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Jäger Der Verlorenen Filmschätze
Ein persönlicher Reisebericht vom
14. Widescreen Weekend in Bradford, England
von
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in70mm.com
The 70mm Newsletter
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Von: Wolfram
Hannemann. "Special Reprint for www.in70mm.com by Wolfram Hannemann, www.laserhotline.de. Bilder von: Thomas Hauerslev |
Date:
01.06.2009 |
Es ist eines der Highlights, auf das ich
mich jedes Jahr aufs neue freue: das „Widescreen Weekend“ im englischen
Städtchen Bradford. Das hat sicherlich damit zu tun, dass mich England
schon immer faszinierte. Nirgendwo anders auf der Welt trifft man derart
kultivierte und höfliche Menschen als auf der britischen Insel. Und wenn
die Engländer etwas auf die Beine stellen, dann richtig. Wen wundert es
da, dass das „Widescreen Weekend“, das fester Bestandteil des „Bradford
International Film Festivals“ ist, inzwischen als die Mutter aller
breitformatigen Filmfestivals angesehen wird. Was 1996 ins Leben gerufen
wurde, feierte in diesem Jahr bereits seinen 14. Geburtstag! Einmal
damit angefangen, gibt der Engländer nicht auf. „It’s tradition“ würden,
die Einheimischen sagen. In der Tat ist es für uns Filmfans zur
Tradition geworden, jedes Jahr im März zu unserem ganz eigenen Mekka zu
pilgern, um uns dort im Kreise von Gleichgesinnten ein paar Tage und
Nächte lang dem Rausch von 70mm- und Cinerama-Screenings hinzugeben.
Macht Filmeschauen etwa süchtig? Nun, wenn man die Filme in einer
perfekten Umgebung wie dem Pictureville Cinema im National Media Museum
in Bradford inhalieren kann, dann lautet die Antwort schlicht und
ergreifend: JA!
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in 70mm reading:
Widescreen Weekend
2009, Bradford, England
Wolfram Hannemann introductions:
"The
King and I"
"The
Bible...in the beginning"
"West Side Story"
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- this site covers my job as a film reviewer and includes my personal film blog.
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Also machte ich mich als bekennender Film-Junkie ein weiteres Mal gen
Norden auf, um an unserer „Gruppentherapie“ teilzunehmen. Leider waren
in diesem Jahr die Flugpläne der Billigflüge von Stuttgart nach
Manchester derart ungünstig, dass ich mich dazu entschloss, ab Frankfurt
mit Lufthansa zu fliegen. Das trotzdem noch relativ günstige Flugticket
beinhaltete gleichzeitig noch den Transfer von Stuttgart Hauptbahnhof
nach Frankfurt/Main Flughafen mit dem ICE der Deutschen Bahn AG. Ein
gemütliches, entspanntes Reisen war mir damit sicher. Ich hatte mich für
einen Flug um die Mittagszeit entschieden um zu gewährleisten, dass ich
bereits am Nachmittag in meinem Hotel in Bradford einchecken konnte.
Denn außerplanmäßig würde das diesjährige „Widescreen Weekend“ bereits
am Donnerstagabend beginnen. Und das mit einer Aufführung eines Films,
für den ich eine Einführung geben sollte. Da war es natürlich zweckmäßig,
präventiv noch einen gewissen Zeitpuffer mit einzukalkulieren, um damit
alle Eventualitäten abzudecken. Denn wie heisst es so schön: „Wenn einer
eine Reise tut...“. Entgegen allen Unkenrufen brachte mich der ICE auf
die Minute genau zu meinem Zielbahnhof. Nachdem ich dann mein Gepäck
eingecheckt hatte und erfolgreich durch die zweifache
Sicherheitskontrolle manövriert wurde, konnte ich mich noch in der
Passagierlounge gemütlich niederlassen und dem Treiben auf Frankfurts
gewaltigem Flughafen zuschauen. Eigentlich hatte ich mich mit meinen
Karlsruher Bekannten Clemens und Melanie verabredet. Die beiden wollten
auch zum „Widescreen Weekend“ nach Bradford reisen und hatten denselben
Flug nach Manchester gebucht. Die Zeit zum Boarding rückte immer näher
und noch immer kein Zeichen von Clemens und Melanie. Ein kurzer Anruf
auf dem Handy verriet mir, dass sie sich dazu entschlossen hatten, mit
dem Auto von Karlsruhe nach Frankfurt zu fahren und jetzt – wie könnte
es anders sein – im Stau steckten! Pech für die zwei, dachte ich, als
ich in den Transfer-Bus einstieg, der die Passagiere zum Flugzeug
brachte. Es waren noch zehn Minuten bis zum Start, als plötzlich noch
ein zweiter Transfer-Bus auftauchte und die noch fehlenden Passagiere
ablieferte. Darunter auch die beiden Karlsruher! Noch mal Glück gehabt!
Und dann ging’s auch schon los. Bei herrlichem Sonnenschein hob unser
Flugzeug auf die Minute genau ab und landete nach sehr angenehmen 90
Minuten in Manchester. An der Gepäckausgabe hatte ich dann endlich
Gelegenheit, die beiden Mitreisenden Film-Junkies zu begrüßen.
Allerdings trennten sich unsere Wege sogleich wieder. Clemens und
Melanie hatten sich entschlossen, mit dem Zug von Manchester nach
Bradford weiterzufahren. Ich zog den Bus vor, da mich dieser ohne
umsteigen zu müssen direkt nach Bradford bringen würde. Die Bahnfahrt
hingegen würde einen Umstieg in Leeds erfordern und wäre darüber hinaus
auch etwas teurer. Auf meinen Direktbus musste ich nicht lange warten.
Wie immer war es eine sehr angenehme Busfahrt, die bei herrlichstem
Sonnenschein in Manchester begann und 90 Minuten später bei sehr
bedecktem Himmel in Bradford endete. Es war schön, wieder hier zu sein.
Und ich konnte es kaum glauben, dass alles so reibungslos funktionierte!
Es war offensichtlich mein Glückstag.
