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Ron Fricke & Mark Magidson and The Making of "Samsara" | Read more at in70mm.com The 70mm Newsletter
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Interview edited by: Schauburg Cinerama, Karlsruhe, Germany | Date:
17.08.2012 |
Was motiviert Sie dazu, diese beispiellos
anspruchsvollen, technisch und geografisch komplexen, nonverbalen
Breitbildepen zu drehen?
Ron Fricke: Ich erinnere mich daran, dass ich das Kino als Kind stets
als eine Art Tempel betrachtet habe. Als ich Filme in
Cinerama gesehen habe, diese
großen Breitbild-Produktionen, hatte ich nicht den blassesten Schimmer,
worum es darin ging, aber die Bilder haben mich tief beindruckt. Sie
vermittelten mir das Gefühl, dass dieser Moment, wenn die Zuschauer im
Dunkeln sitzen (alle ihre Sinne sind gespannt und die Möglichkeit, sich
gegen etwas zu wehren oder sich abzulenken ist im Kino sehr gering), die
perfekte Gelegenheit ist, um sie direkt in ihrem Innersten zu erreichen.
Genau das passierte, als ich "2001: Odyssey
im Weltraum" sah. Ich ging noch zum College und dieser Film hat mich
schlichtweg umgehauen, und ich glaube, diese Erfahrung hat mich bis heute
nicht losgelassen. Besonders fasziniert hat mich der Gedanke, dass man mit
einer großen Leinwand und kommerziellem Kino etwas so Großartiges schaffen
kann, und das ganz ohne Worte. Bei "Koyaanisqatsi" [1982] erkannte
ich, dass das, was mich fesselte, eine Art geführte Meditation war, bei der
das Sakrale oder Transzendentale im Mittelpunkt steht. Einige mögen dies für
übertrieben halten, aber ich glaube, dass es eine bewegende Erfahrung sein
kann, die weder sentimental noch herablassend sein muss, wenn man die Sache
sorgfältig angeht. Mark ist ebenfalls von diesem Gedanken fasziniert und
versteht den gesamten Prozess. Er hätte auch einfach kommerzielle Filme
drehen können, aber diese Art von Kunst hat ihn wirklich inspiriert. Tief in
seinem Innern wollte er etwas Einzigartiges und Bedeutungsvolles schaffen.
Mark Magidson: Ich mag es besonders, dass diese Filme individuelle
Sprachen und Nationalitäten auf eine universelle Weise überwinden, weil sie
nur Bilder und Musik verwenden, die keinerlei Übersetzung bedürfen. Das hört
sich wahrscheinlich etwas kitschig an, aber wir wollen auf einer gewissen
Ebene eine tiefe Verbundenheit miteinander fühlen und die Lebenserfahrung
über diese Grenzen hinaus teilen.
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Motion pictures photographed in Super Panavision 70 & Panavision System
65
Schauburg Cinerama,
Karlsruhe, Germany
Internet link:
"Baraka"
& "Samsara"
"Samsara" on Facebook
Ocsilloscope Films
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Sie haben wieder 70mm-Film verwendet,
obwohl heute fast alle Filme digital gedreht werden. Was hat Sie zu dieser
Entscheidung bewogen?
Ron Fricke: Mark und ich haben die Möglichkeit, in HD zu drehen,
durchaus in Erwägung gezogen. Aber vor fünf Jahren, als wir mit der Arbeit
an dem Film begonnen haben, wurden die Kameras unseren Anforderungen noch
nicht gerecht.
Mark Magidson: Als wir mit der Arbeit an "Samsara" begonnen
haben, war in der digitalen Cinematographie eine Auflösung von 2K Standard,
die heute keiner mehr verwenden würde. Inzwischen gibt es RED-Kameras und
Sony bringt eine neue 8K-Kamera auf den Markt. Die digitale Welt entwickelt
sich eben ständig weiter. Aber wir wollten nicht an all diese schwer
zugänglichen Orte reisen und Material mitbringen, das bald veraltet aussehen
würde. Das ist das Problem der digitalen Technik - es kommt immer wieder ein
besseres iPhone oder eine bessere Digitalkamera auf den Markt. Wir mussten
ein System verwenden, das uns Bilder liefert, die die Zeit überdauern. Wir
haben ein 70mm-Kamerasystem verwendet, das es so bereits seit 50 Jahren gibt
und das immer noch die qualitativ hochwertigsten Aufnahmen liefert. Der
Transport des Films und der Ausrüstung von einem Drehort zum andern ist
natürlich sehr kostspielig und schwieriger denn je. Aber in diesem Format zu
drehen, ist auch aufregend; wir sind gemeinsam unterwegs auf einer Mission
mit dem Ziel, ergreifende Bilder im ultimativen Format zu finden. Solche
Bilder bieten eine packende emotionale Tiefe und darum geht es uns
schließlich.
