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Der Mann mit der Kamera. Coburgs
Filmchronist |
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Von Manfred Romboy, DGPh. Copyright "Photo
Antiquaria" Club Daguerre |
Date:
12.08.2015 |
Jürgen A. Brückner, Coburgs Filmchronist, mit seiner 16
mm-Spiegelreflex-Kamera „SR 16“ von Arnold & Richter im Hofgarten der
berühmten Veste Coburg. Im Alter von 18 Jahren kann Jürgen endlich auf
16 mm-Format umsteigen. Erste Kamera: eine Bolex H 16 mit drei
Objektiven im Revolverkopf. (Brückner-Archiv)
Coburgs Filmchronist von Manfred Romboy, DGPh Lust am Film wurde dem
1941 geborenen Jürgen A. Brückner quasi in die Wiege gelegt. 1938 hatte
sich sein Vater Rudolf Brückner, ein Coburger Fabrikant, eine
Siemens-Filmkamera gekauft. Es versteht sich, dass als beliebte
Filmobjekte auch seine beiden Söhne herhalten mussten. Eventuell hat das
katzenartige Abschnurren der väterlichen Doppel 8-Kamera schon im
Unterbewusstsein des kleinen Jürgen die Grundlagen seiner später so
ausgeprägten Filmaffinität gelegt. Ob Kindergeburtstag oder Schulfest,
das Schnurren der väterlichen Filmkamera war fester Bestandteil jeder
dieser Veranstaltungen. Kein Wunder, dass sein Sohn schon im Kindesalter
heimlich Vaters Filmkamera zum Laufen brachte, was dessen Bestände an
unbelichtetem Material erheblich verminderte.
1955, nach seinem 14. Geburtstag, erhielt er seine erste eigene
Filmkamera: die originelle „Movikon quer“, eine Kamera für die seit 1932
im Handel erhältlichen Doppel 8- Filme, die in Wirklichkeit 16 mm breit
auf eine 7,5 m fassende Tageslichtspule gerollt waren. In der Kamera
zuerst nur halbseitig belichtet, lief der Film ein zweites Mal am
Bildfenster vorbei. Im Kopierwerk wurde nach der Entwicklung dieser 16
mm breite Film mittig getrennt. Der Amateur erhielt 15 m Film auf einer
nun 8 mm breiten Spule. Die „Movikon quer“ war die erste nach dem
zweiten Weltkrieg entwickelte Schmalfilmkamera der westdeutschen Zeiss
Ikon AG und wurde zum Filmen wie ein Fotoapparat mit beiden Händen ans
Auge gehalten.
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Der ganze Stolz des Sammlers Brückner: Eine MCS-Kamera für 65 mm
breiten Film, wie sie auch für die Aufnahmen des Films „Flying Clipper“
verwendet wurde. (Foto: Romboy)
Das wesentlich teurere Filmformat 16 mm und seine Kameras wurden damals
mit dem Slogan „Für den anspruchsvollen Amateur“ beworben. Natürlich war
Jürgen Brückner anspruchsvoll. Inzwischen 18 Jahre alt geworden, erwarb
er eine „Bolex H 16“-Kamera mit drei Objektiven im Revolverkopf. Als 16
mm-Filmer konnte er die „höheren Filmweihen“ vorweisen. Also gründete er
den Coburger Schmalfilmclub
Doch der Mensch lebt nicht nur vom Film allein. Inzwischen hatte Jürgen
seine Schulzeit mit der mittleren Reife abgeschlossen und trotz seines
Wunschtraumes, Kameramann zu werden, eine Maschinenschlosserlehre
begonnen. Für den Sohn eines Maschinenfabrikanten nicht ungewöhnlich.