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Wenig später stand ich im Foyer des „Midland“, dem offiziellen
Festival-Hotel. In den vergangenen Jahren hatte ich mich stets für das
„Holiday Inn“ entschieden, das um einiges günstiger war als das
„Midland“. Doch die Qualität im Service wie auch beim Frühstück hatte
dort im vergangenen Jahr schwer nachgelassen, so dass ich mich in diesem
Jahr erstmals für das teurere Hotel entschied. Eine Entscheidung, die
ich nicht bereute! Schon der Eingangsbereich vermittelte mir sofort,
dass es sich hier um ein sehr nobles, altehrwürdiges Hotel handelt, in
dem auf Service und Qualität gesetzt wird. Der Zufall wollte es, dass
ich zeitgleich mit den Filmemachern
Dave Strohmaier und Randy Gitsch
eintraf, die bereits zum wiederholten Male eigens aus Los Angeles für
das „Widescreen Weekend“ angereist waren. Schon war das erste „Hi!“ und
„Hello!“ ausgetauscht und man fühlte sich sofort wieder heimisch. Zur
Begrüßung gab‘s dann sogleich ein Glas Wein auf Kosten des Hauses, das
wir in den Sitzgruppen im eleganten Foyer zu uns nahmen. Man könnte fast
sagen, es war ein Familienumtrunk. Viele bekannte Gesichter tummelten
sich hier, darunter auch die beiden Karlsruher sowie
Francois, der
größte 70mm-Enthusiast aus Frankreich.
Tom March
Hier kam ich mit dem Kanadier Tom
ins Gespräch, der auch gerade erst eingecheckt hatte und noch etwas mit
dem Jet Lag zu kämpfen hatte. Tom war einer der privaten Sponsoren des
„Widescreen Weekends“. Voller Stolz zeigte er mir Fotos seines eigenen
Cinerama-Heimkinos, in dem er mittels DVD und elektronischer
Geometriekorrektur Filme auf die riesige gewölbte Leinwand im Keller
seines Hauses in Alberta projiziert. Alle Achtung – sehr imposant. Tom
ist gelernter Fernsehtechniker und arbeitete für einen kleinen
kanadischen Fernsehsender. Seit letztem Jahr ist er pensioniert und
damit beschäftigt, alles nachzuholen, was er währen seines Arbeitslebens
nicht wahrnehmen konnte. Wie diese Reise nach Bradford zum Beispiel.
Meine Frage, ob er denn ein richtiger Filmenthusiast sei, beantwortete
er mit „eigentlich nein“. Seine ganz große Leidenschaft gilt alleine dem
Film "How the West Was Won", den er als Jugendlicher im 3-Streifen
Cinerama-System erlebt hatte. Seither sammelt er alles, was er zu diesem
Film in die Hände bekommt. Auf einem seiner Fotos waren alle
Sammelobjekte zu sehen: Souvenirbroschüren, Soundtrack-CDs, LPs, DVDs
usw. In Zusammenarbeit mit Dave Strohmaier hatte er sogar ein kleines
Video produziert, in dem er die Schauplätze seines Lieblingsfilms
besuchte, diese mit dem exakt gleichen Blickwinkel wie im Film aufnahm
und mit den Originalszenen aus dem Film kombinierte. So entstand ein
faszinierendes „Damals und heute“, das ursprünglich als Bonusmaterial
für die kürzlich veröffentlichte DVD von "How the West Was Won" angedacht
war. Doch Warner Home Video hatte kein Interesse daran. Toms kleines
Video würde daher hier beim „Widescreen Weekend“ in Bradford gezeigt
werden.
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Nach diesem netten kleinen Umtrunk mit allerlei Fachsimpeleien bezog ich
erst einmal mein Zimmer, das es an nichts mangeln ließ. Für den
Eröffnungsabend des Festivals schmiss ich mich dann auch gleich in
Schale. Passend zum Film entschied ich mich für die „Twentieth Century
Fox“-Krawatte, jenem Geschenk meiner Schwiegermutter, das mich schon bei
vielen Filmfestivals begleitete. Dann gings auch gleich schnurstracks
zum National Media Museum, in dessen Pictureville Cinema das ganz lange
Wochenende stattfinden würde. Der Himmel war inzwischen wieder
aufgeklart und so war mir der etwa zehnminütige Fußweg ins Kino sehr
willkommen. Nachdem ich meinen „Badge“ und eine ganze Tragetasche voller
„Goodies“ am Kinocounter entgegengenommen hatte, schlenderte ich durch
das Kinofoyer und hielt nach weiteren Bekannten und auch Unbekannten
Ausschau. An Gesprächen mangelte es wahrlich nicht! Es liegt wohl an dem
gemeinsamen „Geist“, der Liebhaber breitformatiger Filme
zusammenschmiedet, so dass es kaum Berührungsängste gibt. Auch kennt man
im Laufe der Jahre natürlich sehr viele der Gesichter, die immer wieder
in Bradford auftauchen und mit denen man sich sehr gerne auf
interessante Filmgespräche einlässt. Eine Viertelstunde vor Filmbeginn
hatte ich dann endlich Gelegenheit, Duncan zu begrüßen. Duncan ist
Chefvorführer im Pictureville Cinema und Mitorganisator des Festivals.
Sein Besuch beim Karlsruher Todd-AO-Festival in der Schauburg im
vergangenen Jahr führte dazu, dass er mich bat, doch auch einmal in
Bradford „Introductions“ für einzelne Filme zu machen. Eine Bitte, der
ich gerne nachgekommen bin. Für insgesamt drei Filme während des
„Widescreen Weekends“ hatte ich Intros ausgearbeitet. Beim ersten von
den Dreien handelte es sich um die Musicalverfilmung von "The King and I", mit der an diesem Donnerstagabend das „Widescreen Weekend“ offiziell
eröffnet wurde. Im gut gefüllten Kinosaal wurde eine neue 35mm
CinemaScope-Kopie vorgeführt, die Twentieth Century Fox ein paar Jahre
zuvor von den originalen 55mm Elementen im richtigen Bildformat von
1:2.55 restaurieren liess. Die Bildqualität der auf die flache Leinwand
des Kinos projizierten Kopie war sehr schön anzusehen. Farben und
Bildschärfe ließen im Vergleich zu den frühen CinemaScope-Filmen keine
Wünsche offen. Sehr imposant war der auf Dolby Digital 5.1 neu
abgemischte Filmton, der eine beeindruckende Dynamik und Transparenz
aufwies. Die in der späteren 70mm Blow-Up-Version enthaltene Pause war
in der neuen 35mm-Kopie nicht enthalten. Die neue Kopie stellte damit
eine werkgetreue Restaurierung dar, die vom Publikum mit regem Applaus
versehen wurde.
