| |
Roadshow Ways To Zlín And Prague | Read more at
in70mm.com The 70mm Newsletter
|
Von:
Jean-Pierre Gutzeit, Berlin,
Germany. Bild von:
Jean-Pierre Gutzeit | Date:
23.03.2012 |
Jean-Pierre
Gutzeit (Filmforscher), Markéta Pášmová (Festival-Managerin) zusammen mit
einem anderen 70mm-Kinobetreiber Tschechiens (unknown)
Zum 50. Jubiläum des „Zlín Film Festivals“ Anfang Mai 2010 in der
tschechischen Republik erhielt ich eine Einladung der Programm-Betreuerin
Marketa Pasmova, um eine frisch aus der Taufe gehobene 70mm-Filmereihe zu
begleiten. Der Impuls ging außerdem von den bekannten Aktivisten des
70mm-Festivals in Krnov, Pavel Tomasek und Jakub Klima aus, die im dortigen
Kino Mir jährlich ihr 70mm-Seminar mit internationalen Titeln und Gästen
abhalten und auch Kooperationspartner in Zlín waren..
Die Überfahrt nach Tschechien verlief über eine wunderschöne Bahnreise über
Dresden, Bad Schandau und Prag, von wo aus ich mit einem Shuttle nach Zlín
gebracht wurde.
Zlín ist eine durch Tomáš Baťa gebaute Stadt, die in ihrer Vorbildfunktion
Industriezentren, komfortables Wohnen und Kulturstätten ergonomisch zu
vereinigen hatte.
Tomáš Baťa hatte als Schuhfabrikant begonnen und endete als Flugzeugbauer.
In Zlín wurde er 1923 zum Bürgermeister gekürt und begründete mit dem
dortigen Bauprogramm ein landesweit strahlkräftiges Architekturprojekt des
Funktionalismus, maßgeblich geprägt durch Le Corbusier. Es enstanden soziale
Anbindungen und Einrichtungen unter dem Motto „Kollektiv arbeiten –
individuell wohnen“ und sogenannte Werksiedlungen.
| More in 70mm reading:
Roadshow ways to Milan and
Melzo: the 70mm Festival in Italy 2009
Roadshow Ways To Zlín And Prague -
Gallery
Royal Palast, Berlin, Germany
in70mm.com auf Deutsch
Internet link:
Kinomuseum
Berlin
Velke Kino
|
Kinematographische
Ausstellung in der Shopping Mall des GOLDEN APPLE CINEMA
Die heutige Tomáš-Baťa-Universität gilt unstreitig als Zentrum des modernen
und geistigen Lebens so wie Ankerpunkt für den kreativen Input des Zlín Film
Festivals. Man spricht auch von einem jungen, einem Studenten-Festival. Das
Event offerierte in seinen Sektionen auch eine Retrospektive des
tschechischen Animationsfilmers Karel Zeman ("Jules Verne") in
insgesamt sechs Spielstätten, darunter auch im Multiplex "Golden Apple
Cinema". Das 70mm-Festival wurde jedoch im historischen Bau des "Velké Kinos"
durchgeführt bei einer Bildwandbreite von 18 Metern über den Bogen gemessen.
Neben klassischen Projektoren der Getriebebauweise war auch ein Projektor
der Leichtbauweise, ein
DP-75, zu besichtigen, der eine pink-farbene Rolle
von "Cleopatra" trug.
Eine Sichtung und Führung durch die Ausstellung und auch die Technikräume
des Multiplexes habe ich dem Engagement von Marketa Pasmova zu verdanken, in
der mir das Leben und die Arbeitsweise unserer Kollegen auf der
tschechischen Projektionsseite vertraut wurde.
Das grösste Kino des Festivals ist mit mehr fast 800 Plätzen nachwievor das
VELKÉ KINO, das in früheren Zeiten bereits 70mm-Projektion beherbergte, die
nach der Umorientierung des Landes zu westlichen Maßstäben abhanden gekommen
war. Architektonisch ist der Bau authentisch erhalten geblieben und kann als
Vorzeigestück osteuropäischer Roadshow-Architektur angesehen werden.
| |
Auditorium
des VELKÉ KINO mit etwa 800 Sitzplätzen
Ein technischer Leiter aus Prag, der das Festival betreute, hatte just
Philips-DP-75-Projektoren arrangiert und diese frisch im VELKÉ KINO
installiert. Darüberhinaus fragte man mich mit grösstem Ernst nach meinen
Erfahrungen und Informationen zum Zustand empfindlicher Acetat-Filmkopien
aus unserem Archiv, zumal zugunsten unserer Engagements selbst der Einsatz
einer neuwertigen 70mm-Kopie von
"Baraka" abgesagt worden war. Nach meiner
Wahrnehmung, so ließ ich das Management wissen, konkurrieren verschiedene
Kritierien für einen materialschonenden Filmdurchlauf miteinander, und nicht
jeder Projektortyp ist gleich einem anderen. Das Magnetton-Laufwerk eines
DP-75-Projektors lobte ich unumwunden – mit Blick aber auf einen möglichst „weichen“
Durchlauf empfindlicher Triacetat-Kopien vermochte ich meine Bewunderung für
den tschechischen
Meopta UM-70-Projektors kaum zu verhehlen. Ich kannte sie
bereits aus Konstruktionsplänen und in der Praxis aus Einsätzen in
Krnov.