Ron Fricke: Weil wir keine Hauptdarsteller einsetzen und weil es
keine Story gibt, ist das Bild selbst der Hauptdarsteller. Aus diesem Grund
müssen die Bilder unbedingt von hoher Qualität sein und ein hohes
Detailreichtum aufweisen. Es ist einfach toll, mit diesen Kameras und diesem
Filmmaterial zu drehen und beim Einschalten der Kamera - auch wenn diese
ziemlich laut ist - zu wissen, dass das Ergebnis diese erstaunliche Textur
haben wird, die möglicherweise bald der Vergangenheit angehört, aber von der
Digitaltechnik bisher noch nicht erreicht wurde.
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Wie haben Sie entschieden, welche Bilder
auf die Leinwand kommen und wo Sie drehen wollten?
Mark Magidson: Wir wollten uns nicht an die Arbeit machen und das
wiederholen, was wir in einem früheren Film gezeigt hatten. Es ist eine
Herausforderung, Orte zu finden, die visuell interessant und faszinierend
sind. Die Zuschauer stellen sehr hohe Ansprüche an die Optik. Vor allem im
Zeitalter des Internets mit YouTube und ähnlichen Plattformen hat jeder
Zugang zu Unmengen atemberaubender Bilder. Diesem Problem steht man in
gewisser Weise gegenüber, wenn man einen nonverbalen Film macht und Material
sucht, das mindestens dieses Niveau besitzt. Sie müssen ein feines Gespür
dafür haben, was interessant genug für die Leinwand ist. Wir als Filmemacher
sind auch Kinder unserer Zeit. Deshalb haben wir für "Samsara"
wesentlich mehr Filmmaterial benötigt, mehr Orte besucht und mit mehr
Schnitten gearbeitet als vor 20 Jahren bei "Baraka". Das hängt
hauptsächlich mit der eigenen Aufmerksamkeitsspanne zusammen. Wenn man das
Gefühl hat, von einer Sache genug gesehen zu haben, will man die nächste
zeigen. Deswegen hatten wir das Gefühl, das Tempo müsste höher werden und
wir konnten nicht mehr so lange bei einem Objekt verweilen. So wird beim
Schneiden sehr viel Material verheizt. Daher ist es schwer, bei 96 Minuten
zu bleiben. Das ist jedoch nur die visuelle Ebene. Dafür zu sorgen, dass der
Film als Ganzes funktioniert, ist nochmal eine andere Sache. Wenn man nur
Musik und Bilder zur Verfügung hat, um eine Geschichte zu erzählen, braucht
man dafür viel atemberaubendes Bildmaterial.
Ron Fricke: Man reist an Orte und sieht Dinge, die einfach noch
niemand gesehen hat. Die Erde ist voll davon. Und das rüttelt einen in
gewisser Weise wach.
Mark Magidson: Die Aufnahmen werden in Kategorien eingeteilt. Da gibt
es zum Beispiel die organischen Bilder - Naturaufnahmen ohne Menschen wie
die Wasserfall-Szenen oder die Sanddünen. Und dann sind da die Fabrikbilder,
die Aufnahmen aus der Lebensmittelfabrik oder von Menschen beim Gebet. Die
Dreharbeiten an diesen Orten sind planbar und man arbeitet mit den Menschen
in dem jeweiligen Land zusammen, um die notwendigen Drehgenehmigungen für
die jeweiligen Bereiche zu bekommen.
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Es ist kaum zu glauben, dass Sie
tatsächlich in noch mehr Ländern gedreht haben als dies bei BARAKA der Fall
war.
Mark Magidson: Wir haben 25 Länder bereist. Wir wussten nicht genau,
dass wir in 25 Länder reisen würden, aber wir waren uns sicher, dass es mehr
als 20 sein würden: es hätten auch 28 oder 22 werden können. Wenn man das
auf 95 Minuten aufteilt, kommen etwa dreieinhalb Minuten im Durchschnitt pro
Land heraus, mal mehr und mal weniger. Und jede einzelne Filmaufnahme war
mit viel Arbeit verbunden. Von einigen Drehorten haben wir nur wenige
Sekunden verwendet. Wir sind gleich zweimal zu einer Ruine amerikanischer
Ureinwohner - die Betatakin-Ruine in Arizona - gewandert, und das mit
Ausrüstung und bei 38 Grad. Von diesen Aufnahmen werden ganze 8 Sekunden im
Film gezeigt, das ist alles. Ein Großteil des Films ist so entstanden. Wir
wollten immer neue Dinge sehen.