Den Ausklang des ersten Festivaltages genoss ich zusammen mit Duncan,
Dave, Randy, Tom, sowie Chris und Tony im nahegelegenen Pub. Es geht
doch nichts über ein frisch gezapftes „Pint of Lager“ nach einem
gelungenen Filmabend.
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Der Freitagmorgen bescherte mir ein leckeres englisches Frühstück mit
allem, was dazugehört: Speck, Rührei, Würstchen, Tomaten, Pilze, Kaffee
und Toast. Schließlich galt es jetzt gut genährt zu sein für den vor mir
liegenden Filmmarathon, der nicht viele Gelegenheiten zum Essen fassen
haben würde. Pünktlich um 10 Uhr morgens ging es dann auch gleich
richtig los: "This is CINERAMA" in echtem 3-Streifen Cinerama – der Film,
mit dem 1952 die ganze Widescreen-Ära begann. Die weltberühmte
Achterbahnfahrt zu Beginn des Films sorgt auch heute noch beim Zuschauer
für einen Adrenalinstoß. "This is CINERAMA" wurde natürlich ordnungsgemäß
auf die gekrümmte Bildwand des Kinos projiziert. Ich habe diesen Film
mittlerweile schon so oft in Bradford gesehen, dass ich mich dazu
entschloss, nur den ersten Teil bis zur Pause anzuschauen und mir dann
ein Mittagessen in der Museumskantine zu gönnen.
Film Nummer 2 an diesem Tag war "Taming of the Shrew", eine Shakespeare-Verfilmung
aus dem Jahre 1967 mit Elizabeth Taylor und Richard Burton. Gezeigt
wurde eine stark verblasste 70mm-Kopie. Um die Farben etwas ansehnlicher
wirken zu lassen, wurde der Film durch einen Farbfilter projiziert. Das
ergab zwar eine Verbesserung in Sachen Kontrast, doch die überwiegende
Farbe war rot. "Taming of the Shrew" hatte zudem keinen Stereoton, sondern
nur eine Monomischung, die gleichermaßen auf die Magnettonspuren der
Frontkanäle gelegt wurde. Vermutlich handelte es sich bei dieser
70mm-Kopie um eine Unikat-Kopie, die speziell für die Royal Film
Performance in London hergestellt wurde. Mir persönlich gefiel der Film
nicht sonderlich, hatte ich doch schon weitaus bessere Verfilmungen von
Shakespeare-Komödien gesehen.
Weiter ging es mit einer weiteren Unikat-Kopie. Die jedoch war nagelneu: "Faubourg 36". Dieser französische Film, der in Deutschland unter dem
Titel "PARIS, PARIS – MONSIEUR PIGOIL AUF DEM WEG ZUM GLÜCK" zu sehen war,
ist das erste 70mm Blow Up eines Spielfilms seit langer, langer Zeit.
Hergestellt wurde die Kopie bei Gulliver-Arane in Frankreich im
vergangenen Jahr und verfügt über DTS Digitalton in französischer
Sprache. Damit möglichst alle Anwesenden den Dialogen des Films folgen
konnten, wurden englische Untertitel live via Powerpoint-Präsentation
auf die Leinwand projiziert. Deb Singleton, eine der Mitarbeiterinnen
des Museums, muss Blut und Wasser geschwitzt haben während dieser
Vorführung. Denn sie saß mit einem Laptop im Publikum und war für das
korrekte Weiterschalten der von ihr angefertigten Untertitel zuständig!
Keine Frage – sie hatte sich ihren Applaus redlich verdient. Eine
wirklich beachtliche Leistung. Beachtlich auch die Bildqualität der
70mm-Kopie, die an die Qualität von 65mm-Produktionen heranreicht. Wie
bereits zuvor "Taming of the Shrew" so wurde auch "Faubourg 36" auf die flache Leinwand projiziert.
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Im Anschluss daran waren alle Dauerkartenbesitzer zum traditionellen
Umtrunk in der Kodak Gallery im Untergeschoss des Museums eingeladen.
Endlich etwas mehr Zeit für längere Gespräche mit meinen alten Bekannten
Nigel (Ex-Chefvorführer des Odeon Leicester Square, London) und Dion
(Ex-Ingenieur der Firma Dolby und inzwischen selbständiger Kinotechniker)
mit seiner Frau Susan. Es gibt doch nichts Schöneres als in alten
Erinnerungen zu schwelgen! Zwei Gläschen Rotwein später ging es dann
bereits weiter mit dem Programm. Und es sollte ein ganz besonderer Abend
werden. Denn zum 40. Jubiläum der Aufführung von "Where Eagles Dare" ("AGENTEN
STERBEN EINSAM") hatte sich prominenter Besuch angekündigt: der britische
Schauspieler Derren Nesbitt gab sich die Ehre.
Derren Nesbitt
Derren (Jahrgang 1935),
der in "Where Eagles Dare" einen Gestapo-Offizier spielt, wurde vom
künstlerischen Leiter des Festivals, Tony Earnshaw, zum Screen-Talk
eingeladen. Was für eine Offenbarung! Niemand hätte damit gerechnet, mit
welch tollen Geschichten Derren aufwarten würde. Und er war nicht zu
bremsen! Das enthusiastische Publikum dankte es ihm mit viel Applaus.
Derren hatte jede Menge Anekdoten über seine Filmpartner auf Lager.
Clint Eastwood, Frank Sinatra, Richard Burton – er kannte sie alle. Tony
Earnshaw meinte am Schluss, dass er noch nie einen derart vergnüglichen
Talk-Gast hatte. Und ich muss ihm hier vollkommen recht geben. Der
Screen-Talk mit Derren Nesbitt war ein echtes Highlight! Im Anschluss an
das etwa einstündige Gespräch waren dann Lee Pfeiffer und Dave Worrall
vom „Cinema Retro Magazine“ am Rednerpult. Die beiden Filmfans, die ihr
Leben den Filmen der 60er-Jahre verschrieben haben, waren die Sponsoren
für die Aufführung von "Where Eagles Dare", dem sie die nächste Ausgabe
ihres Filmmagazins „Cinema Retro“ widmen werden.
