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Cinerama unterm Sternenhimmel
Cameron Glendinning hat John H. Mitchell im australischen Sydney besucht,
der ein komplettes 3-Streifen-Cinerama-Kino in seinem Garten hat | Read more at in70mm.com The 70mm Newsletter
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Fotos und Interview: Cameron Glendinning, Sydney, Australia.
Übersetzung: Eberhard Nuffer.Deutsche Fassung, abgedruckt in „Cine 8-16“ #27 (September 2013), S. 26-28.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Cameron Glendinning und
„in70mm.com“ | Date:
16.11.2013 |
John
Mitchell next to his Cinerama installation.
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Cameron Glendinning: Erzählen Sie uns von Ihren Hintergründen. Was ist Ihr
Beruf?
John H. Mitchell: Jetzt bin ich in Rente. Aber den größten Teil meines
Berufslebens war ich im Fernmeldewesen tätig. Ich hatte 1964 mit einer
Aushilfstätigkeit als technischer Assistent begonnen und war zuletzt
technischer Leiter in Vollzeit. Ursprünglich war ich in Wollongong für das
Postmaster Generals-Büro tätig, das später Australian Telecom hieß, und
zuletzt Telstra – über den Zeitraum von 26 Jahren, in denen ich dort
arbeitete.
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Cinemiracle
Cinerama
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Cinerama
reel detail.
Mein erster Job nach der Schule war Hilfs-Vorführer in Vollzeit im Rose Bay
Wintergarden. Ich arbeitete außerdem im Gordon Kings, bevor ich in eine
ländliche Kleinstadt namens Bowral zog, wo ich ebenfalls im örtlichen Kino
jobbte. Selbst nachdem ich meinen ersten Vollzeitjob bekommen hatte,
arbeitete ich immer noch mehrere Jahre lang in Teilzeit in den Autokinos von
Wollongong - sowohl in Dapto als auch in Fairy Meadow. Viele Jahre später
restaurierte und betrieb ich auch das alte Quirindri Indoor-/Outdoor-Kino in
der Region New South Wales – über einen Zeitraum von 20 Jahren bis 2008.
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Baker Cinerama
projector.
Glendinning: Wieso haben Sie 3-Streifen-Cinerama zu Hause? Und wie lange hat
es gedauert, all die Filme zusammenzutragen, bevor Sie sie vorführen
konnten?
Mitchell: Es begann, als mir zu Ohren kam, dass ein gewisses Lager geräumt
werden sollte, in dem sich viele Cinerama-Filme befanden. Ein paar bestimmte
Jungs hatten die Leute dort belogen und ihnen vorgegaukelt, sie wollten das
Magnetfilm-Material wiederverwenden, während sie in Wahrheit nur die
Soundtracks anhören wollten.
Also ging ich an jenem Abend hin, um mir selbst ein Bild zu machen, was dort
vor sich ging. Nun ja, dort lag eine Menge Zeug – all die Magnetfilme, eine
halbe Kopie von „This is Cinerama“ (Das ist Cinerama, 1952), die zum Üben
verwendet wurde und vier vollständige Kopien von
"How
The West Was Won" (Das
war der Wilde Westen, 1962). Sie schleppten also all dieses Zeug herum, sie
machten sogar fast den Lastwagen kaputt, den sie mitgebracht hatten, und zu
meinem Verhängnis gaben sie mir eine komplette Kopie von
"How
The West Was Won". Das war es also, was mich begeistert und dazu bewegt hat, dass ich
versuchte, Geräte zu finden, um sie vorzuführen.
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Cinerama
7-track sound dubber.
Unglücklicherweise waren die Kopien schlecht gelagert worden und hatten
einen ziemlichen Wasserschaden. Alle hatten irgendwann einmal in mehrere
Zentimeter hohem Wasser gestanden.
Wie auch immer: Die Leute dort waren keine Techniker, also baute ich ihnen
ein einfaches Gerät, mit dem sie die Magnetfilme abspielen konnten. Aber
nach ein paar Jahren gaben sie mir sowieso die ganzen Sachen, weil sie
umziehen mußten und nicht wußten, was sie damit machen sollten.
Schlußendlich konnte ich aus den vier
"How The West Was Won"-Kopien eine
gute Kopie zusammenstellen.
Glendinning: Wann haben Sie die Anlage installiert, und wo haben Sie sie
gefunden?
Mitchell: All das begann 1975, als ich zum ersten Mal auf die Filme stieß.
