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Die Cinerama-Archäologen
Produzent Randy Gitsch & Cutter Dave Strohmaier sprechen über ihr „Cinerama
Adventure“ |
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Written by: Doppelinterview von: Thomas Hauerslev, Kopenhagen, 24. Mai 2018. Transkription
der Audioaufnahmen durch Mette Petersen. Aus Gründen der Kontinuität und zum
besseren Verständnis leicht überarbeitet.
Zusätzliche Kommentare zu „Gebrüder Grimm“ von Randy Gitsch und Dave Strohmaier,
Juli 2022.
Übersetzt aus dem Englischen von Cordula Lau, Redaktion: Friedrich Schumacher |
Date:
03.10.2022 |
Randy Gitsch & Dave Strohmaier
outside the Schauburg Cinerama,
in Karlsruhe 2. October 2022 and the European premiere of "The Wonderful
World of the Brothers Grimm".
Picture: Thomas Hauerslev
Das nachfolgende kommentierte Interview entstand zu einem Zeitpunkt, als sowohl
Dave als auch ich zu der Überzeugung kamen, dass die Arbeit unseres
Cinerama-Restaurierungsteams beendet sei. Von den 3-Streifen-Filmen hatte Warner
Brothers "DAS WAR DER WILDE WESTEN" (OT: HOW THE WEST WAS WON) selbst restauriert
und 2008 auf DVD und Blu-Ray veröffentlicht, mit großem Erfolg. In den
darauffolgenden 11 Jahren hat unser Team sich den restlichen 7 Reisefilmen
gewidmet, die sich im alleinigen Besitz von Cinerama befanden. Wir haben sie
restauriert, neu zusammengestellt und als SmileBox-Version veröffentlicht. Übrig
blieb somit nur noch das Drama "DIE WUNDERWELT DER GEBRÜDER GRIMM" (OT: THE
WONDERFUL WORLD OF THE BROTHERS GRIMM), gemeinsames Eigentum von Cinerama und
Warner Bros. Aufgrund der mit der Restaurierung dieses Films gemeisterten
Herausforderungen konnten unsere bis dato beachtliche Leistungen und die
Komplexität einiger unserer Arbeiten Warner Bros. von unseren Fähigkeiten und
Enthusiasmus überzeugen. Und die Nachfrage, die wir mit diesen
3-Streifen-Veröffentlichungen aufgebaut und entwickelt hatten, gab dem Studio
zweifelsohne berechtigten Grund zur Annahme, dass der Markt für eine
Digitalisierung von GRIMM nun größer sei als je zuvor. Früchte trug diese
Erkenntnis mit der Veröffentlichung des Films durch Warner Home Video auf
Blu-Ray im März 2022. Der Film wurde sorgfältig in der studioeigenen
Motion-Picture-Imaging-Abteilung gescannt und anschließend meisterhaft von Dave
und Tom restauriert und begeisterte somit alte, konnte neue Fans gewinnen und
lieferte der Archivkollektion von Warner einen überraschend starken
Verkaufsschlager.
Im Rahmen von
Cinemiracle- und
Cinerama-Vorführungen in
Kopenhagen im Mai 2018
waren „die Cinerama-Archäologen“ (Produzent
Randy Gitsch und Cutter
Dave Strohmaier) einige Tage in der Stadt, um die Filme vorzustellen und über ihre
Arbeit zu sprechen. Ich habe die beiden an einem sonnigen Tag am Hafen vor dem
norwegischen Windjammer „Sørlandet“ erwischt. Ein 45-minütiges Gespräch beim
Mittagessen über ihre Arbeit, mit Rückblicken auf all die Jahre, in denen alle
fünf Cinerama-Reisefilme (Travelogues), „Windjammer“ in CineMiracle, fünf
Kurzfilme, ein
Smell-O-Vision-Titel und ein verloren gegangener Technirama-Film
überarbeitet, eine Cinerama-Zusammenstellung rekonstruiert und
"Russian
Adventure" gerettet wurden – und noch VIEL mehr. Da sich dieses Projekt mit der
Veröffentlichung von „Das goldene Haupt“ (OT: „The Golden Head“) auf Blu-Ray
Anfang 2019 nun seiner Schlussphase nähert, kam mir der Gedanke, es sei Zeit für
einen Rückblick auf ihre Erfolge, die vor über 20 Jahren mit der Produktion des
Dokumentarfilms „Cinerama Adventure“ ihren Anfang nahmen.
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and "Napoleon"
Thomas Hauerslev: Wie sind all diese Cinerama-Jobs zustande gekommen?
Randy Gitsch: Am Beginn unserer erfolgreichen Arbeit steht der von uns gedrehte
Dokumentarfilm „Cinerama Adventure“, den David begonnen hat und den wir
gemeinsam fertiggestellt haben. Er war für uns und für Cinerama in mehrfacher
Hinsicht wegbereitend. Ich hatte zuvor eine Dokumentation [“Keepers of the Frame”] über die Konservierung von Filmen produziert. Darin kamen u. a. Cinerama
und John Harvey vor, vor allem aber lernte ich etwas über die Arbeit als
Filmproduzent und wie man Gelder für eine Filmproduktion beschafft. Menschen auf
Knien um Unterstützung zu bitten ist besonders schwer, wenn es um einen
Dokumentarfilm geht, der allein der Unterhaltung dienen soll. Es ist ein
bisschen einfacher, wenn der Film einen pädagogischen Wert hat oder versucht,
etwas für das Gemeinwohl zu leisten, die öffentliche Meinung zu ändern oder
Geschichte zu beleuchten. Bei meiner Dokumentation 1999 ist mir das gelungen und
ich konnte diese Fähigkeit in unser gemeinsames Projekt „Cinerama Adventure“ einbringen. So wurden wir in Form von Sachleistungen unterstützt. Wir konnten z.