"Where Eagles Dare" wurde im 70mm-Format gezeigt. Es handelte sich um eine
Kopie mit schwedischen Untertiteln, die noch in einem relativ guten
Farbzustand erhalten ist. Wie mir Duncan später erzählte, war es gar
nicht sicher, ob der Film in 70mm gezeigt werden konnte, da die Kopie in
Schweden nicht mehr zu finden war. Schließlich stellte sich heraus, dass
die Kopie schon lange Zeit im Empire Kino in London lagerte, wo sie
zuletzt gezeigt wurde. Da die Veranstalter seinerzeit die Rechnung für
das Screening nicht bezahlen konnten, wurde die Kopie einfach
einbehalten. Es ist einem Zufall zu verdanken, dass dieser Umstand noch
rechtzeitig bemerkt wurde. "Where Eagles Dare" wurde auf die flache
Leinwand gespielt und macht – sofern man Trash mag – auch heute noch
großen Spaß! Der Ton und ganz speziell die Musik von Ron Goodwin geben
sich sehr imposant, obgleich ich persönlich der Meinung bin, dass das
Tonerlebnis im Jahre 2002 besser war. Seinerzeit wurde dieselbe
Filmkopie auf die gekrümmte Leinwand gespielt, hinter der sich
offensichtlich eine bessere Lautsprecheranlage befindet als hinter der
flachen Leinwand.
Mit den letzten Takten von "Where Eagles Dare" war das Filmeschauen an
diesem Freitag dann zu Ende. Jetzt galt es, den anstrengenden Tag noch
etwas ausklingen zu lassen. Die gemütliche Hotelbar bot sich hierfür
geradezu an. Und die ganze „Familie“ war vertreten: Nigel, Ben, Mike –
sogar Derren Nesbitt mit Gemahlin sowie die Kollegen vom „Cinema Retro“
Magazin. Ein schöner Abschluss dieses ereignisreichen Tages.
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Wer hätte das gedacht: der Samstag erwartete mich mit herrlichem
Sonnenschein! Im lichtdurchfluteten Frühstücksraum des Hotels traf sich
kurz nach Acht die gesamte Widescreen-Fangemeinde. Beim „Traditional
English Breakfast“ nutzte ich die Gelegenheit, mich mit einem weiteren
alten Bekannten auszutauschen: Thomas Hauerslev aus Dänemark. Thomas
betreibt die hochinteressante Website www.in70mm.com, die sich im Laufe
der Jahre zur ersten Anlaufstelle für alle Fans des breiten Formates
entwickelt hat. Thomas, der sich selbst scherzenderweise als „Indiana
Jones des 70mm-Films“ bezeichnet, gehört schon seit langer Zeit zum
Planungsgremium des „Widescreen Weekends“.
Nach dem leckeren Frühstück ging's dann auch schon gleich wieder ins
Kino. „Cinerama Ventures“ nannte sich der erste Programmpunkt des Tages.
Filmemacher Dave Strohmaier, dem wir die wunderschöne Dokumentation "The Cinerama Adventure" verdanken, und sein Produzent Randy Gitsch gaben sich
jetzt die Ehre und erzählten dem gebannt lauschenden Publikum ein schier
unglaubliche Geschichte, die letzten Endes zur Entdeckung eines längst
verschollen geglaubten 3-Streifen Cinerama-Films führten. Die Geschichte
war so abenteuerlich, dass man sie hätte direkt verfilmen können.
Starker Essiggeruch, ein verlassener Keller, eine Rockerbande – die
Story hatte wirklich alles zu bieten. Dave meinte abschließend, wenn
sich Thomas als „Indiana Jones des 70mm Films“ bezeichnen würde, dann
würde er selbst den Titel „Indiana Jones des Cinerama-Films“ für sich in
Anspruch nehmen. Als besonderes Schmankerl hatten die beiden Amerikaner
dann noch die ersten 18 Minuten des wiederentdeckten Cinerama-Films
"Cinerama's Russian Adventure" im Gepäck, der uns dann auf der gekrümmten
Leinwand präsentiert wurde. Es handelte sich dabei um einen im Jahre
1966 produzierten Film, der aus vielen russischen 3-Streifen
Kinopanorama-Ausschnitten zusammengesetzt wurde. Die Farben waren leider
schon sehr gefadet, so dass der Film ziemlich rosa aussah, doch der
Bildeindruck war gewaltig. Dave und Randy arbeiten jetzt an einer
Restaurierung des kompletten Films, den wir dann zu gegebener Zeit ganz
bestimmt im Pictureville Cinema in Bradford sehen dürfen. Zum Abschluss
seiner Präsentation verriet uns Dave dann noch, dass man momentan an
DVD- und Blu-ray Veröffentlichungen der beiden Cinerama-Filme "This is CINERAMA" und "Windjammer" arbeitet. Als Distributionspartner konnte die
Firma Image Entertainment gewonnen werden. Na, da darf man ja gespannt
sein!
Direkt im Anschluss stand der Film "How the West Was Won" auf der
Tagesordnung. Aber nicht etwa in der von uns allen geliebten 3-Streifen
Cinerama-Fassung, sondern in digitaler Form. Als Quellmaterial fungierte
ein 4K-Scan der von Dave restaurierten Fassung des Films mit einem 5.1
PCM Soundtrack. Projiziert wurde mit dem fest installierten 2K DLP
Projektor auf die gekrümmte Cinerama-Bildwand. Von Duncan erfuhr ich im
Vorfeld, dass man eigens dafür mit einer wesentlich höheren
Lichtleistung fahren musste, um das Bild in ausreichender Helligkeit
leinwandfüllend präsentieren zu können. Auch musste das Bild
entsprechend hochgezommt werden, damit es ohne störende Balken zu sehen
war. Dadurch entstand leider ein an allen vier Seiten beschnittenes Bild.
