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Wie die Schauburg zum Cinerama-Kino wurde |
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Von: Sebastian Graf. Text source: „Die neue
Schauburg ist nicht wiederzuerkennen“, from: Badische Neueste
Nachrichten, 25/09/1968 |
Date:
30.09.2016 Original page published 17.08.2005 |
Der große Schauburg-Saal
fasste nach dem kriegsbedingten Wiederaufbau im Jahre 1949 unglaubliche
1000 Besucher. Das derzeitige Fassungsvermögen beträgt 350 Zuschauer.
Die Leinwandgröße ist bis heute unverändert geblieben.
Der Umbau des Karlsruher Traditionskinos und die Wiedereröffnung mit
Stanley Kubrick's
"2OO1: Odyssee im
Weltraum" am
25.09.1968.
„Die alte Schauburg gab Ihren Geist auf,“ hieß es am 2. Juli 1968 in den
Badischen Neuesten Nachrichten zur Privatsanierung des einzigen Kinos
der Karlsruher Südstadt. Der ehemalige Besitzer Willi Mansbacher, der
das Kino an die Deutsche Cinerama (Tochter der amerikanischen
Cinerama-Gruppe) verpachtet hatte, scheute weder Kosten noch Mühen, um
durch eine Modernisierung dem Publikum ein seinerzeit völlig neues
Kinogefühl zu vermitteln.
Ihre Pforten in der Marienstraße öffnete die Schauburg bereits 1929 in
den Räumen des ehemaligen Apollo-Varietétheaters, in welchem seit 1906
auch Filme vorgeführt worden waren. Im Zweiten Weltkrieg wurde das
Filmtheater komplett zerstört und erst 1949 am selben Ort neu aufgebaut,
im Sommer 1968 komplett renoviert und am 25. September 1968 als „das
einzige ständige Cinerama-Lichtspiel-Theater Baden-Württemberg“ (BNN vom
25.09.1968) mit der Aufführung von Stanley Kubricks "2OO1: Odyssee im
Weltraum" wiedereröffnet, der zwei Wochen zuvor seine
Deutschland-Premiere feiern durfte, und noch aus heutiger Sicht einen
mehr als würdigen Filmbeitrag zu diesem Ereignis darstellt.
Nicht ganz so lange wie die fast 3-jährigen Dreharbeiten hat der – trotz
goldener Tapeten – die für heutige Verhältnisse verschwindend geringe Summe von ca. 300.000 DM verschlingende Kino-Umbau zum ersten Karlsruher
Großraumkino gedauert. Die Strategie der Verantwortlichen bestand darin,
sich die Gunst des Publikums durch technisch einschneidende und
ästhetisch ansprechende Umbaumaßnahmen zu erkämpfen.
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2OO1: a space
odyssey Campaign
2OO1:
A Space Odyssey
Essential
Presentation
Procedure
Internet link:
schauburg.de
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Wesentlicher Bestandteil hierfür sind entsprechende kinotechnische
Vorkehrungen. Die 17 x 7m große und 120 Grad gekrümmte
Cinerama-Leinwand, welche die alte, nur 6,90 x 4,50m messende Leinwand
ersetzte, ist dafür prädestiniert, dass sich der Filmfreund bei
ausverkauftem Haus als einer unter maximal 670 Zuschauern mitten im
Geschehen des Cinerama-Kinos wiederfinden darf. Der große Schauburg-Saal
fasste nach dem kriegsbedingten Wiederaufbau im Jahre 1949 unglaubliche
1000 Besucher. Das derzeitige Fassungsvermögen beträgt 350 Zuschauer.
Die Leinwandgröße ist bis heute unverändert geblieben.
Auch optisch erstrahlte das Filmtheater 1968 in neuem Glanz; lediglich
das Oval der Treppenaufgänge zum Balkon, dem heute als „Cinema“
bekannten Kinosaal mit einem Fassungsvermögen von 150 Besuchern,
vermittelte passionierten Schauburg-Gängern ein Gefühl von Vertrautheit.
Das Treppenhaus des Kinos mit seiner geschwungenen, gegenläufigen Treppe
aus dem Jahre 1949 steht mittlerweile unter Denkmalschutz. Zugang zu den
Treppen bietet sich über die 25m lange Wandelhalle, welche den
Eingangsbereich in der Marienstraße mit (damals nur) einer Bar für
Snacks und Erfrischungen verbindet.
Der nun vom Foyer aus zu erreichende Vorführraum wurde auf die untere
Ebene verlegt, damit zwei Projektoren, welche den Projektionsstrahl im
rechten Winkel aus einem der fünf Projektionsfenster in 70mm, 35mm und
16mm auf die gekrümmte Leinwand werfen können. An den beiden äußeren
Reihen des Balkons wurden Gitter verwendet, welche dem Publikum eine
ungetrübte Durchsicht auf die untersten Leinwandecken ermöglichten.
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Das Treppenhaus des Kinos mit seiner geschwungenen, gegenläufigen Treppe
aus dem Jahre 1949 steht mittlerweile unter Denkmalschutz.