B. Archivmaterial für nur einen Dollar lizenzieren und erhielten außerdem die
volle Unterstützung von Gruppen und durften
in einem Fall
deren Logo
verwenden. Besonders wichtig war die Unterstützung der American Society of
Cinematographers, weil wir dadurch einen offiziellen Anstrich erhielten und
erkennbar wurde, dass man uns auf Herz und Nieren geprüft und unsere Ziele
verstanden und anerkannt hatte. Das verschaffte uns eine wirklich gute
Ausgangsposition, um etwas ins Rollen zu bringen.
THa: Wie kam es dazu, dass dann tatsächlich die Negative hervorgeholt wurden und
schließlich wieder im Kino zu sehen waren? David hat erwähnt, dass er von Paul
Allen angesprochen wurde, einen Film über Seattle zu drehen – woraus schließlich
“In the Picture” in Los Angeles wurde – und irgendwann dazwischen sei die Frage
aufgekommen: „Warum nicht um das Archivmaterial kümmern und es überarbeiten?“
Randy: Dave musste für „Cinerama Adventure“ Ausschnitte aus etlichen
Cinerama-Filmen beschaffen, also schnupperte er erst einmal in diese Filme
hinein und scannte Abschnitte davon. So wurde Dave – da bin ich mir sicher –
irgendwie von dem Geheimnis, der Tragik und dem Potenzial dieses Materials
gepackt. Dave war in Cinerama eingetaucht, bevor er überhaupt irgendwelche Pläne
hatte, etwas zu restaurieren. Das war die Verbindung. Das war für ihn der
Antrieb, sich so weit einzulassen, dass er sagte: „Mensch, vielleicht sollten
wir diese Filme tatsächlich restaurieren?“ Und ab dem Zeitpunkt dieser Andeutung
machte er daraus eine Bitte und Michael Forman [Pacific Theatres Entertainment
Corporation und Eigentümer von Cinerama-Vermögenswerten] reagierte auf diese
Bitte.
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Dave Strohmaier: Wir sind auf halber Strecke [„Cinerama Adventure“] und dann
kriege ich diesen Anruf von Paul Allens Leuten [Mitbegründer von Microsoft]. Sie
hatten von dem Dokumentarfilm gehört und dachten, dass dieser Typ irgendwie
weiß, wo die richtigen Leute sitzen. Jemand namens Jeff Graves, der für Paul
Allen arbeitete, kam zwei- oder dreimal runter, um sich mit mir zu treffen. „Was
braucht man, um das alles zu restaurieren?“ Er dachte, ich wüsste genug darüber,
um gefährlich zu sein, so dass er mich fragen würde, bevor er sich an Cinerama
wenden würde. Dann würden Jeff und ich uns mit Leuten von Pacific Theatres
treffen, die Rechtsnachfolger und Erben des gesamten Cinerama-Vermögens, und sie
um die Erlaubnis bitten, die Filme zu restaurieren. Nun bin ich kein
professioneller Filmrestaurator, ich bin Cutter. Ich wusste nichts über die
Restaurierung von Filmen, also wandte ich mich an meinen Freund Leon Briggs, der
jahrelang für Disney gearbeitet hat, Inhaber einer Filmberatungsfirma war und
Filme restauriert hatte. Ich meine, er war für die erste „Star Wars“
Restaurierung verantwortlich. So kam er mit ins Boot und anschließend wandten
wir uns an die Firma von Paul Allen [Vulcan Northwest]. Das hier wird es kosten
– denken wir. Wir sind nicht sicher, aber man muss flexibel sein und so. Und
dann gab es eine Verzögerung nach der anderen und nichts passierte. Also sagten
wir uns „Toll, wir haben nicht das Geld, um überhaupt etwas zu machen!“ Wir
konnten nichts tun. Dann ging
John Sittig tatsächlich zu Michael Forman und
sagte: „Ihr solltet besser anfangen, diese Negative zu konservieren, zu scannen
oder sonst irgendwas unternehmen, weil sie nicht mehr lange da sein werden“. Ich
hatte sie ein Jahr zuvor bereits gewarnt, sie hatten also mehrere Warnungen
erhalten. Schließlich kam es in der obersten Etage an, wo man etwas machen
konnte und eine bestimmte Geldsumme freigab. Dabei handelte es sich im Grunde
genommen um ein Konto, das eingerichtet wurde und für das ich verantwortlich
war. Ich bin ebenso wenig professioneller Buchhalter wie Filmrestaurator, und
nun war ich für das Budget des ganzen Projekts verantwortlich. Und da fand ich
diese Firma namens Image Trends.
In der Zwischenzeit wurde die Dokumentation fertig und trat ihren Weg um die
Welt an, wodurch alte Filme wieder ins Bewusstsein rückten. Es war also wie wenn
einmal etwas ans Laufen kommt, dann geht es weiter bergauf oder läuft zumindest
weiter. Ich würde eine bestimmte Summe an Geld für dies und eine bestimmte Summe
für das freigeben müssen, wie z. B. für das Scannen. Ich nahm Kontakt zu einer
Reihe von Scan-Dienstleistern auf und damals (um 2009 oder 2010) sagten
natürlich alle Scan-Anbieter: „Nun, das kostet 1 Dollar pro Bild“ oder sonst
eine irre Summe. Man wird nie irgendetwas machen können und zudem verstand
keiner etwas von den 3 Streifen und den 6 Perforationslöchern. Sie müssen ihre
gesamte Ausrüstung umbauen, um mit 6 Perforationslöchern zu arbeiten. Wenn man
Paul Allen ist, dann kann man das, aber währenddessen waren sie in Seattle immer
noch untätig und trafen keine Entscheidung, weder in diesem noch in irgendeinem
anderen Punkt. Also wandten wir uns an diese Firma namens Image Trends und ich
vermute, die Geschäfte dort liefen nicht sonderlich gut, denn sie sagten: „Wir
machen es“. Es war fast so wie mit diesen Visual-Effects-Firmen heute, wenn man
all diese Comic-Verfilmungen macht, mit all den Effekten, dem einstürzenden
Empire State Building und so. Das läuft dann so, dass sie etwas unterbieten und
später versuchen, mehr Geld aus einem herauszukriegen. Ich hatte dieser Firma
gesagt, dass wir diese Summe X zur Verfügung hätten, und gefragt, ob sie diese
Art von Arbeit übernehmen könnten, wir seien jedoch nicht unter Zeitdruck. Wir
möchten es nur machen lassen.