Mich persönlich störte das ziemlich, war ich doch die wirklich
spektakuläre Cinerama-Fassung gewohnt, die – meiner Meinung nach – dazu
noch eine weitaus bessere Schärfe aufzuweisen hat. Aber das muss auch
nicht wundern, denn eine 2K-Version kann natürlich nicht mit der
Qualität von 3x35mm konkurrieren! Was den Ton angeht, so wurde ich auch
hier herb enttäuscht. Speziell das Bassfundament war hier quasi nicht
existent. Dieses Problem wurde bereits bei den DVD- und
Blu-ray -Versionen des Films registriert. Wer die 7-Kanal-Mischung der
Cinerama-Version einmal gehört hat, der weiß sicherlich wovon ich
spreche. Nichtsdestotrotz war diese Präsentation natürlich ein
willkommenes Experiment. Ich entschloss mich dazu, den Film nur bis zur
Pause anzuschauen und mich während der zweiten Filmhälfte in die
Museumskantine zurückzuziehen.
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Der nächste Film war für 15:00 Uhr geplant: "The Bible...in the beginning"
in einer neuen 70mm-Kopie. Die Welturaufführung der neuen Kopie fand im
letzten Jahr im Oktober in Karlsruhe statt. Dort war man einhellig der
Meinung, dass das Bild ganz offensichtlich viel zu dunkel kopiert wurde.
So war fast die gesamte „Garten Eden“-Sequenz kaum zu erkennen. Auch
fehlten sämtliche Endtitel. Die Schauburg hatte seinerzeit die erkannten
Kopienmängel sofort an die zuständigen Stellen bei Twentieth Century Fox
sowie dem Kopierwerk gemeldet, woraufhin angeblich entsprechende
Korrekturen vorgenommen wurden. Ich war jetzt also gespannt, ob wir nun
diese korrigierte Kopie zu sehen bekämen. Ich kann mich hier auch
täuschen, hatte jedoch den Eindruck, zumindest bei der „Garten Eden“-Sequenz
wesentlich mehr zu erkennen als zuvor. Trotzdem empfand ich das Bild
noch immer als zu dunkel. Und die Endtitel fehlten nach wie vor! Hatten
wir in Bradford möglicherweise doch dieselbe Kopie wie im Oktober in
Karlsruhe? Wir werden das wohl nie endgültig klären können. Duncan
erzählte mir später, dass ein Probelauf mit dieser Kopie (und auch allen
anderen Kopien) nicht möglich war aufgrund des Umstandes, dass das
„Widescreen Weekend“ Bestandteil des „Bradford International Film
Festivals“ ist. Die Vorführer sind also derart unter Druck, dass man so
gut wie keine Probeläufe durchführen kann. Im Falle von "The Bible" war
das Einzige, was im Vorfeld getestet wurde, der Ton. Hier wurde
sichergestellt, dass die mitgelieferten DTS-CDs auch funktionieren. Und
siehe da: es wurden zwei fehlerhafte CDs entdeckt, die sich nicht laden
ließen. Über DTS in den USA wurde schnellstmöglich Ersatz angefordert
und prompt geliefert.
Darren Briggs
Im nächsten Programmpunkt kam Darren Briggs von Arts Alliance Media zu
Wort, der mit einer Powerpoint-Präsentation über den aktuellen Stand des
vielzitierten „Digital Cinema Rollouts“ aufklärte. Zur Illustration
seines Vortrages gab es dann einige Kostproben in Digitalqualität,
darunter auch eine Demonstration des digitalen 3D-Systems der Firma
Dolby. Dieses System macht zwar einen einmaligen Umbau des
Digitalprojektors notwendig, kann dafür aber auf Standardleinwände
projiziert werden und benötigt nur kostengünstige Passivbrillen zum
Betrachten. Dass der Umbau des Projektors mit einem Helligkeitsverlust
einher geht, bemerkte ich sofort. Mir persönlich war das
dreidimensionale Bild im Vergleich zum zweidimensionalen Bild noch immer
zu dunkel. Aber das ist natürlich Geschmackssache.
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Wolfram Hannemann
Das letzte Event an diesem Samstagabend war die Aufführung von Robert
Wise‘s Musicalverfilmung der "West Side Story" in neuer 70mm Kopie mit
DTS-Sound. Das Foyer des Pictureville Cinemas drohte aus allen Nähten zu
brechen – so gewaltig war der Ansturm auf diesen Film! Wir hatten
wahrhaftig ein ausverkauftes Haus an diesem schönen Abend. Mir wurde die
Ehre zuteil, dem Publikum eine Einführung in diesen Klassiker des
Breitformatkinos zu geben. Während ich mich nach dem Ende meines
Vortrages vom Rednerpult in Richtung meines angestammten Sitzplatzes
vorarbeitete, öffnete sich bereits der Vorhang der gekrümmten Bildwand
und gab den Blick frei auf die stilisierte Skyline von Manhattan, die
während der Ouvertüre zu sehen ist. Doch – oh Schreck! - wo war der Ton?
Alles blieb stumm. Das ging eine ganze Weile so, bis schließlich der
Film gestoppt wurde. Bill Lawrence, Programmplaner des „Widescreen
Weekends“, vertröstete das Publikum und meinte, dass er jetzt wieder
wisse, warum er den Ton lieber auf der Filmkopie hat als separat auf
CDs! Eine Minute später hatten es die Jungs im Vorführraum geschafft:
jetzt gab es die "West Side Story" nicht nur zu sehen, sondern auch zu
hören! Während der Pause des Films fragte ich Duncan nach dem Problem.
Aus unbekannten Gründen ging der DTS-Prozessor in seinen „Boot“-Modus
just in dem Moment, als man den Film startete. Genau dasselbe Problem
konnten wir beim letztjährigen Screening von "STAR!" beobachten. Immerhin
gab es im restlichen Verlauf der "West Side Story" kein Tonproblem mehr.
