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Varnsdorf, die zweite! |
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Von: Ulrich Rostek |
Date:
28.05.2016 |
Jean-Pierre
Gutzeit und Ola Staszel (Leiterin Neisse Film Festival)
Nach einem gelungenen Debut in 2015 ging das 70-mm-Weekend im "Centrum Panorama"
im tschechischen Varnsdorf nun am 12.05.2016 in die zweite Runde. Wieder
begrüßten Kinobetreiber Pavel Nejtek und sein Team im Rahmen des
Neisse-Filmfestivals 70-mm-Begeisterte aus vielen Ländern zu einer Tour-de-Force
durch die Welt der Klassiker und des modernen Repertoirs in der Königsklasse des
analogen Films, präsentiert mit zwei Meopta UM3570 Projektoren in
Überblendtechnik.
Den Anfang machte der während des zweiten Weltkrieges spielende DDR-Spionagefilm
"Die Rote Kapelle" in unverblassten ORWO-Color-Farben. Als Prestigeobjekt
von den DEFA-Studios im DEFA-70-Verfahren aufgenommen fehlten dem behäbig
inszenierten, dialoglastigen Streifen allerdings die Schauwerte, für die das
Format entwickelt wurde.
Schauwerte lieferte das im Anschluss daran präsentierte Star-gespickte
Ardennen-Epos "Die letzte Schlacht", allerdings fehlten hier die Farben.
Man kann nicht alles haben.
Wie viele andere Streifen auch, gab es den Film im englischen Original mit
slowakischen Untertiteln. Tschechische und deutsche Untertitel wurden per
Digitalprojektor eingeblendet. Für die Erstellung der deutschen Untertitel wurde
hier offenbar eine Internet-Übersetzungsmaschine bemüht, welche eine
wortwörtliche Übertragung der englischen Dialoge auswarf. Bei Wörtern mit
Doppelbedeutung wurde garantiert die gerade nicht passende Variante ausgewählt.
Besonders bei militärischen Begriffen kam es immer wieder zu unfreiwillig
komischen Effekten. So wurde etwa aus "General Grey" "Allgemein grau" und aus
"Corporal Miller" "Körperlich Müller". Am Ende war das Lesen der Untertitel
stellenweise viel amüsanter als der Film selber.
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Tag zwei stand mit den beiden von Robert L. Surtees fotografierte Epen
"Meuterei auf der Bounty" und "Ben Hur" im Zeichen von Ultra
Panavision 70 / MGM Camera 65. Auch wenn beide Kopien farblich stark verblichen
waren, so war es doch für viele von uns die erste und möglicherweise einzige
Gelegenheit, die überwältigende Bildkomposition im ursprünglichen Format 2,76:1
erleben zu können.
Von den beiden speziell für diese Vorführungen ausgeliehenen anamorphotischen
Vorsatzlinsen (Entzerrungsfaktor 1,25) wies eine leider so erhebliche optische
Fehler auf, dass sie nicht eingesetzt werden konnte. Hierbei bewies das
Projektionsteam Improvisationstalent: Bei jedem Rollenwechsel wurde der Film für
wenige Sekunden unterbrochen und der intakte Anamorphot rasch vom einen auf den
anderen Projektor ummontiert.
Auf all die Standhaften, die nach "Bounty" und "Ben Hur" noch
aufnahmebereit waren, wartete eine besondere Überraschung: Außerhalb des
Festival-Programms gab es in einer Privatvorstellung die Verfilmung von George
Gershwins Folk-Oper "Porgy and Bess" zu sehen. Die Kopie war in einem
bemerkenswert guten Zustand. Fast alle Farben waren noch erhalten und so war die
auf das Todd-AO-Format zugeschnittene Fotografie von Altmeister Leon Shamroy ein
einzigartiger Genuss. Der satte und warme 6-Kanal-Magnetton brachte zudem
Gershwins wunderbare Musik voll zum Tragen. Für mich persönlich das Highlight
des Festivals.
Auch dieses Mal wurden zahlreiche Filme aus der Sammlung des Kinomuseum Berlin
e.V. beigesteuert. Vereinsgründer und Vorstand Jean-Pierre Gutzeit wurde nicht
müde, über viele technische Details und zahlreiche interessante
Hintergrundgeschichten zu berichten.
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Stummfilmvorführung
in der Filmbar
Eine der Raritäten aus dem Archiv des Kinomuseum Berlin war der Film "Der
Fischer von Galiläa", einer Bibelgeschichte in der Tradition von "Quo
Vadis" und "Das Gewand", wenn auch viel unspektakulärer inszeniert.
Eine besonders nette Zutat des Festivals war das Wiederaufleben der heutzutage
völlig vergessenen Tradition, vor dem eigentlichen Feature statt endloser
Werbung einen Kurzfilm zu präsentieren. So gab es ein vielfältiges Beiprogramm
aus Stummfilmen, tschechischen Trickfilmen, Kinowerbung und Kurzfilmen in allen
Filmformaten. U.a. erlebte der in 16mm Scope aufgenommene schwarzhumorige
deutsche Kurzfilm "Les Pastilles" eine Wiederaufführung in eben diesem
Format. Wer zudem „Ben Hur“ in Farbe sehen wollte, hatte in einer der
Pausen Gelegenheit, eine Rolle der Super-8-Fassung des Klassikers auf der großen
Leinwand zu bestaunen.
Auch dieses Jahr lud das "Centrum Panorama" wieder zu einem gemütlichen Abend in
der angeschlossenen Bar "Film Point" ein, wo bei LIve Musik, gutem böhmischen
Bier und einem reichhaltigen Büffet mit einheimischen Spezialitäten bis tief in
die Nacht gefachsimpelt wurde.
An dieser Stelle ein großes Dankeschön an Pavel Nejtek und seine Mannschaft für
die Gastfreundschaft, die Aufgeschlossenheit und die Geduld, wenn wieder einmal
technikbegeisterte Zuschauer in den Projektionsraum drängten.
Fortsetzung folgt, wenn alles gut geht.
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28-07-24 |
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