Die Hälfte von ihnen hatte Cinerama im Kindesalter gesehen, deshalb wurde es nun
auch eine emotionale Sache. Nun würden sie für kleines Geld alles tun. Aber ich
bin der Typ, der all dies allen verkaufen, alle Fäden in der Hand halten und
diese Firma dazu bringen musste, für besonders wenig Geld zu arbeiten und so
weiter. Und dann hatte ich etwa 70.000 Dollar als Puffer übrig und dachte mir,
dass es irgendwann Probleme geben wird und ich 10.000 Dollar hier und etwas da
leihen muss und was weiß ich noch. Und dann beschlossen wir, einen Film in
Cinerama zu drehen [lacht]. 15.000 Dollar ging für die Restaurierung der Kamera
drauf, von da an vervielfachten sich die Kosten, aber alles glich sich aus.
Nachdem alles abgeschlossen war lag ich 6.000 Dollar unter dem Budget.
Das war für die vier Reisefilme und die beiden Filme „This is Cinerama“ und
”Windjammer”, der erste Durchgang, der nicht vom besten Material stammte. Es
wurde also alles abgeschlossen und dann kriege ich einen Anruf von David Coles
and
John Mitchell, die mich fragten:
„Hey Dave, was machst Du als nächstes?
Warum kein – ‚Best of‘?“ Nun, es ist kein Geld übrig, wir haben alles verdreht.
Und dann fing man an, zu fragen: „Nun, wieviel wird es kosten?“ Also ging ich zu
FotoKem und sprach mit Andrew Oran. „Kannst du mit 6 Perforationslöchern
arbeiten? Gibt es eine günstige Methode dafür ohne das mechanische Scannen,
sondern so eine Art Telecine-Spirit-Scanner, wobei es sich – soweit ich es
beurteilen kann – um eine exakte Kopie anderer Scans handelt?“
Es tut mir überhaupt nicht leid, dass wir diesen Weg gewählt haben. Dann fing
man an, uns Geld zu verschaffen, um den Job erledigen zu lassen. Man steckte
Geld hinein und alles was ich tat, war meinen Teil kostenlos dazu beizutragen.
Sie würden Geld schicken, nicht an mich, sondern an FotoKem, und es würde ein
Konto eingerichtet. Jedes Mal nach dem Scannen würden sie von dem Konto abbuchen
und mir Bescheid geben, wenn die letzten 1000 Dollar erreicht sind. Dann würde
mich jemand anrufen und sagen: „So, ist der Job jetzt erledigt? Nein, wir werden
tatsächlich mehr Geld brauchen“. Wir nahmen Kontakt mit den Norwegern auf, um
herauszufinden, ob sie Geld in „Windjammer“ investieren wollten. Es war quasi
ihr Film und das zog sich über 6 Monate hin und nichts passierte, aber dann,
eines Tages, rief mich ein Typ an. Ich werde seinen Namen nicht nennen, denn er
wollte anonym bleiben. Er fragte: „Was werden Sie brauchen, um „Windjammer“ fertig zu stellen?“ und ich sagte, es könnten um die 15.000 Dollar werden, und
er antwortete: „Wohin schicke ich den Scheck?“ Er wird damit keinen einzigen
Cent verdienen. Ich werde kein Geld damit verdienen. Randy wird kein Geld
verdienen. Niemand wird irgendeinen Cent verdienen, aber wir brachten es zu
Ende. Und das war quasi der Abschluss, so wurden wir mit „Windjammer“ fertig.
Dasselbe passierte mit „Russian Adventure“, jemand steuerte das Geld dafür bei.
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Randy: Dave antwortete Paul Allen mit seinem Vorschlag, einen Kurzfilm zu
machen, ähnlich dem, den wir schließlich gemacht haben, mit dem Titel „In The
Picture“, der jedoch die malerischsten Örtchen in Seattle oder Dinge im Umfeld
des Seattle Cinerama Theaters beleuchten würde, sie machten aber letztlich nicht
weiter und setzten das Projekt nicht um. Das Filmkonzept war aber immer noch da,
in Daves Kopf. Wenn man einmal Feuer gefangen hat, ist die Motivation sehr hoch,
es tatsächlich in Angriff zu nehmen und zu Ende zu bringen, auf die eine oder
die andere Weise. Diese Restenergie führte dazu, dass wir „In the Picture“ gemacht haben, quasi eine Art Werbefilm für das
Cinerama Dome Theater in
Hollywood. Dave zufolge sagte unser Mitstreiter John Sittig zu Michael Forman,
er solle unbedingt etwas machen. Michael Forman wollte etwas machen. Ich glaube,
er erkannte vielleicht, dass das Vermächtnis seines Vaters ein wichtiger Teil
von Cinerama war, auch wenn das Unternehmen in den sechziger Jahren mit Cinerama
Millionenverluste gemacht hatte. Es würde also keine Beteiligung an diesem
Projekt seitens des Unternehmens geben. Die Filmtheaterfirma von Forman wollte
nicht wieder als Filmproduktionsfirma tätig werden. Sie hatte seit vielen,
vielen Jahren keine Filme mehr produziert. Sie war seit vielen Jahren nicht mehr
als Filmverleih aktiv. Sie hatte also kein eigenes Interesse daran, dieses Werk
zu erhalten, deshalb wollte Michael Forman das Geld privat zur Verfügung
stellen. Forman wollte genauso anonym bleiben. Ursprünglich stand sein Name in
einigen der ersten Remaster-Danksagungen, z. B. auf IMDb, aber eigentlich wollte
er nicht in den Danksagungen genannt werden.
Dave: Es war in Ordnung, „Danke“ zu sagen, aber man wollte keine Danksagung in
einer Form wie „Produzent – Michael Forman“.