Nach abgeschlossener Lehre zog es ihn mit Macht aus der liebenswürdigen
Coburger Provinz in die Filmmetropole München. Da für die Übernahme des
Familienbetriebs ohnedies sein Bruder vorgesehen war, ließen die Eltern
Jürgen zum Besuch einer Handelsschule nach München übersiedeln. Neben
seiner neuen Ausbildung suchte er Kontakt zu Münchener Filmleuten und
belegte den von einer privaten Institution angebotenen Kurs einer
Ausbildung zum Kameramann. Erst 1966 wurde in München die Hochschule für
Film und Fernsehen gegründet. Vielleicht hätte Jürgen Brückner dann
seinen Vater rumgekriegt, ein Filmstudium zu finanzieren und vielleicht
wäre er dann wie Michael Ballhaus nach Hollywood gekommen. Vielleicht,
vielleicht, vielleicht!
Doch als in kurzer Folge in Coburg Onkel und Bruder verstarben, wurde
Jürgen 1966 zurückgerufen für die spätere Nachfolge im
Maschinenbauunternehmen. Erst als Abteilungsleiter Vertrieb und dann, ab
1980, als Geschäftsführer der Gustav Brückner GmbH. Fluch aber auch
Segen des Sprosses einer Fabrikantenfamilie. Segen insofern, dass Jürgen
A. Brückners Filmaktivitäten von der „Bolex-Kamera“ über die teure
„Arriflex SR“ bis zum komfortablen Hauskino ohne den gesicherten
finanziellen Familienhintergrund bei aller persönlichen Tüchtigkeit kaum
möglich gewesen wären.
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Das Brücknersche Hauskino mit einer zwei Meter hohen und fünf Meter
breiten Leinwand. Der sechs Meter breite und acht Meter lange
Zuschauerraum des Hauskinos bietet Platz für private Gäste. (Foto:
Romboy)
1968 wurde der Bayerische Rundfunk auf den autodidakten Kameramann mit
professioneller Ausrüstung aufmerksam. Für die Sendereihe „Unter unserem
Himmel“ drehte er Unterwasseraufnahmen für den Film „Spaziergang unter
Wasser“. 1971 betätigte er sich auch als Filmkaufmann und erwarb die
Verleihrechte an seinem Lieblingsfilm, dem 1962 im 70mm-Filmformat
gedrehten Spielfilm
"Flying Clipper - Traumreise
Unter Weissen Segeln".
Ein abendfüllender Kinofilm über die Fahrt eines schwedischen
Segelschulschiffes durch alle Regionen des Mittelmeeres. Dank Brückner
kam der Film noch einmal in die Kinos - im 70 und im 35 mm-Format.
Kopien wurden auch für die 16- und Super 8-Projektion gezogen. Geld war
dabei nicht zu verdienen. Brückner war froh, nach diesem Ausflug ins
Filmkaufmännische nichts verloren zu haben. Schon zu dieser Zeit
sammelte er gebrauchte 35 mm- Spielfilmkopien, die er in einem
bescheidenen Flachbau neben dem Elternhaus vorführen konnte.
Sobald Freizeit angesagt war, wurde gefilmt. Fürs eigene Archiv und im
Auftrag entstanden die Streifen „Oktoberfest“, „König Ludwigs
Schlösser“, daneben noch zahlreiche Industrie- und Werbefilme.
Inzwischen hatte Brückner nicht nur Filmerfahrung, sondern auch eine
hoch professionelle Arriflex-Kamera, die „SR 16“ erworben. Seine
Arbeiten konnten sich sehen lassen.
1982: hoher Besuch in Coburg. Das schwedische Königspaar, Carl Gustav
und seine Frau Sylvia, besuchen Coburg, zu dem familiäre Bindungen
bestehen. Natürlich war Jürgen Brückner von Anfang bis Ende mit seiner
Kamera dabei. Kurze Möglichkeit, den König an Gemeinsames zu erinnern.