| |
Frontseite
der Hauptspielstätte der "Zlín Film Festivals", des VELKÉ KINO mit Event-Annoncierung
der "West Side Story" in 70mm
Die grösste Überraschung für mich in vielen Jahren der Festivalteilnahmen
war sodann, als zwei Tage später ein selbstbewusster Anruf eintraf, man habe
soeben UM-70-Projektoren eingebaut. Und man lege Wert auf ein wirkliches
Jubiläums-Event in Zlín, für das die
"West Side Story" eine
symbolische Bedeutung einnähme. Die Filmkopienwahl war wohlüberlegt. Denn
auch im Zentrum unserer Museumsaufgaben in Berlin steht aus prinzipiellen
Gründen eine sorgfältige Filmkopienexpertise, und der Erwerb der noch von
Robert Wise persönlich lichtbestimmten und farblich vollkommenen 70mm-Kopie
der "West Side Story" ist ein
Ergebnis jahrelanger Archivrecherchen: diese Kopie wurde noch vom
Kamera-Originalnegativ erstellt und unterscheidet sich angenehm von
sogenannten „Restaurierungen“ über den Intermediate-Prozess.
Um kommerziell einen auf breiterer Basis geebneten Weg einzuschlagen,
bestellte das Festival bei uns außerdem eine farblich neue Kopie von
"Lawrence of Arabia", kontinentalweit die offenbar letzte spielbare
Kopie.
| |
Plakat
des 70mm-Spielplans für das VELKÉ KINO in Zlín
Dennoch erreichte mit etwa 350 Besuchern nicht David Leans Wüstenfilm den
Hausrekord, sondern mit über 750 Besuchern (und für mich erstaunlich) die
"West Side Story". So gut besucht sah ich den Film noch nie, bin aber
auch kein Zeitzeuge der legendären Premierenveranstaltungen von 1961.
Herausragende Besucherzahlen zeigten sich auch bei Tim Burtons
"Batman"
in einer exzellenten Intermediate-Bow-up-Fassung in 1.85:1, gefolgt von
Brian de Palmas "The Untouchables".
Ein Sonderprogramm mit exotischen 70mm-Shorts aus Berlin schloss sich den
Abendvorstellungen an, das die Vorzüge extrem weitwinkliger Aufnahmen auf
65mm-Film in atemberaubender Raumbrillanz zur Geltung brachte.
Die UM-70-Projektoren erwiesen sich als die erhofft „gutmütigen“ Maschinen,
die auch empfindlicheres Material klaglos akzeptierten. Allerdings scheint
die Ersatzteillage einer besonderen Anstrengung zu bedürfen, da bisweilen am
Bildstand Verbesserungen anzudenken wären und auch der Einsatz modernerer
Optiken nicht immer kompatibel mit dem historischen Xenonblock zu sein
scheint. Eine letztlich aber unbeschadete Kopie und erfahrene
Projektionisten geben dann letztlich doch den entscheindenden Ausschlag,
einem Kino das erhoffte Vertrauen entgegenzubringen.
Filmkopien mit Color Fading kamen nicht zum Einsatz, gleich wohl ich ein
Anhänger auch der Vergleichsmöglichkeiten mit historischen Material bin.
| |
Universalprojektoren
Meopta UM-70 für 35mm- und 70mm-Spielfilmformate
Der herzliche Empfang und ein freundschaftlicher Abschied aus Zlín waren
hernach Ermutigung genug, eine weitere Mission in Sachen „70mm“ zu
unternehmen und den Blick nach Prag zu erweitern. Schon als Kind hörte ich
legendäre Berichte über fulminante 70mm-Events im dortigen ALFA KINO – und
was lag näher, als diesem berühmtesten tschechischen Roadshow-Theater eine
Referenz zu erweisen? Lebt man „filmästhetisch“ eher in den 1960er Jahren,
so kann es passieren, von neueren Entwicklungen keine Kenntnis zu erhalten.
Denn mehr als 22 Jahre schon hat das ALFA KINO seine Pforten geschlossen -
und weder ein Gespräch mit der Hausverwaltung noch ein Überredungsversuch
beim Hausmeister konnten einen Zugang zum Kinosaal verschaffen.
| |
Eingangsfront
des ALFA KINO in Prag - des vermutlich größten, ehemaligen 70mm-Kinos
Tschechiens
So verbleibt es ein schmerzliches Desiderat, ohne die Hilfe der Leser und
tschechischen 70mm-Freunde keinen Einblick in die Auras des ALFA KINO
gewissen zu können. Oder könnte ein geneigter Leser mit einem historischen
Foto des Saals dienlich sein?
Beileibe war das ALFA KINO nicht der einzige „70mm-Tempel“ Prags, und so
verschlug den Autor dieser Zeilen der Weg auch zum Prager LADVI CINEMA,
welches nachwievor in Betrieb ist, aber seine Formate von 70mm auf
Digital-3D umgestellt hat.
Sicherlich klingt traurig, das Prag heute keine 70mm-Tradition mehr
aufzuweisen hat. Und zuversichtlich stimmt, dass in Tschechien dennoch heute
die aktivsten und vitalsten 70mm-Bewahrer Europas beheimatet sind, die
alleine 2010 an drei verschiedenen Standorten der Kultur und Faszination des
70mm-Breitfilms huldigen.
Eine weitere Hoffnung liegt derzeit auf dem CENTRUM PANORAMA-Kino in
Varnsdorf, das letztens durch 70mm-Aufführungen von
"Battle of the Bulge"
und "Mutiny on the Bounty" den Big-Screen-Ansprüchen neue Impulse
verlieh und sicher in Zukunft noch mehr von sich hören lassen wird. The Show
must go on!
| |
| | Go: back - top -
back issues -
news index Updated
28-07-24 | |
|