Randy: Zu all dem sind noch ein paar Dinge hinzuzufügen – Timing ist alles. Was
uns vor allem dabei geholfen hat, unser Ziel zu erreichen, war die Tatsache,
dass die Kosten für das Scannen zu dem Zeitpunkt, als wir dabei waren, quasi
total in den Keller gefallen sind – in den USA wurden statt „Dollar pro Bild“
eher „Bilder pro Dollar“ berechnet und zum neuen Standard. So wurde digitales
Scannen wesentlich bezahlbarer. Und dann machte Michael Forman sein großzügiges
Geschenk, und Sie wissen, niemand möchte der Erste sein, aber jeder der Zweite.
Weil wir dadurch weiter legitimiert wurden und man eine sichtbare Leistung bei
einigen unserer ersten Testläufe erkennen konnte, wollten sie mit von der Partie
sein. „Was retten? – Gibt es noch mehr zu retten?“, das war der große Ansporn
für die Leute, die sich meldeten. Sie kamen buchstäblich zu Dave – Dave hatte
keinerlei Schild ausgehängt oder publik gemacht, dass wir für dieses Projekt
Geld benötigten, aber es wurde Wirklichkeit dank der Spenden allein von
Privatpersonen, und Michael Forman war der Erste von ihnen.
Weder „Cinerama Adventure“ noch „In the Picture“ oder eine unserer digitalen
Überarbeitungen waren je ein GoFundMe- oder Kickstarter-Projekt. Wir wurden nie
auf diese Weise finanziell unterstützt. Wir machten in gutem Glauben an die
Sache weiter. Als Dave und ich uns für „Cinerama Adventure“ zusammentaten, hatte
ich bereits den Dokumentarfilm über die
Konservierung von Filmen gemacht, ich
hatte also bereits diesen ‚Pro-Filmkonservierungsweg‘ eingeschlagen und erkannt,
dass es Filme gibt, die reine Unterhaltung und natürlich von Wert sind, wir
lieben Unterhaltungsfilme. Das ist es, was die meisten Filme sind, und wir
lieben sie und wollen sie erhalten, aber Dokumentarfilme mögen wir auch. Ganz
ehrlich, man muss Menschen etwas nahebringen, und ich hatte Menschen zu diesem
Zeitpunkt etwas über die Restaurierung von Filmen beigebracht. Und wir mussten
Menschen wieder und wieder etwas über Cinerama beibringen, um Cinerama zu
erhalten.
Dave: Die American Society of Cinematographers machte unsere Namen zusätzlich
bekannt. „Oh, Ihr arbeitet mit diesen Jungs zusammen?“. Sie steuerten zwar auch
kein Geld bei, aber sie stellten Kontakte für uns her. Sie riefen Kodak an,
machten alles Mögliche, weit über die Pflicht hinaus. Zwei Verrückte, die einen
Dokumentarfilm machen. „Was braucht Ihr? Wie können wir helfen?“. Nun, das hört
man natürlich sehr gerne am anderen Ende der Telefonleitung!
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THa: Was war das größte Hindernis bei all dem?
Dave: Wenn man Filme restaurieren will und kein Filmrestaurator ist, gibt es
immer das Problem: „Wie kriege ich das hin?“. Das kann auch ein Vorteil sein,
weil ich nicht in einer konventionellen Denkweise gefangen bin nach dem Motto
„Das ist das Verfahren, Dave, Du kannst das, das und das tun und es kostet
40.000 Dollar“. Man geht mit der Frage daran: „Wie geht das vor sich?“ und ruft
alle möglichen Leute an und holt sich Anregungen. Ich wandte mich an den Typen,
der alle meine Rechner für das Cutten einrichtet, und er sagte: „Oh, ich glaube,
ich kann Dir dabei helfen“ und ergänzte: „Du musst dieses Programm bestellen und
das Programm und das auch ausprobieren und so weiter und so fort“. Das waren
keine Programme von der Stange und sie waren nicht wirklich für die
Restaurierung gedacht, aber man kann sie dafür verwenden. Philip Hodgetts, der
bei all unseren Shows in den Danksagungen genannt wird, sagte: „…aber Du kannst
sie dafür nutzen“. Ich ließ mich also einfach darauf ein und hatte sie
blindlings, irrsinnigerweise, wie auch immer, auf meinem System. Ich habe zu
Hause einen High-End-Computer. Er kann praktisch alles. Also würde ich einige
von diesen Programmen ausprobieren und viel experimentieren und einige
Erfahrungen sammeln und ich fand heraus, dass sie das konnten, was die Großen
der Branche konnten. Aber für viel, viel weniger Geld. Dass man einen Film wie
„Windjammer“ nehmen und so aussehen lassen kann, wie er nun aussieht, für 17.000
Dollar. Das sollte ihnen peinlich sein.
THa: Irgendwelche Kommentare aus Produzentensicht?
Randy: Ich kann Ihnen sagen, dass die Restaurierung eines 3-Streifen-Films wie
dieser vor einigen Jahren und bei großen Firmen wie etwa einem großen
Hollywood-Studio über 1 Million Dollar pro Titel gekostet hätte. Nun ist der
Dezimalpunkt um einige Stellen verschoben, so dass wir die Möglichkeit dazu
haben, das umzusetzen. Wie bereits erwähnt, was wirklich geholfen hat war dieser
Kostensprung in Bezug auf die Bezahlbarkeit des digitalen Scannens, was in
„Dollar pro Bild“ abgerechnet wurde bis daraus „Bilder pro Dollar“ wurden.
Dave: Irgendwann einmal hieß es „So viel pro Fuß“ und nun heißt es
„Wieviel pro
Stunde?“. Aber es hilft, Leute zu haben, die begreifen. Sie müssen natürlich
auch Geld verdienen, wie FotoKem, aber ich habe kein Gehalt berechnet, weil ich
es in erster Linie gar nicht konnte – das gesamte Geld sollte in das Scannen
fließen –meine Motivation war aber auch eher: „Ich habe dieses Projekt
angefangen, wir haben so viele Restaurierungen gemacht, lass uns den Rest davon
machen“. Alles, was wir tun mussten, war das Geld für das Scannen aufzutreiben
und einige Festplatten zu kaufen. Der Rest war im Grunde genommen Gratisarbeit.