Es sollte noch bis 1978 dauern, bis ich sie abspielen konnte. Dazu kaufte
ich ein paar Projektorköpfe von einem Händler namens Allan Bourne von
Associated Sound in Newcastle. Ich beschaffte auch ein paar Köpfe aus
Neuseeland. Die ganze Zeit wußte ich, dass im früheren „Plaza“-Theater in
Sydney noch ein komplettes Projektorpärchen stand – die A- und C-Maschine.
Ich hatte gehört, dass der damalige Pächter „Maxy’s Coffee Lounge/Disco“
eine der Maschinen im Foyer ausstellen wollte. Also ging ich rein und bot
meine Hilfe an. Während wir eine Maschine runter ins Foyer schleppten,
gelang es mir, ein paar Teile zu erwerben, die ich für meine Anlage brauchte
und die rein äußerlich für die Ausstellung nicht notwendig waren.
Einige Jahre später, nachdem das „Maxy’s“ schloß, bauten sie das frühere
Cinerama-Theater in eine Rollschuhbahn um und mußten die beiden seitlichen
Vorführräume entfernen, weil sie für ihre Nutzung gerade Wände brauchten.
Eigentlich versetzten sie es nur in den ursprünglichen Zustand zurück, aber
das bedeutete auch, dass der letzte Projektor weg mußte.
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John
Mitchell's Cinerama print storage.
Eines Tages fuhr ich vorbei und sah, dass dort Bauarbeiten stattfanden. Also
ging ich rein, sah den Bauleiter und fragte, was mit der letzten Maschine
passieren würde. „Nun, falls Hoyts (1) kein Interesse daran hat, fliegt sie
in den nächsten Tagen auf den Müll.“ „Ich kauf’ sie Ihnen ab“, sagte ich.
„Und was ist sie wert?“, fragte er. „50 Dollar“, sagte ich. “Wenn sie nicht
mehr wert ist, nehmen Sie sie einfach mit. Schauen Sie, dass sie vor Montag
draußen ist!” Das war das einzige Mal, dass ich eine vollständige Maschine
bekam, die noch in ihrem Original-Betriebszustand war. Und das ist heute
meine mittlere Maschine nach hinten hinaus.
Über die Jahre bekam ich noch andere schöne Stücke. Es gelang mir,
"This is Cinerama" zu komplettieren und an ein paar weitere Kopien zu kommen. Mein
Original-Prolog war auf 16mm – und die Kopie einer Kopie, die ich mir
ausgeliehen hatte. 30 Jahre später beinhaltet meine Sammlung fast alles, was
mit Cinerama und
Cinemiracle zu tun hat – mit Ausnahme des „breakdown films“
zu
"Seven Wonders of the World" (Die sieben Weltwunder, 1956) und
„Windjammer“ (1958) - von dessen Existenz ich überhaupt erst vor kurzem
erfuhr!
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Charlie Cinerama
projector.
Diese Filme sollten eigentlich überhaupt nie gezeigt werden. Sie waren nur
für den Fall eines technischen Problems zur Hand (2). Außerdem fehlt in
meiner Sammlung
"Russian Adventure" (1966), das im russischen
Kinopanorama-Format gedreht wurde und eine sehr eingeschränkte Auswertung in
3-Streifen-Cinerama hatte.
Glendinning: Woher kommt diese Faszination der gekrümmten Bildwand?
Mitchell: Da bin ich mir nicht sicher. 1958, als Kind, ging ich ins Sydney
Plaza-Kino, um „This is Cinerama“ zu sehen. Da ich kurz danach aufs Land
zog, dauerte es Jahre, bis ich auch „How the West Was Won“ auf der
Riesenleinwand erleben konnte. Das waren die einzigen Cinerama-Filme, die
ich während ihres ursprünglichen Kinoeinsatzes sah. | |
John
Mitchell next to his Cinerama screen.
Glendinning: Können Sie uns eine Vorstellung von Bildwandgröße,
Projektionsabstand und Sitzgelegenheiten geben?
Mitchell: Leinwand 20 x 8 Fuß (6 x 2,44 Meter), der Projektionsabstand
beträgt etwa 9 Meter, und die Sitzplatzkapazität liegt bei rund 20 Personen
im Open-Air-Kino.
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Friends
watching 3-strip Cinerama in John 's open air cinema.
Glendinning: Sind denn schon viele besondere Gäste aufgetaucht?
Mitchell: Zwei der Schauspieler aus „Windjammer“, Harald Tusberg und
Sven-Erik Libaek, sind mit einem norwegischen Fernsehteam hierher gekommen.