Aber der Abend hatte eine andere Überraschung auf Lager. Wer "West Side Story" kennt, der weiß, dass sich sämtliche Titel des Films am Ende
befinden. Als diese gerade einmal angefangen hatten und Stephen
Sondheims Credit auf der Leinwand erschien, bemerkte ich, dass sich der
Vorhang bewegte und sich zu schließen begann! Ein Raunen ging quer durch
das Publikum. Will man uns um die Endtitel bringen? So war es dann
leider auch: der Vorhang wurde geschlossen und das Projektionslicht
abgeblendet. Übrig blieb nur die Musik, mit der die Endtitel unterlegt
sind. Nachdem alles vorbei war, ging ich sofort in den Vorführraum und
fragte Duncan nach dem Grund für dieses nicht sehr professionelle Ende
der Vorstellung. Duncan war untröstlich und erklärte mir, dass einer
seiner Kollegen, der für das Herrichten der Kopie zuständig war, ihm ein
„Cue Sheet“ in die Hand drückte, auf dem genau abzulesen war, zu welchem
Zeitpunkt der Vorhang zu schließen sei. Und da stand geschrieben „Start
closing curtain as soon as Stephen Sondheim's name appears on the
screen“. Zu dumm nur, dass Stephen Sondheims Name gleich an zwei Stellen
während des Abspanns auftaucht – ziemlich am Anfang und kurz vor dem
Ende! Und so startete Duncan den Vorhang leider gleich beim ersten Mal.
Nobody is perfect. Auch trotz dieser kleinen Pannen war es für mich eine
große Freude "West Side Story" auf der großen Leinwand zu sehen.
Allerdings empfand ich die Bildschärfe der Kopie als nicht optimal. Die
Kopie wurde vermutlich von einem Duplikatnegativ hergestellt und leider
nicht vom Kameranegativ. Auch der Ton des Films ließ ein paar Wünsche
offen. Denn Ausgangsmaterial war in diesem Falle nicht das originale
6-Kanal-Master, sondern leider nur eine 4-Kanal-Abmischung. Bleibt zu
hoffen, dass Hollywood an dieser Stelle noch nachbessern wird.
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Dieser extrem abwechslungsreiche und interessante Samstag musste
natürlich zu später Stunde noch gebührend abgeschlossen werden. Was lag
da näher als in illustrer Runde die stets geöffnete Hotelbar um ein paar
„Pint of Lager“ oder „Shandys“ ärmer zu machen? Danach ging's aber
schnell ins Bett, denn der Sonntagmorgen startete bereits um neun Uhr
Ortszeit.
Als ob das Festivalprogramm nicht längst schon am überquellen war, wurde
erst ein paar Tage vor dem offiziellen Beginn noch ein zusätzlicher
Programmpunkt hinzugefügt. Und da alle anderen Termine bereits belegt
waren, blieb nur noch der frühe Sonntagmorgen übrig. Zu sehen gab es
jetzt ein echtes Schmankerl: "This is New Zealand"! Dieser für die Expo
1970 in Auftrag gegebene Imagefilm des Landes Neuseeland wurde mit einer
nagelneuen 35mm CinemaScope-Kopie mit Dolby Digital Tonspur präsentiert.
Das Interessante daran: der Film wurde mit drei Kameras aufgenommen und
wurde auf der Expo im neuseeländischen Pavillion von drei Projektoren
auf drei nebeneinander liegende Leinwände projiziert. Sozusagen das
Cinerama des kleinen Mannes. Die CinemaScope-Kopie zeigte die drei
unabhängigen Bild-Panels durch vertikale schwarze Balken getrennt. Um
alle drei Panels unbeschnitten zeigen zu können, wurde das Bild auf der
CinemaScope-Kopie zusätzlich im Letterbox-Format kopiert. Das so
entstandene Bild hatte ein Bildseitenverhältnis von etwa 1:3, hatte
dadurch aber eine geringere Bildhöhe als Standard CinemaScope. Das
Ergebnis überzeugte jedoch. Der etwa 20minütige Imagefilm machte richtig
Spaß, insbesondere auch deswegen, weil es die Filmemacher vorzüglich
verstanden, die vertikalen Trennlinien dramaturgisch höchst
beeindruckend in ihr Konzept mit einzubinden. Bob Jessopp, der eigens
aus Neuseeland angereist war, um diesen Film zu präsentieren, hatte auch
noch zwei weitere Kostbarkeiten im Gepäck, die er sozusagen als
Vorprogramm einsetzte. Beides waren ebenfalls Imagefilme, mit denen
Neuseeland damals den Tourismus ankurbeln wollte. Mich haben diese
beiden Kurzfilme köstlich amüsiert, zeigen sie doch, wie damals Werbung
gemacht wurde. Einfach herrlich!
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Quasi nahtlos reihte sich dann die nächste Attraktion des Programms an.
Denn jetzt hieß es wieder CINERAMACANA. Das ist jener Programmpunkt, zu
dem jeder persönlich beitragen darf. Hier sind insbesondere Filmsammler
gefragt, die möglichst seltene Exponate in den unterschiedlichsten Bild-
und Tonformaten zum Besten geben. Einmal mehr kam Randy Gitsch zu Wort,
der einen kurzen Vortrag zum Thema „Widescreen Shorts“ hielt und auch
gleich zwei extrem seltene 70mm Kurzfilme mitbrachte: "Concorde" und "Bridge to Space". Beide waren leider schon farblich ziemlich verblasst,
aber dennoch willkommene Abwechslung fürs Publikum. Zu meinem Bedauern
lag das Schwergewicht der CINERAMACANA-Veranstaltung in diesem Jahr auf
Videopräsentationen. Ich hätte mir hier mehr Filmclips gewünscht.
Besonders lustig fand ich das Publikumsquiz. Francois Carrin hatte die
tolle Idee, den französischen Titel großer Hollywood-Filme ins Englische
zu übersetzen und das Publikum raten zu lassen, um welche Filme es sich
tatsächlich handelt. Gesucht wurden zehn Titel. Ein verdammt schweres
Quiz! Die höchste Trefferquote lag hier bei vier korrekt erratenen
Titeln! Weitere „Bits & Pieces“ an diesem Vormittag waren:
- Die „Street Scene“ in 35mm CinemaScope und 4-Kanal Stereo Magnetton,
also der Prolog zum berühmten Film "HOW TO MARRY A MILLIONAIRE" von 1953.
Bob Jessopp hatte diesen Ausschnitt beigesteuert, dessen Ton noch in
sehr gutem Zustand war, der dafür aber an verblassten Farben litt
- Ein Trailer zu Barbra Streisands "YENTL" in 70mm (Bildformat 1:1.85)
- Eine Testrolle zu "KHARTOUM", mit der die Special Effects demonstriert
wurden – in 70mm ohne Ton
- Ein Musikvideo in 2K Digitalpräsentation und im Format 1:2.35 von
Grant Wakefield, der persönlich anwesend war
- "Tanakh Bibelen al-Quran" in 70mm und DTS-Sound: ein dreiminütiger Film,
in dem der Regisseur alle drei abrahamischen Bibeln Seite für Seite auf
65mm-Film aufgenommen hatte und diese dann im Schnelldurchlauf zeigte.