Ron Fricke: Wenn ich an einen Ort komme, springt einfach ein Funke
über und ich weiß, worauf ich die Kamera richten und was ich mit ihr machen
muss. Ich halte nur nach einer oder zwei Aufnahmen Ausschau. Ich bin nicht
dort, um eine Dokumentation über den Ort zu drehen, sondern ich bin dort, um
das Wesen dieses Ortes zu erfassen. Weil ich weiß, dass die Aufnahmen Teil
eines größeren Ganzen mit vielen weiteren Bildern sein werden. Das ist
gewissermaßen der Ansatz. Sobald man da draußen ist, ist man wie einer
dieser kleinen, genialen Fotoapparate. Man sieht es erst, wenn man dort ist.
Man ist selbst das Bild. Wenn man hingegen einfach rausgeht und blind
Aufnahmen macht, ist ein Großteil davon schlichtweg langweilig, und das
funktioniert nicht.
Mark Magidson: Anfangs haben wir einfach versucht, Material zu
sammeln. Aber wenn man dann die Hälfte hinter sich hat, sagt man sich: okay,
wir haben viel davon, aber wir brauchen nur einen Bruchteil. Wir brauchen
sozusagen mehr Performances. Man bekommt ein Gespür dafür, was noch fehlt.
Und welche Möglichkeiten es gibt. Wir waren genau zu der Zeit in China, als
die kommunistische Partei ihren 60. Geburtstag gefeiert hat, und konnten so
die große Militärparade filmen. Wir hatten diese Reise so geplant, dass wir
zu diesem Zeitpunkt vor Ort sind, ebenso wie all die Besuche der
chinesischen Fabriken. Man versucht, auf diesen Reisen so viel wie möglich
unterzubringen.
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War das Filmen an einigen Drehorten
schwieriger als an anderen?
Mark Magidson: Es gab Drehorte, wo das Drehen körperlich
anstrengender war, und es gab Orte, für die es schwierig war, eine
Drehgenehmigung zu bekommen. Wenn man sich in einem hochzivilisierten Teil
der Welt wie Tokio befindet, ist es sehr schwierig, eine solche
Drehgenehmigung zu erhalten. Da war dieser runde Swimmingpool, den wir im
Zeitraffer gefilmt haben - solche Aufnahmen allein sind schon sehr schwierig.
Die Betreiber wünschten keine Nahaufnahmen, denn sie wollten nicht, dass
einer der Gäste zu erkennen war, solche Dinge eben. Sie begleiteten einen
also ständig, standen herum und schauten durch die Kamera, um
sicherzustellen, dass alles in Ordnung war. Es gibt Schlimmeres, aber es
lief eben nicht so, dass man einfach eine Freikarte bekam und sich wieder
melden sollte, wenn man fertig war. Und dann gab es Orte, die körperlich
schwierig zu bewältigen waren, wie zum Beispiel Ladakh in Indien, wo wir
Aufnahmen von dem Kloster und dem Sandgemälde gemacht haben. Das Kloster
liegt in etwa 3.700 Metern Höhe und es war zu der Jahreszeit - Ende November
- sehr kalt. Wir hatten extreme Schwierigkeiten, uns an die Höhe zu gewöhnen.
Aber wir sollten nicht hier sitzen und uns darüber beschweren, wie
anstrengend die Dreharbeiten waren. Es ist ein absolutes Privileg, ein
solches Projekt überhaupt durchführen zu können. Solche Erfahrungen machen
einen sehr glücklich, sehen zu können, wie viele andere Menschen in der Welt
leben.
Ron Fricke: Alle Drehorte waren eine Herausforderung. Sehr
anstrengend war auch der Dreh in der Schweinefabrik in China. Und in der
Schwefelmine in Indonesien hätten wir uns beinahe selbst vergiftet. Das ist
alles harte Arbeit. Ständig mussten wir uns damit abmühen, unsere Ausrüstung
von einem Flughafen zum nächsten zu schleppen. Wir drehen von allem etwas
und das zur gleichen Zeit. Darum waren die Dreharbeiten wahrscheinlich an
einigen Orten besonders anstrengend. Wir versuchen, im Zeitraffer oder in
Zeitlupe zu drehen und Porträtaufnahmen zu machen.