Und in jüngerer Zeit kam Otto Lang - der Regisseur von „Search for Paradise“
(Auf der Suche nach dem Paradies, 1957), dem vierten Cinerama-Film - der
damals 94 Jahre alt war und den weiten Weg von Seattle mit einem
Kreuzfahrtschiff zurücklegte, um seinen Film hier zu sehen. Außerdem
verschiedene Schauspieler und Crewmitglieder von “South Seas Adventure”
(1958) – einschließlich der North Bondi-Lifesavers, die in dem Boot saßen,
das in der Brandung kentert.
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3-strip Cinerama
projected on the curve. Note the much loved 2 join lines (loved by Cinerama
enthusiasts that is).
Glendinning: Welche technische Ausstattung haben Sie in Ihrem Heimkino?
Mitchell: Im Innenbereich JBL 15 Zoll-Studio-Lautsprecher, 35mm, 70mm, 3D,
Silber- und weiße Bildwände, Dolby CP55-Prozessor. Und vor kurzem habe ich
noch einen Hi-Definition-1080p-Videoprojektor und Blu-ray zu dem Gerätemix
hinzugefügt.
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John
Mitchell working at his rewind system.
Glendinning: Was war die erste Vorstellung?
Mitchell: “This is Cinerama” mit dem 16mm-Prolog, den ich damals besaß. In
diesem ersten Jahr hatte ich nur eine begrenzte 3-Monats-Spielzeit, weil es
Open-Air ist. In jenem Sommer spielten wir alle zwei Wochen einen Film. Das
habe ich nie wiederholt – in den folgenden 30 Jahren gab es nur zwei bis
drei Veranstaltungen jährlich. In letzter Zeit ist es sogar auf eine
Vorstellung alle paar Jahre zurückgegangen – jetzt, da sowohl die Kopien,
die ich habe, und auch ich selbst gealtert sind.
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Cinerama
Inc plate.
Glendinning: Irgendwelche Ratschläge für andere, bevor sie ihr eigenes
Cinerama-Kino bauen?
Mitchell: Tut es nicht! Jetzt, da die Kopien so alt sind, habt Ihr Eure
Gelegenheit verpaßt, glaube ich.
Im Laufe der Jahre sind die meisten Ton-Rollen nicht vom Essigsyndrom
verschont geblieben, da die Magnetbeschichtung ein Katalysator für die
Zersetzung des 35mm-Filmträgers ist. Ich habe dieses Problem jetzt gerade
wegen der hohen Kosten für die Kopierung ganz oben angesiedelt. Die üblichen
Kosten für das Material liegen bei 5.000 US-Dollar pro Spielfilm. Ein
weiterer großer Kostenfaktor ist die dauerhafte Klimatisierung, die
notwendig ist, um die Filme in Sydneys Klima zu lagern – inklusive Strom,
Wartungskosten und Entlüftung.
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John
Mitchell next to a projector.
Glendinning: Danke für Ihre Zeit, Ihren Enthusiasmus und die Arbeit, die Sie
investiert haben, um Cinerama bis ins 21. Jahrhundert zu bewahren.
Mitchell: Dank meiner Arbeit, der von Gunther Jung, John Sittig,
John Harvey,
Willem Bouwmeester,
Dave Strohmaier und so vielen anderen, die das
Cinerama-Erbe konserviert haben, sind nun Blu-rays von so hoher Qualität in
der Mache, die es uns erlauben werden, diese Filme digital auf einer großen
Bildwand anzusehen. | |
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(1) Hoyts: Eine australische Unternehmensgruppe, der u.a. die größte
Kinokette in Australien und Neuseeland gehört.
(2) Breakdown Film: Da bei so aufwändigen Verfahren wie “Cinerama”
technische Pannen und damit Zwangspausen an der Tagesordnung waren, lieferte
man „Breakdown-Filme“ mit, die die Wartezeit für das Publikum verkürzen
sollten, während die Bild- und Tonstreifen neu eingelegt wurden.
Info-Box:
Cinerama war ein 1952 entwickeltes Breitwandverfahren, das mit drei parallel
laufenden 35mm-Filmstreifen (Bildhöhe: jeweils sechs Perforationslöcher) und
einem separaten 35mm-Magnetfilm mit 7-Kanal-Stereoton arbeitete. Da das
Verfahren ebenso aufwändig und teuer wie technisch anfällig war und viele
Kinozuschauer die beiden „Trennstreifen“ als unschön empfanden, die beim
„Aneinanderstoßen“ der drei Bilder entstanden, wurde es schließlich
zugunsten einfacherer und preiswerterer Breitwandverfahren wie CinemaScope
oder 70mm-Todd-AO aufgegeben.
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28-07-24 | |
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