Für mich ein Beweis dafür, dass das geneigte Publikum wirklich alles
anschaut – Hauptsache es ist 70mm breit!
- Dion Hansons Powerpoint-Präsentation zur Umgestaltung des Pictureville
Cinema Vorführraums
- Eine Hommage an Bill Lawrence (untermalt mit Musik von John Barry),
den Gründer der Veranstaltung
- Eine kurze Animation zum Thema „Alle RAMAs dieser Welt“
- Ein Nachruf auf wichtige Persönlichkeiten der Widescreen-Szene, die im
vergangenen Jahr verstorben sind
- Eine kurze Reportage zum 70mm-Festival in Krnov, Tschechien
Zum Abschluss dann durfte sich die gesamte Widescreen-Familie wieder auf
die Bühne vor der gekrümmten Leinwand fürs alljährliche Familienfoto
postieren. Thomas Hauerslev fungierte wieder als Fotograf. Wie jedes
Jahr so war auch dieses Mal wieder die spannende Frage, ob er es
rechtzeitig schaffen würde, nach dem Aktivieren des Selbstauslösers auf
die Bühne zu kommen. Nun, er hat es natürlich wieder geschafft – aber
deutlich langsamer als in den Vorjahren...
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Jakub Klima, Pavel Tomešek und Martin Leskovský
Danach legte ich erst einmal eine Pause ein, um mich mit Essbarem aus
der Kantine zu stärken. Wie so üblich kam ich mit anderen Fans ins
Gespräch, Ronald aus der Schweiz und Brian aus Dublin. Wir hatten eine
so rege Diskussion, dass wir den Anfang des nächsten Films verpasst
haben. "Becket" im 70mm-Format war eine Leihgabe von den tschechischen
Kollegen des Kino Mir 70 in Krnov. Die Kopie war in englischer Sprache
und hatte tschechische Untertitel. Die Schärfe dieser Blow-Up-Kopie war
sehr gut, nur die Farben leider fast völlig gefadet. Immerhin war echter
6-Kanal-Ton vorhanden, der Laurence Rosenthals Musik richtig zur Geltung
brachte. Das Historiendrama mit Richard Burton und Peter O'Toole ist
zwar Kino mit Tiefgang, war aber vom Zeitplan her einfach ungünstig
platziert. So ergriff nicht nur mich eine extreme Müdigkeit, sondern
auch andere Anwesende, was man deutlich an deren Schnarchen hören konnte!
Das hat der Film natürlich nicht verdient, aber das Festival fordert
eben seine Opfer – speziell zur Mittagszeit.
Beim nächsten Film füllte sich der Saal wieder deutlich. Das Rodgers &
Hammerstein Musical "Carousel" stand auf dem Programm. Zur Aufführung kam
eine relativ neue 35mm CinemaScope-Kopie mit Dolby Digital Sound und dem
Bildseitenverhältnis von 1:2.55. "Carousel" war der erste Film in
CinemaScope 55, einem Aufnahmeverfahren, das auf 55mm Negativfilm
aufgenommen wurde. Der Film wurde vor ein paar Jahren von Twentieth
Century Fox aufwändig restauriert und beeindruckte in der vorliegenden
35mm-Kopie durch seine Schärfe und Farbgebung. Auch wenn anderen
Zuschauern am Ende der Vorführung die Tränen in den Augen standen – mich
hat dieses Filmmusical nicht sonderlich gerührt. Vielleicht lag es auch
einfach an meiner Übernächtigung.
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Als Höhepunkt des Sonntagsprogramms wurde die neue 70mm-Kopie von "Khartoum" gehandelt, die im Anschluss an "Carousel" anstand. Hier wurde ich
bereits von Duncan vorgewarnt. Denn das für eine einwandfreie Projektion
dieses in Ultra Panavision aufgenommenen Films erforderliche
anamorphotische Objektiv wurde leider nicht fristgerecht von Federal
Express geliefert. Es war Sonntag und FedEx wollte Montag liefern! Ein
Alptraum für die Projektionsmannschaft. Was tun? Es wurden alle Hebel in
Bewegung gesetzt. So konnte unter Mitwirkung von Dion Hanson auf abenteuerliche Weise ein entsprechendes Objektiv zusammengeschustert
werden, um wenigstens "Khartoum" unverzerrt im Bildformat von 1:2.76
vorführen zu können. Nachteil dieser Notlösung: das Bild war zu dunkel.
Dadurch litten speziell die hervorragenden Wüstenszenen des Films. Den
Großteil des Publikums hat das aber nicht gestört und so war die
Mehrzahl der Gäste mit der gefundenen Lösung zufrieden. Sehr befremdlich
allerdings war die Tatsache, dass die neue 70mm-Kopie die in den Film
integrierte Pause an einer ganz falschen Stelle platziert hatte. Ich
hatte schon gehört, dass dieses Problem bereits im Februar beim
Berlinale-Einsatz dieser Kopie bemerkt wurde und hatte auf eine
entsprechende Korrektur gehofft. Diese hätten die Spezialisten in
Bradford sicherlich bewerkstelligt, wenn ausreichend Zeit vorhanden
gewesen wäre, um alle Kopien vor ihrem Einsatz zu prüfen.
Hochinteressant fand ich das Gespräch mit Paul Rayton, dem Chefvorführer
des Egyptian Theatres in Los Angeles, der mir in der Pause erzählte,
dass "Khartoum" beim Einsatz in seinem Kino ein paar Wochen zuvor diese
Pause noch gar nicht gehabt hatte! Wie schon bei "West Side Story" so wurde auch beim Ton für "Khartoum" nicht auf die originalen 6-Kanal
Mischbänder zurückgegriffen, sondern nur von einer 4-Kanal-Mischung
gemastert. In seiner Einführung zum Film sagte Filmdozent Sheldon Hall,
dass er diese Vorstellung von "Khartoum" dem Andenken an den im letzten
Jahr verstorbenen Charlton Heston widmen möchte. Immerhin ist es Heston,
den so viele Enthusiasten stets mit aufwändigen Breitformat-Spektakeln
in Verbindung bringen.