Als 13jähriger musste Brückner im Coburger Garten auf den damals
achtjährigen Thronfolger aufpassen. Carl Gustavs Großmutter, die
Herzogin von Coburg, war mit Brückners Großmutter befreundet. Beim
Besuch des Thronfolgers hieß es dann öfters: „Jürgen, pass auf den König
auf!“
Filmen war immer wichtiger Bestandteil in Brückners Leben. Auch an das
anspruchsvolle 35mm-Kinoformat wagte er sich heran. Es entstanden der
45-Minüter „Spaziergang nach Syrakus“, ein Malerporträt und mehrere
Werbefilme. Unbedingt erwähnenswert: nicht als Broterwerb, sondern
nebenberuflich aus Leidenschaft. Fast verwunderlich, dass Jürgen
Brückner neben dem Filmkram noch Zeit fand, 1973 zu heiraten und zwei
Kinder zu zeugen. Für den Ehemann wurde es nötig, ein eigenes Haus zu
planen. Für den Filmmann hatte dabei ein Hauskino Priorität. Die
Kinogröße ergibt sich aus der gewünschten Projektionsfläche. Der
Breitwandfan entschied sich für die Leinwandgröße fünf mal zwei Meter.
Mit einem Projektionsabstand von 8 Metern und einer Breite von 6 Metern
für den Zuschauerraum entstand ein beachtliches Heimkino, das keinen
Vergleich zu Hauskinos von Hollywoodstars zu scheuen brauchte. Zur
weiteren Ausstattung gehört der Vorführraum mit Projektoren und
Verstärkern, natürlich für die Filmformate 35 und 70 mm. Auf gleicher
Ebene entstanden ein großes Lager für Filmkopien und ein Schneideraum
für das 16 mm-Filmformat. Als Brückners Architekt mit diesen Vorgaben
für die Kellerebene konfrontiert wurde, sagte er: „Dann muss auch ein
entsprechendes Haus drauf.“ Und das hat er dann auch gebaut.
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Jürgen Brückner beim Lichttest einer der zwei „Bauer U 3“-Projektoren
für 35- und 70 mm-Filme. (Foto: Romboy)
Brückners Filmaktivitäten wurden im Lande mehr und mehr bekannt und auch
aus Nachlässen, Dachbodenfunden, privaten und öffentlichen Archiven
erreichten ihn zur technischen und inhaltlichen Bewertung eine Vielzahl
historischer Streifen. So entstand sein Filmarchiv „Coburger Filme von
1924 – 1985“ (als DVD unter
Kinemathek Coburg erhältlich). Nicht
verwunderlich, dass er auch Vorstandsmitglied der Coburger Historischen
Gesellschaft ist. Unter dem Titel „Franken schwarz-weiß – die ersten
Filme aus Coburg“ hat der Bayerische Rundfunk dieses Archiv in
Zusammenarbeit mit Jürgen Brückner 2012 in einer längeren Sendung
gewürdigt.
Seinen Betrieb hat der inzwischen 72-Jährige vor einigen Jahren in
andere Hände gegeben. Noch mehr Zeit für Film. In seinem Archiv und
jedem möglichen und unmöglichen Platz im Haus sind inzwischen über 1300
Spielfilme im 35 mm- und 20 Filme im 70 mm-Format zu finden. Die
Begeisterung seiner Frau Johanna, mit den Filmen zu leben, hält sich in
Grenzen. Manches gelingt ihr, abzuwehren. Doch mitunter kann sie nicht
verbergen, dass sie auch ein wenig stolz auf die „Filmkarriere“ ihres
Mannes ist. Obwohl kein eigentlicher Gerätesammler, konnte Brückner
kürzlich nicht widerstehen: 2012 erwarb er die auf einer Auktion
angebotene filmkamera für 65 mm breiten Film, wie sie auch bei
"Flying Clipper" verwendet wurde (erst die Kinokopien waren 70 mm
breit kopiert). Er spielt nun mit dem Gedanken, einmal in diesem
Königsformat zu filmen, und wenn es nur eine Rolle wäre.
Heute schnurrt bei Aufnahmen im Hause Brückner bestenfalls die gestromte
Hauskatze. Aufnahmen seiner drei Enkel filmt auch er natürlich digital.
Und als Ergänzung der Kinoprojektoren ist im Vorführraum auch ein
Großbildbeamer eingezogen. Jürgen A. Brückner ist Mitglied des Club
Daguerre.
Copyright "Photo Antiquaria" Club Daguerre
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28-07-24 |
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