Mark Magidson: Aber die Reisen in ferne Länder sind auch aufregend.
Der Besuch von Ladakh war einfach ein überwältigendes Erlebnis. Und Namibia
war genauso fantastisch. Wir haben dort so viele verschiedene Landschaften
gesehen - Wüste, Dschungel, Ozean - mit all dem Stammesleben, und dann war
da noch diese öde Sanddüne, von der wir beeindruckende Luftaufnahmen gemacht
haben. Das ist ein Land, in das ich gerne irgendwann noch einmal reisen
möchte.
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Gibt es Orte, an denen Sie drehen wollten,
aber aus irgendeinem Grund daran gehindert wurden?
Mark Magidson: Ein dicker Fisch, der uns durchs Netz gegangen ist,
war Nordkorea. Ich habe mich mit Gouverneur Bill Richardson getroffen und er
hat für uns ein tolles Empfehlungsschreiben aufgesetzt. Es gab ein ständiges
Hin und Her mit der nordkoreanischen Botschaft in New York sowie mit China
über einen Zeitraum von 2 Jahren, aber wir bekamen keine Genehmigung.
Nordkorea veranstaltet jedes Jahr im August diese Massenspiele in einem
riesigen Stadion, bei denen 100.000 Menschen auftreten. Das hätten wir gerne
an Land gezogen, aber es ist uns nicht gelungen.
Ron Fricke: Das wäre der Hammer gewesen. Dieses sogenannte Arirang-Festival
sieht aus wie von Busby Berkeley choreografiert, dem man zuvor Steroide
verabreicht hat.
Ihnen sind einige wirklich ergreifende Porträtaufnahmen gelungen.
Ron Fricke: Die Idee dahinter war, die Maske des Pharaos abzunehmen.
Er starrt uns aus der Ewigkeit an. Auf diese Art und Weise sind wir alle
miteinander verbunden. Ich mag besonders die Szene mit dem Volk der Himba,
mit der Mutter und ihrem Baby. Es war unglaublich, wie sie mich angeschaut
hat. Manchmal passt einfach alles. Sie hätte von überall her und aus jeder
Zeit und Kultur stammen können.
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Es gibt einige faszinierende Experimente
mit Zeitraffer-Aufnahmen in SAMSARA, bei denen Sie sowohl Ort als auch Zeit
durchlaufen. Wie hat sich Ihre Zeitraffer-Methode im Laufe der Jahre und
dieser Projekte verändert?
Mark Magidson: Motion-Control und Zeitraffer haben wir zum ersten Mal
bei "Chronos"
gemeinsam eingesetzt und für "Baraka" erheblich weiterentwickelt. Bei
"Samsara" sind wir nicht viel anders vorgegangen, haben aber einige
Verbesserungen vorgenommen. Früher konnten wir die Zeitraffer-Kamera
horizontal und vertikal schwenken, mit dem Kamerawagen hin- und herfahren
und zoomen. Für diesen Film hat Ron jedoch einen Kameralift in Form eines
leichten tragbaren Schwenkarms entwickelt. Wir mussten sehr vorsichtig sein,
weil man diese Vorrichtung nicht in jeder windigen Umgebung verwenden kann,
da die Kamera sonst durch den Wind bewegt wird. Aber für Innenaufnahmen war
dieser Schwenkarm hervorragend geeignet und sorgte für eine neue Dimension.
Die ganze Technik dient jedoch nur dazu, die emotionale Wirkung der Bilder
zu verstärken. Sie dient als Mittel zum Zweck und ist kein Selbstzweck. Ganz
tief in uns wird eine bisher nicht gekannte Empfindung ausgelöst. Wie zum
Beispiel beim Betrachten eines Standbildes: das Objekt hat ein gewisses
Wesen, und genau das versuchen wir, zu enthüllen.
Ron Fricke: Aufnahmen im Zeitraffer sind einfach toll. So werden
gewöhnliche Bilder aus einer ungewöhnlichen Perspektive gezeigt. Das wollen
wir alle sehen. Ich arbeite schon so lange mit Zeitraffer, so dass ich
inzwischen etwas mehr Kontrolle habe und das Ganze besser verstehe. Dabei
geht es nicht nur um aufblühende Blumen und vorüberziehende Wolken - die auf
jeden Fall schön sind - sondern um den Versuch, daraus eine Szene zu machen,
so dass man den Fluss erkennen kann. Die Umsetzung ist allerdings sehr
schwierig. Man braucht einen ganzen Tag oder Abend für nur eine einzige
Aufnahme. Die anschließende Verbindung mit einer anderen Aufnahme, so dass
es wie derselbe Ort und dasselbe Gefühl aussieht, ist mit wesentlich mehr
Arbeit verbunden als der eigentliche Dreh. Es kann auch vorkommen, dass man
viel Arbeit und gar kein Ergebnis hat.