So auch bei Randy und bei
Tom March, der alle unsere DCPs erstellt und einen
Teil der Restaurierung übernimmt. Und dann die Sachen, die ich mache, wissen
Sie, was alles dazu dient, das Gesamtwerk zum Abschluss zu bringen. Warum sollte
ich in Altersteilzeit aufhören und zwei Titel übrig lassen? Man könnte sie auch
ebenso gut fertig stellen und das Kapitel dann vollständig abschließen.
Natürlich bleibt
„Gebrüder Grimm“ so noch für Warner Brothers übrig [lacht].
• 2022 update:
Restoration “The Wonderful World
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THa: Was war die größte Überraschung bei all dieser Arbeit?
Dave: Die erfolgreiche Veröffentlichung von „Windjammer“. Und, dass die
Hindernisse, mit denen wir bei
„Die sieben Weltwunder“ [OT: „Seven Wonders of
the World“] konfrontiert wurden, ziemlich dieselben waren. Genauso bei „Russian
Adventure“, aber bei „Windjammer“ hatte es den Anschein, dass er nicht fertig
würde. Ich meine, auf halber Strecke sagten wir uns: „Vielleicht sollten wir
jetzt einfach aufhören“, weil es so viele Probleme gab, mit denen wir zu kämpfen
hatten. Und dann, siehe da, einfach nur ein bisschen experimentieren, und wir
konnten die grässlichen Flecken in allen Positiven entfernen, und dachten: „Wow!
Man kann sie tatsächlich beseitigen?“. Es gab keine logische Erklärung dafür,
wie es funktionierte. Es war einfach eine bestimmte Software, die bestimmte
Dinge machte, und wenn man den Film dann erneut mit der anderen Software
bearbeitet, erledigt sie das nächste Problem. Man kommt also an einen Punkt, wo
man auf seinen Computer schaut und nicht glauben kann, was man sieht. „Kann er
das tatsächlich?“ Ich frage mich, ob die Großen der Branche das wissen! [lacht].
Denn bei jedem restaurierten Film, den ich gesehen habe, jedenfalls fast alle
von ihnen – sie sind sicher photochemisch – sehe ich nichts als Flimmern. Was
das Flimmern angeht, bin ich nun empfindlich. Ich sehe mir einen restaurierten
„Laurel und Hardy“ Kurzfilm oder einen anderen restaurierten Klassiker an und
entdecke Verunreinigungen und Sonstiges. Und ich denke, wie kann man sowas als
restauriert bezeichnen? Überarbeitet vielleicht, aber schauen Sie, es ist die
einfachste Sache der Welt, dieses Flimmern zu beseitigen. Es dauert eine Stunde,
um einen Teil der Rolle wiederzugeben, und am nächsten Morgen sieht er gut aus.
„Warum haben sie nicht ....?“ Das frustriert mich immer wieder, weshalb es mir
schwer fällt, mir andere restaurierte Filme anzuschauen. Nicht, dass ich der
„Beste der Besten“ wäre, aber die Tatsache, dass SIE NICHT EINMAL DAS GETAN
HABEN? Und sie hatten doch das Geld dafür! [lacht]
Randy: Die große Überraschung für mich war der immer noch vorhandene hohe
Unterhaltungswert der Cinerama-Filme. Sie sind eine absolute Zeitkapsel, und das
fasziniert die meisten. Und zwar sowohl Menschen aus der Zeit als auch solche,
die in dieser Zeit noch gar nicht geboren waren. Die Realität wird perfekt
eingefangen, und das auf mehr als nur eine Weise. Die Filme sind nicht nur
echtes Widescreen-Drama, man sieht tatsächlich echte Menschen, so wie sie
wirklich zu dieser Zeit gesprochen, gedacht und gehandelt haben. Ich finde, das
ist ein faszinierendes Archiv der Filmgeschichte.
Dave: Die Filme sind tatsächlich in gewisser Weise ein Bildarchiv, weil sie
nicht für jeden sind. In den 1950er und 1960er Jahren waren sie irgendwie für
jeden, aber heute, mit den jungen Leuten und ihren Geräten und all dem Zeug, ist
es, als wären sie nicht dazu in der Lage, damit umzugehen, außer wenn man einen
Sinn für Geschichte hat. Man wächst auf eine bestimmte Art und Weise auf und
erkennt, dass das die Zeit des eigenen Großvaters war und er das möglicherweise
tun würde, wenn er auf dieses Boot in Cypress Gardens gegangen wäre oder so. Auf
diese Weise habe ich als Kind stets Dinge angeschaut. Wissen Sie, ich wusste,
dass manche Sachen faszinierend waren. „Oh, wir gehen in die Pyramiden hinunter
oder machen etwas Archäologisches?“ Das war interessant für mich, ganz im
Gegensatz zum einstürzenden Empire State Building mit einem dagegen haltenden
Comic-Helden zum Beispiel.
Randy: Nun, wir müssen auch alle bedenken, dass Cinerama in einer Zeit aufkam,
als die Menschen gerade eben genug Geld hatten, um sich ein bisschen privates
Reisen in ihrem Leben leisten zu können. Vorher gab es keine privaten Reisen,
und wenn man – selten – reiste, dann kaum mit dem Flugzeug, weshalb
Luftaufnahmen absolut faszinierend waren. Für Menschen, die nie ihr häusliches
Umfeld, ihre Heimatstadt, ihr Heimatland oder ihre Provinz oder so verlassen
hatten, war der Rest der Welt absolut faszinierend. Es war wundervoll und fremd
und anders – und Cinerama brachte einen an diese Orte und man konnte den Luxus
einer Reise erfahren, wenn man sich diese Filme ansah.
THa: Was hat an all dieser Arbeit am meisten Spaß gemacht?