Der zur Neueröffnung aufgeführte Spielfilm 2001: Odyssee im Weltraum bot
schon damals keinesfalls nur „kitzelige Weltraum-Begegnungen“ (BNN vom
25.09.1968), sondern setzte Mäßstabe; weit über das bis dahin kaum
ernsthaft wahrgenommene Science-Fiction-Genre hinaus. Mit "2OO1: Odyssee im
Weltraum" hat Kubrick Filmgeschichte geschrieben und einen
Genrebeitrag geliefert, der auch heute noch sehenswert ist, da er
aufgrund seiner technischen und philosophischen Vielschichtigkeit weder
an Unterhaltungswert noch an Brisanz verloren hat. Er führt daher den
Aufbruch in ein neues (Kino-) Zeitalter wie kaum ein anderer vor Augen.
Die Auswahl des Kubrick'schen Meisterwerks als Eröffnungsfilm der
„neuen“ Schauburg symbolisiert zugleich den Aufbruch in eine neue Art
der Filmrezeption als Kinoerlebnis der besonderen Art, bei dem die
Zuschauer mittendrin im Filmgeschehen sind.
Der architektonische Flair der umgebauten Schauburg mitsamt der
projektionstechnischen Innovation kongruiert mit der Progressivität des
Films und prägt über Jahrzehnte hinweg ein Höchstmaß an Kino-Atmosphäre;
genauso wie Kubricks Sci-Fi-Werk das Genre des phantastischen Films. Der
großflächige Abschied von der Holzklasse vollzieht sich zugunsten eines
hellerstrahlenden Glanzes, ähnlich wie bei Kubricks 140-Minuten-Epos;
dort designtechnisch als Space Age inszeniert als Kontrast zu den
dunklen Weiten des Weltalls.
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Die
17 x 7m große und 120 Grad gekrümmte
Cinerama-Leinwand, welche die alte, nur 6,90 x 4,50m messende Leinwand
ersetzte
Ebenso wie die Schauburg anno '68 war nämlich "2OO1: Odyssee im
Weltraum"
mit seiner überwältigenden Mise-en-scène und seiner technischen
Perfektion etwas noch die Dagewesenes. Die Inszenierung von
Bewegtbildern erfolgte in der Cinerama-Schauburg fast ebenso technisch
ausgeklügelt wie bei Stanley Kubrick und war damals ebenso
progressiv-visionär wie die von ihm akribisch insenzierten Bild- und
Klangwelten. Der von ihm in Super Panavision 70 nach Vorlage einer
bereits 1948 geschriebenen Short Story von Arthur C. Clarke gedrehte
Film mit Produktionskosten von 10,5 Millionen US-Dollar war der
finanziell erfolgreichste Film des Jahres '68 und stand mit einem
weltweiten Einspielergebnis von über 190 Millionen US-Dollar an der
Spitze der damaligen Kino-Charts.
Eine Cinerama-Leinwand wie in der Schauburg scheint wie gemacht für die
gewaltige Bildersprache des MGM-Klassikers, weil der Film davon lebt;
und zwar vor allem die Weltraumszenen im Mittelteil. Somit ist er alles
andere als ein Kammerspiel, der auch nach einem gebührenden
Aufführungsort verlangt.
Die Schauburg ist ästhetisch genauso stilbildend wie "2OO1: Odyssee im
Weltraum" und hat bis heute genauso wenig von ihrer Faszination
eingebüßt. Doch die Ägide unter der Betreiberschaft der Deutschen Cinerama
GmbH währte nicht lange. Willi Mansbacher kündigte bereits drei Jahre später
den Pachtvertrag und verkauft kurz darauf die Schauburg an den jungen und
enthusiastischen Karlsruher Kinomacher Georg Fricker, der die Schauburg mit
einem Wechsel zum Programmkino und anspruchsvollen Film eine Richtung gab,
die heute noch gültig ist und dem Kino einen Platz unter den führenden
Filmkunstkinos Deutschlands einbrachte. Obwohl das unter Denkmalschutz
stehende Filmtheater etwas Abseits der Karlsruher Eventmeilen in der
Innenstadt liegt, zieht es Filmfreunde und Cineasten aus aller Welt an.
Gerade auch die nunmehr in der 12. Auflage alljährlich stattfindenden 70mm-TODD-AO-Festivals
versprühen einen internationalen Charme, dem nicht nur damals Kinofreunde
erlagen.
Und nicht zuletzt dadurch, dass die Schauburg als eines der wenigen
Lichtspielhäuser in Deutschland mit ihre Projektionstechnik die Kultur
für Filmproduktionen im 70mm-TODD-AO Format bis zum heutigen Tag erhalten
und gepflegt hat, wird sie dem filmischen Anspruch von Stanley Kubrick
und anderen Hollywood-Altmeistern mehr als gerecht.
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übernahm Karlsruhes letzten Kinopalast
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Examples of Schauburg's 7OMM Program
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28-07-24 |
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