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Wann kam die Musik dazu - während oder nach
dem Schneiden? BARAKA haben Sie nach dem fertigen Soundtrack von Michael
Stearns geschnitten. Sind Sie bei SAMSARA mit der Musik von Michael und Lisa
Gerrard genauso vorgegangen?
Mark Magidson: Für "Baraka" haben wir die Bilder nach dem
fertigen Soundtrack von Michael Stearns geschnitten. Bei "Samsara"
hingegen kamen Michael, Lisa und Marcello erst dazu, als der Schnitt
abgeschlossen war. Wir haben Samsara also in völliger Stille
zusammengestellt. Sie hatten vorher ein paar Ausschnitte gesehen, wurden
aber nicht direkt eingebunden, bevor der Schnitt fertig war. Es ist eine
ziemlich anstrenge Art, einen Film zu machen, aber wenn man es in absoluter
Stille erledigt, ist man wesentlich stärker darauf konzentriert, ob und wie
der Film visuell funktioniert. Musik kaschiert, schwächt manche Brüche ab,
macht vieles weicher und alles läuft scheinbar besser. Aber wir dachten uns,
dass der Film hervorragend funktionieren würde, wenn er auch schon ohne
Musik läuft. Und ich glaube, genau das war schließlich der Fall. Die
Komponisten haben etwas Zeit gebraucht, um den richtigen Ton für diesen Film
zu finden, und es waren gewisse Anzeichen des Huhn und Henne Syndroms zu
erkennen, wenn man versuchte, vom Anfang bis zum Ende einen Bogen zur Musik
herzustellen, die auch von Szene zu Szene funktioniert, doch in diesem Punkt
hat sich eine Art Wunder ereignet.
Ron Fricke: Ich wollte das Ganze vollkommen unbelastet angehen. Die
Bilder sollten für sich sprechen und ich wollte mir noch gar keine Gedanken
über die Musik oder den Sound machen müssen. Ich finde, es war eine tolle
Sache, einen Film zur Abwechslung einmal auf diese Weise anzugehen – erst zu
schneiden und anschließend die Musik einzubauen.
Mark Magidson: Die Art und Weise, wie die Musik mit den Bildern
funktioniert und wie wir die Musik auswählen - so dass ein Gefühl der Weite
vermittelt wird - soll dem Zuschauer Raum für eigene Gedanken zu den
gezeigten Bildern lassen, ohne ihnen vorzuschreiben, was sie beim Betrachten
eines bestimmten Bildes empfinden sollen. Dabei hoffen wir insgesamt, dass
sich die Zuschauer mit den Ereignissen in der Welt um sie herum verbunden
fühlen und eine Verbindung zu unserer eigenen Menschlichkeit herstellen.
Dafür wollen wir keine bestimmte Sichtweise suggerieren. Wenn man einen Film
synchronisiert, befindet man sich in der realen Welt. Wenn man hingegen
Bilder mit Musik unterlegt, ist man an diesem anderen inneren Ort. Den
versuchen wir die meiste Zeit, zu erreichen.
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Sind einige der von Ihnen gemachten Aufnahmen mit einer politischen Absicht
verbunden? Mir sind besonders die Szenen aufgefallen, die in
Lebensmittelfabriken, auf Mülldeponien und städtischem Ödland gedreht wurden.
Mark Magidson: Es sind keine politischen Themen, die wir verfolgen.
Es ist visuell beeindruckend, die Entwicklung unseres Konsums optisch zu
verfolgen. Das ist kein Werturteil. Wie zum Beispiel im Fall der
Lebensmittelfabriken - der gesamte Prozess ist hoch automatisiert, hoch
technisiert und strukturiert. Dabei geht es nicht um richtig oder falsch,
sondern nur darum, wie die Situation heute ist. Die Aufnahmen zeigen, wie
Abläufe heute aussehen. Ich glaube nicht, dass wir eine politische Aussage
machen müssen. Wenn Sie dies wollen, dann müssen Sie nicht sehr weit schauen.
Dann bringen Sie den Zuschauer an einen intellektuellen Ort anstatt an einen
Ort des Gefühls, und das entspricht nicht unserem Ansatz bei dieser Art des
Filmemachens. Mit diesem Film wollen wir etwas bieten, das sich davon
unterscheidet.
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28-07-24 | |
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