Randy: Es gab viele schöne Dinge. Aus finanzieller Sicht war es natürlich kein
Spaß [Dave lacht]. Wir haben gar keine finanzielle Vergütung in irgendeiner Form
erhalten. Ich bin mit diesen Filmen gereist, was eine süße Ironie ist, weil
Cinerama ein weltweites Vermächtnis besaß. Es wird immer noch auf der ganzen
Welt geliebt, wie gerade jetzt in Kopenhagen von den jüngeren Leuten, die
Cinerama wahrscheinlich nicht mehr erlebt haben, aber sie können ihre Gemeinde,
ihre Stadt, ihr Land, Sie wissen schon, sehen und besuchen, und zwar zu einer
Zeit, als sich Cinerama in seiner Blütezeit befand. Also ja, dazu in der Lage zu
sein, bereit zu sein und eingeladen werden, zu reisen, für Dave und mich hat
sich das als eine wunderbare Sache herausgestellt, diese Filme im Rahmen von
Vorführungen erleben zu können. Unseren Film näher zu erläutern, das
Cinerama-Verfahren, den Überarbeitungsprozess, und über die Geschichte von
Cinerama und von diesen Filmen quasi „on the road“ zu berichten. Eine weitere
Sache, die mir persönlich Freude bereitet hat, ist, einige der noch lebenden
Crewmitglieder – ob vom Produktions- oder Darstellerteam – zu treffen, oder, im
Fall von „Windjammer“, die Segellehrer. Sie haben alle Hintergrundgeschichten zu
diesen Filmen, manchmal die tollsten Erfahrungen, ob sie auf einem Segelschiff
waren, ob sie mitgespielt haben oder nur in einer oder zwei Szenen dabei waren.
Das waren oft einmalige Erlebnisse für sie und es ist faszinierend, diese
Menschen zu treffen und ihren Geschichten zu lauschen.
Dave: Ich glaube, am meisten Spaß macht es mir, den Film zu zeigen und
vielleicht, in meinem Fall, wenn viele Zuschauer ihn sehen und man spüren kann,
dass sie „gefesselt“ sind. Bei meiner Arbeit als Cutter ist es mir genauso
ergangen. Ich würde einen ganzen Stapel Filme machen und sie mit Publikum
testen. Mit einem Netzwerk von vielleicht hundert Leuten, und man sieht seine
eigene Arbeit durch die Augen der Anderen, sieht sie auf bestimmte Dinge
reagieren und wird dazu gebracht, den Film mit mehr oder weniger neuen Augen zu
betrachten. Es ist auch wie dein erstes Mal, weil man schließlich ein Feedback
zu der monatelangen Arbeit erhält. Genauso mit der Restaurierung, die Spannung
ist wohl am größten, wenn ich den Film bei mir zu Hause zeige und Leute wie den
Leiter der Restaurierungsabteilung von Disney drüben einlade und noch ein paar
andere, z. B. Freunde und Randy. Da ist eine eng vernetzte Gruppe – „Oh, Dave zeigt heute Abend was, lasst uns alle zu ihm gehen, er bestellt immer Pizza“ –
und ich zeige ihnen den Film, weil sie in gewisser Weise das kritische
Testpublikum sind. Und dann warten, ob sie den Teil bemerken, wo …. „Oh, gut, Du
hast das Problem nicht erkannt“ oder „Oh, ich werde nochmal daran arbeiten und
versuchen, es besser hinzubekommen“. Es ist also ein bisschen Feedback. Diese
Momente machen mir Spaß.
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THa: Wo haben Sie all die Negative und den Ton gefunden?
Dave: Nun, quasi auf der ganzen Welt. „Windjammer“ konnten wir nur deshalb so
restaurieren, wie es uns gelungen ist, weil wir einen Haufen unbeschrifteter
Kartons gefunden haben, als wir den alten Cinerama-Tresorraum im Norden
Hollywoods durchsucht haben. Wir fanden diesen Karton und ich öffnete ihn und es
sah aus wie eine Szene aus „Windjammer“ auf Able-Panel oder Charlie-Panel, aber
in Farbe. Weil ein Interpositiv tatsächlich ein Positivbild ist, selbst auf
Negativfilmmaterial, sozusagen. Also sagte ich: „Warte eine Minute, wo kam das
her?“ Und dann mussten wir all das Zeug inventarisieren. Also lange bevor man
mit dem Scannen beginnt, inventarisiert man alles, was man hat, um zu sehen, ob
man einen kompletten Film zusammen bekommt. Und wenn man keinen kompletten Film
hat, kann man in die Kongressbibliothek gehen, die wir durch Larry Smith von
New Neon Movies kannten, der heute dort arbeitet. Er sagte:
„Wir haben die
3-Streifen-Kopie, die rosa ist, ihr könnt also darauf zurückgreifen“. Der
Negativfilm ist nicht immer gut und nicht alles ist vorhanden. Er ist immer in
einem schrecklichen Zustand, Rollen, die hier fehlen, etwas fehlt da und etwas
fehlt dort, weil er eben im Laufe der Jahre nicht gut behandelt wurde. Er befand
sich nicht in einem Studio-Tresorraum, wo man vielleicht ein Verzeichnis geführt
hätte, obwohl es auch in Studio-Tresorräumen Probleme gibt, wie bei „Gebrüder
Grimm“. Niemand weiß so richtig, was mit den Negativen von „Grimm“ passiert ist.
Ein Untersuchungsbericht von 1994 wies auf schwere Wasserschäden und Schimmel
auf vielen Rollen hin. Rätselhaft ist, wie dies im Tresorraum eines großen
Studios passieren konnte? Aber es wird ein Puzzlespiel, alle Aufnahmen
aneinander zu reihen. Man muss jeden einzelnen Schnitt im Film inventarisieren,
wie die Beschreibung lautet: der Segler geht von links nach rechts und sie gehen
an Bord des Schiffes. Man lässt all die Sachen nummerieren. Deshalb gibt es in
„Windjammer“ 437 Schnitte, mal 3. Und man muss alles inventarisieren und riesige
Tabellen davon anlegen – wo bekomme ich diese Aufnahme? Weil diese die fehlende
Szene hat? Oder sie schneiden die Szene in Hälften. Das kann kompliziert werden.