Um diesem aufregenden Tag ein würdiges Ende zu bereiten, ging ich
zusammen mit Clemens und Melanie sowie den beiden Schweizern Michael und
Ronald in eines der vielen indischen Lokale, die Bradford zu bieten hat.
Bei riesigem Garlic-Nan, erfrischender Lassi und raffiniert gewürzten
Fleischcurrys ließen wir den Tag Revue passieren, bevor wir uns in unser
Hotel aufmachten.
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Huch – es war mittlerweile schon wieder Montag geworden! Am letzten Tag
des „Widescreen Weekends“ standen noch zwei Filme auf unserer Agenda.
Sozusagen als Bonbon für all diejenigen, die erst im Laufe des Tages
abreisen würden. Ich würde sagen, dass der Kinosaal zu dieser Matinee
nur noch zur Hälfte gefüllt war. Viele hatten sich bereits am
Sonntagabend verabschiedet. Nicht so wir hartgesottenen Nimmersatts, die
alles bis zur letzten Sekunde sehen wollen. Ich war entsprechend
vorbereitet und hatte meinen Rückflug erst für den nächsten Tag gebucht,
um nicht bereits am Montag in Stress zu kommen. Das jetzt noch gebotene
Doppelprogramm bestand aus zwei Filmen im 70mm-Format. Michael Ciminos "THE YEAR OF THE DRAGON" bildete den Auftakt. Die farblich und akustisch
vollkommen intakte Blow-Up Kopie hatte sogar das korrekte Bildformat von
1:2.35 (im Gegensatz zu den auf 1.2.21 aufgeblasenen 70mm-Kopien). Ich
hatte den Film vor langer Zeit in einer 70mm-Vorführung in Paris gesehen
und wusste jetzt auch gleich wieder, warum ich ihn nicht mochte: er ist
langweilig! Das ist natürlich reine Geschmackssache, aber mich berührte
der Film auch beim zweiten Anschauen nicht wirklich. Schwamm drüber – es
gab ja noch einen zweiten Film. Und der war richtig gut: Sydney Pollacks "THE ELECTRIC HORSEMAN" aus dem Jahre 1979 mit Jane Fonda und Robert
Redford, der bei mir Jugenderinnerungen wach werden ließ. Die Qualität
der 70mm-Kopie war sehr beeindruckend: keinerlei mechanische
Abnutzungserscheinungen, nach wie vor sehr gute Farben und hervorragende
Schärfe. Einziger Wermutstropfen: es gab nur Mono-Sound. Es dürfte sich
hier um eine Kopie handeln, die speziell für den Premiereneinsatz in
Empire in London hergestellt wurde. Danach fiel der letzte Vorhang – End
of the Show. Die wenigen noch verbliebenen Gäste verflüchtigten sich
ziemlich schnell (Clemens und Melanie mussten während des Films bereits
aufbrechen), so dass ich alsbald sozusagen der letzte Überlebende des
„Widescreen Weekends“ war.
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Ich hatte mir natürlich schon Pläne für einen perfekten Montagnachmittag
geschmiedet und mir bereits Tickets für das zum Museumskomplex gehörende
IMAX-Kino besorgt. Der Besuch des IMAX in Bradford ist einfach eine
Pflichtübung, der man sehr gerne nachkommt. Jetzt also mein IMAX
Double-Feature: "THE DARK KNIGHT" und "U23D". Wow! Was für ein Nachmittag!
Wer "THE DARK KNIGHT" nicht im IMAX-Format gesehen hat, der hat den Film
definitiv nicht richtig erlebt. Viele Szenen wurden für diesen Film im
echten IMAX-Format aufgenommen und wurden mit den 1:2.35-Szenen
kombiniert. Wann immer diese Szenen eingesetzt werden, katapultieren sie
den Zuschauer in andere Sphären und verleihen dem Film dadurch eine
solche Wirkung, dass einem angst und bang werden kann! Ich kann nur
jedem empfehlen, sich diesen Film in der IMAX-Version anzusehen. Mein
letzter Film an diesem Tag war dann eine Wiederholung aus dem letzten
Jahr. Denn "U23D", jener brillante Konzertfilm, hatte es mir schon beim
letztjährigen Besuch in Bradford angetan. Und ich war nicht der einzige
Wiederholungstäter im Saal. Denn der Engländer, der rechts hinter mir
saß, meinte, er habe den Film bereits zehn Mal gesehen. Ich kann es ihm
nicht verdenken. Wenn man die Musik von U2 mag, dann birgt "U23D"
absolutes Suchtpotenzial. Die extrem plastischen, zum Greifen nahen
Bilder und der bombastische 6-Kanal Sound machen diesen Film zu einem
einzigartigen Erlebnis, das nicht einmal der Besuch eines echten
Konzerts überbieten kann!
Damit war’s dann aber genug mit Kino! Als wir den IMAX-Saal verließen,
stellte jener Engländer vollkommen richtig fest: „And now back to
reality!“. Inzwischen war es auch schon Abend geworden. Ich hatte mich
mit Duncan verabredet, dem mit dem Ende des „Widescreen Weekends“ ganz
offensichtlich ein Stein vom Herzen gefallen war. Endlich kein Stress
mehr! Im Pub trafen wir noch zwei weitere „Überlebende“, einen
Amerikaner und einen Australier, mit denen wir angeregt das „Widescreen
Weekend“ diskutierten, bevor wir uns dann in einem der vielen indischen
Lokale mit allerlei Köstlichkeiten versorgten.
Meine Rückreise nach Deutschland am nächsten Tag war geprägt von den
vielen Eindrücken aus Bradford. Es war eine richtig tolle Zeit – die
vielen interessanten Begegnungen und Gespräche und die gezeigten Filme
machen aus diesem Trip nach England immer etwas ganz Besonderes. Schon
jetzt freue ich mich auf 2010, wenn ich dann zum bereits siebten Male
dem „Widescreen Weekend“ einen Besuch abstatten werde.
© 2009 by Wolfram Hannemann
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Updated
28-07-24 |
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