm Karlsruhes letzten Kinopalast
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Written
by: Dr. Peter Kohl, Karlsruhe.
© 2008 |
Date:
20.06.2008 |
Georg
Fricker. Bild aus Schauburg Kino, Karlsruhe
Der große Karlsruher Kinomacher Georg Fricker ist tot. Er starb am
vergangenen Samstag [07.06.2008] in einem Klinikum bei München. Gezeichnet von einem
Schlaganfall und einem Krebsleiden konnte man ihm in den letzten Jahren
noch einige Male begegnen - als unscheinbarem Gast in seinem eigenen
Kino, der Schauburg.
Den Kinobetrieb hat er vor vier Jahren an Herbert
Born übergeben, der das traditionsreiche Lichtspieltheater ganz in
seinem Sinne weiterführt.
Georg Fricker hat aus der Schauburg in den 33
Jahren davor eine Karlsruher Institution mit überregionaler Ausstrahlung
gemacht. Dabei waren die Voraussetzungen am Anfang alles andere als
günstig.
Der Schauburg-Besitzer Willy Mansbacher hatte gerade den
Pachtvertrag mit der Gesellschaft Olympic gekündigt, die das Kino 1968
übernommen und den großen Schauburgsaal in ein Cinerama-Kino mit
Todd-AO-Leinwand verwandelt hatte. Doch trotz der neuen Attraktion
geriet der Betreiber bald in Finanznot und konnte nicht einmal die Miete
bezahlen.
In dieser Situation trat 1971 ein junger Kino-Enthusiast an
den schon etwas altersmüden Mansbacher heran und fragte ihn, ob er einen
Saal mieten könne. „Mieten können sie bei mir nichts, aber alles kaufen“,
sagte Mansbacher, der versucht hatte, den Laden mit den damals gängigen
Sexfilmchen am Laufen zu halten, und Georg Fricker übernahm Karlsruhes
letzten Kinopalast.
1936 in Zsambek bei Budapest geboren, kam er 1946
als Flüchtlingskind mit seiner Familie nach Bruchhausen bei Ettlingen.
Bereits mit 18 Jahren organisierte er Kinovorführungen in einem Turnsaal,
wenig später zog er mit einem Wanderkino durch die Landgemeinden,
während er noch seinem Beruf als Verkäufer in der Textil-Abteilung des
Karlsruhr Kaufhauses Union (später Hertie) nachging.
Seine Liebe aber
galt dem Kino und so wurde er Theaterleiterassistent beim „Pali“ in der
Herrenstraße und lernte das Kinohandwerk in allen Einzelheiten. Auf
Kredit kaufte Fricker kleinere Kinos im Umland und richtete eine
Werkstatt zur Reparatur für Filmprojektoren ein. Doch seine große Zeit
kam mit dem Kauf der Schauburg, einer Investition, auf die
Branchenkenner nur mit Kopfschütteln reagierten. Nach dem Motto „die
Praxis ist der beste Lehrmeister“ ging er daran das
heruntergewirtschaftete Kino wieder auf Vordermann zu bringen und ihm
ein einmaliges Programmprofil zu verleihen. Er nahm anspruchsvolle
internationale Filme ins Programm und gab dem Jungen Deutschen Film ein
Forum.
Um ein möglichst vielfältiges und differenziertes Programmangebot
bieten zu können, baute er die Schauburg um. Die Galerie des großen
Schauburgsaals wurde in das “Cinema” umgewandelt, später wurde noch das
kleine “Bambi” an die Wandelhalle angebaut. Fricker beteiligte sich an
der Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Kino“, die die Filmtheater in
ihrem Existenzkampf gegenüber Kinoketten und großen Verleihern
unterstützen sollte. Alljährlich wird die “Schauburg” mit der seit 1976
vergebenen Auszeichnung des Bundesinnenministers für ein hervorragendes
Jahresprogramm bedacht.
Die Schauburg bot und bietet immer noch ein
Filmprogramm, das neben dem aktuellen Kinoangebot auch Filmklassiker und
so genannte Kultfilme einschließt. In langen Kinonächten konnten
Science-Fiction-Fans mehrere „Star Trek“-Filme hintereinander sehen, die
Aufführung des Dauerbrenners „Rocky Horror Picture Show“ geriet
regelmäßig zum Happening, Filmklassiker im 70mm-Format wurden stilvoll
präsentiert.
Ein Publikumsrenner wurden die Jazzfeste, bei denen jeder
Raum und auch das Foyer bis in die frühen Morgenstunden hinein bespielt
wurde. Die Schauburg beteiligte sich am Karlsruher Kulturmarkt und
steuerte Filmreihen zu den Europäischen Kulturtagen bei. Sie kooperierte
mit dem Badischen Staatstheater, der Musikhochschule und anderen
Kulturträgern. In den 90er-Jahren startete Georg Fricker eine
alljährliche Reihe von Filmwochen, die einem bestimmten Land gewidmet
waren.
Im Sommer 1995 veranstaltete die Schauburg erstmals die Open Air-Kinonächte
am Schloß Gottesaue, eines der größten deutschen Freiluftkinos.
Instinktsicher beteiligte sich Georg Fricker am Wettbewerb um den
Betrieb eines Großkinos, das in der Nähe des ZKM entstehen sollte, und
nahm als gleichberechtigter Teilhaber neben der Kieft-Gruppe, die Sache
selbst in die Hand. Der Filmpalast am ZKM , der im März 2000 eröffnet
wurde, entwickelt sich in Zeiten der Branchenkrise zu einem der
erfolgreichsten deutschen Großkinos.
Dass er ein erfolgreicher
Geschäftsmann geworden war, merkte man ihm, der gelegentlich als
Kartenabreißer aushalf, nicht an. Gesellschaftliche Anerkennung war ihm
wichtiger als Geld, darum hat er gekämpft. Ein einfacher Mensch war er
nicht, grantig und kantig, ein schwieriger und zäher Verhandlungs- und
Gesprächspartner, der, wenn es um sein Kino ging, keine Kompromisse
kannte. Wer ihn näher kannte, erlebte auch seine großzügige und
liebenswürdige Seite. So hat er die Schauburg zu dem gemacht, was sie
ist, eines der besten deutschen Kinos und für viele Karlsruher ein
geradezu magischer Ort, mit dem sie viele schöne Erinnerungen verbinden.
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in 70mm reading:
How Georg Fricker
became the owner and operator of the last of Karlsruhe’s “picture
palaces”
Schauburg Cinerama, Karlsruhe,
Germany. Home of The Todd-AO Festival
Internet link:
Schauburg, Karlsruhe |
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Updated
28-07-24 |
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