Dann machen sie es sogar noch schlimmer: bei „Windjammer“ wurde die
1-Streifen-Version erstellt, ähnlich wie bei „Die sieben Weltwunder“, und zwar
auf Basis dieses Interpositivs. Sie schnitten vom Baker-Panel auf das Able-Panel
und zurück über das C-Panel. Weil sie aus einer Quelle mit 6 Perforationslöchern
eine Version mit 4 Perforationslöchern machten, muss man aus dem Rahmen
schneiden. Also verliert man den oberen bzw. unteren Bildrand. Nun muss man ihn
also durch etwas ersetzen! Es war ein totales Durcheinander, mehr noch als ein
Puzzlespiel, da die Seiten von 3 unterschiedlichen Elementen stammten. Und wo
auch immer etwas fehlte würde man als allerletzte Lösung auf den alten Transfer
zurückgreifen. Was zwischen dem Korn und der seltsamen Farbe natürlich wie Tag
und Nacht gewirkt hätte. Doch es kam nicht dazu, alle Elemente waren vorhanden
und stammten von Material mit 6 Perforationslöchern. Ob die verblasste und
wieder eingefärbte Kopie der Kongressbibliothek oder das Interpositiv mit all
den von uns entfernten Flecken oder das Original-Negativ. Die gesamte
See-Sequenz stammt vom originalen Negativfilm. Denn die andere Sache bei
3-Streifen-Filmmaterial ist, dass es länger hält, wenn bei hellem Tageslicht
gedreht wird, als wenn der Dreh in der Dämmerung stattfindet. Das Material fängt
eher an, zu verfallen. Ich weiß nicht, warum, es gibt möglicherweise eine
Erklärung dafür, aber ich muss sie nicht kennen, es ist einfach so. Also konnten
wir die gesamte See-Sequenz vom Negativ nehmen, was dann mehr Arbeit machen
würde, da es stärker verschlissen war, mehr verunreinigt, häufiger benutzt. Wie
viele bereits wissen, wurde jede einzelne Kopie der Cinerama- oder
Cinemiracle-Filme, die an die Kinos ging, auf Basis des Original-Negativs
erstellt. Wenn sie also 300 Kopien von „Die sieben Weltwunder“ anfertigten,
wurden diese alle von diesem einen Original-Negativ gezogen, weshalb es mehr
Verschleiß gibt. Und das muss man dann bereinigen. Sie wollten eben auf allen
Leinwänden Kopien der ersten Generation.
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THa: Wurden keine Masterkopien zur Sicherung angefertigt?
Dave: Von den Cinerama-Reisefilmen wurden YCM-Master erstellt, aber sie wurden
zu einem Zeitpunkt erstellt – ich glaube, es war Mitte oder Ende der1950er Jahre
– als YCMs wertlos waren, wenn man es nicht richtig machte. Leon Briggs sagte,
einige stammten aus einem Jahr, in dem YCMs korrekt angefertigt wurden, weil
„Joe Blow“ dafür verantwortlich war, später übernahm die Arbeit jedoch
gelegentlich sein Assistent, der weniger gut war. Also standen sie
möglicherweise mit zwei Able-Panels und nicht genügend C-Panels da, und eines
davon auch noch in Schwarz-Weiß. Also hat man schließlich neun Filmteile, die
ein einziges Cinerama-Bild ergeben. Und das sind neun Dinge, die schief laufen
können, wenn man YCM-Master verwendet. Aber es war deren Politik, wie auch bei
den Studios, von allem YCMs als Sicherung für später anzufertigen. Auch so bei
Cinerama. Von „Windjammer“ wurden allerdings keine YCMs erstellt.
THa: In welchem Zustand waren die Negative und die Sound-Elemente?
Dave: Bei den Sound-Elementen handelte es sich um komplett verzogene
Magnetfilme, 7 Kanäle auf einer riesigen Spule, genau wie die Verleihkopien.
1999, als Gunther Jung noch dabei war, ließen wir sie von Chace Audio backen und
auf 24 Spuren übertragen, die dann später ins Digitale übertragen werden
mussten. Das war also die Konservierung. Das war unsere erste Konservierung.
„Windjammer“ hatten sie nicht oder er war zu stark verzogen, um ihn zu
verwenden. Also stellte John Mitchell [Sydney, Australien] den Soundtrack von
„Windjammer“ zur Verfügung, um ihn auf die 7 Kanäle aufzusplitten. Später würde
diese dann hoffentlich jemand restaurieren und man hätte nützliches Material in
den Tresorräumen. So kamen wir an die Soundtracks, ein bisschen eine Reise um
die Welt.
Randy: Auf vielen Filmdosen befanden sich Aufkleber mit der Aufschrift
„rückwärts abspielen“ oder „umgekehrt abspielen“. Solche Aufkleber kleben Labore
auf häufig abgespieltes Filmmaterial, Filmelemente, die so oft durch einen
Drucker gelaufen sind, dass viele der Führungslöcher auf der Antriebsseite des
Films ausgebrochen sind. Nun, „rückwärts abspielen“ heißt, dass man den Film
umdreht und vom Ende zum Anfang geht, d. h. er läuft anders herum durch die
Maschine. Das Problem mit dem Cinerama-Material war, dass viele eben dieser
Elemente auf der „Rückseite“ des Films genauso beschädigte Führungslöcher
hatten. Zusätzlich dazu, dass sie extrem verblasst und geschrumpft waren, litten
sie am Essigsäuresyndrom, sie hatten wellige Kanten, waren gekräuselt, wiesen
Speichenbildung auf, hatten alte Beschichtungen gegen Kratzer, die Dave
entfernen musste, und die Perforationslöcher waren stark abgenutzt! Diese
Elemente würden Filmarchivare wie ich tatsächlich als „Schrott“ bezeichnen. Ich
möchte hinzufügen, dass die Cinerama-Filmothek, die meiste Zeit über in einem
Tresorraum gelagert wurde, der nur entsprechend den zu der damaligen Zeit und
vor ANSI gültigen Standards für die Lagerung von Filmmaterial gebaut wurde.
Leider kein Vergleich mit PRO-TEK Vaults, wo ich heute arbeite. Temperatur und
Feuchtigkeit lagen nicht innerhalb der heute geltenden Grenzbereiche und die
Cinerama-Filme haben deshalb gelitten.
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THa: Was ist der größte Fund, den Sie je im Archiv gemacht haben?
Dave: Da gibt es zwei Sachen. Erstens das Interpositiv von „Windjammer“, das wir
gefunden haben, und dann
“Tale of Old Whiff”, ein Cartoon, der sich in einem
unbeschrifteten Karton befand. Wenn man sowas vor hat, sollte man wohl beim
Betreten der Tresorräume zuerst all die Kartons öffnen, die kein Etikett haben
[lacht], was wir gemacht haben. „Oh, hier ist ‚Die sieben Weltwunder‘, lass uns
den herausziehen“. Ja, all diese Kartons zu öffnen, weil man nie weiß, was man
darin finden wird. Wie die Schachtel Pralinen aus Forrest Gump: „Man weiß nie,
was man kriegt“.
THa: Wo wandern all diese Elemente hin, wenn diese Arbeit beendet ist?
Dave: Alles, was ich abgeschlossen habe, wird bei FotoKem verwahrt, weil die
Sachen alle schließlich in das Academy Film Archive gehen sollten, also gekühlt
gelagert werden. Alles, was ich bearbeitet habe, mussten sie solange behalten,
bis ich komplett durch war. Also musste ich der Academy Bescheid geben, wenn sie
einen bestimmten Film oder eine bestimmte Ladung Dosen abholen konnten, weil ich
nun endgültig damit fertig war. So lief das dort immer ab.
Randy: Ich glaube, das Allerwichtigste war unsere Wiederentdeckung von „Tale of
Old Whiff“, denn der Film galt tatsächlich als verschollen. Er war selbst für
Cinerama verloren. Wir sind nicht sicher, ob Cinerama überhaupt den Film
verwertet hat, nachdem er in ihren Besitz übergegangen ist. Und es war der erste
animierte 70mm-Cartoon in Farbe, der ursprünglich in
"Smell-O-Vision" gezeigt
wurde, er hatte also eine Menge Neuheiten zu bieten.
THa: Haben Sie einen Negativ- oder einen Positivfilm gefunden? Und was war mit
dem Sound und all dem?
Randy: Sie fanden einen Positivfilm und er war verblasst, aber Dave konnte die
Farbe herausholen. Und woher stammte der Sound davon?
Dave: Er war auf der Kopie. Auf der Kopie war normaler 70 mm-Magnetton mit 6
Kanälen.
THa: Wie kamen all diese Arbeiten in der Branche an?
Randy: Ich bin Filmarchivar und ich denke, andere Filmarchivare müssten ein
bisschen Ehrfurcht vor unserer Leistung haben. Ich glaube, vielen ist der
Kostenunterschied und der Preis, den wir für das Ergebnis gezahlt haben,
bewusst. Ich denke, im Studiobereich ist man für diesen Ansatz möglicherweise
weniger empfänglich. Studios haben eine gewisse interne Infrastruktur, die nach
einem etwas anderen Prinzip funktioniert und viel Geld verschlingt. Und, ich
weiß nicht, ich möchte es irgendwie glauben, eines Tages, vielleicht eher früher
als später, werden die Studios erkennen, dass es möglicherweise einen anderen,
weniger kostenintensiven Weg gibt, um so etwas zu machen.
Dave: Bevor ich vor ein paar Jahren in Altersteilzeit gegangen bin, dachte ich
immer: „Hey, wenn Du das an Deinem Computer zu Hause machen kannst, was ist
mit all den Filmen, die für das Studio nicht so wichtig sind?“. Wann werden sie sie
an Menschen in privaten Werkstätten herausgeben, die Computer haben, die
wenigstens eine 2K-Version von etwas anfertigen können? Mehr braucht man
wirklich nicht für einen 1:1,33 1-Film, was mich betrifft. Und das genügt sogar
für Kinovorführungen, solange es kein IMAX ist. Oder die Filme wenigstens
erhalten, mithilfe derselben Software, die ich verwende, so kann man eine ganze
Menge bearbeiten. Ja, liebe Studios, kümmert euch um euer „Vom Winde verweht“,
um eure „Mary Poppins“, und wendet die Zeit, das Geld und die Mühe auf. Aber all
die kleinen Sachen, die ihr niemals in Angriff nehmen könnt, könnt ihr immer
noch für ganz kleines Geld in Auftrag geben.
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Dave Strohmaier
presenting the European premiere of the restored "The Wonderful World of the
Brothers Grimm" at the Schauburg Cinerama,
in Karlsruhe 3. October 2022.
Picture: Thomas Hauerslev
THa: Welche Rückmeldungen haben Sie von den Fans erhalten?
Dave: Stets nur positive. Wir führen Cinerama regelmäßig im Dome auf und die
Fans würden aus ihren Löchern kommen und zuschauen. Aber man muss so etwas
wirklich sehr frühzeitig veröffentlichen, damit die Leute kommen. Ich kann Ihnen
nicht sagen, wie oft wir etwas im Dome oder anderswo gezeigt haben, und zwei
Tage später ruft mich jemand an und sagt zur mir: „Was war los im Dome? Mir hat
niemand davon erzählt.“ Und ich sage: „Wo warst Du?“ – „Oh, ich musste an dem
Abend meinen Fahrradreifen reparieren.“ Also ich denke, man kann den
Fahrradreifen sausen lassen, sich auf den Weg machen und „Das war der Wilde
Westen“ anschauen.
Randy: Wissen Sie, Fans werden die Filme immer zu schätzen wissen. Den Bonus,
den sie bekommen – ich folgere jetzt aus der Sicht eines Cinerama-Fans – ist,
dass ihnen die Filme so lange vorenthalten wurden und sie nun quasi eine Diät
beenden können. Endlich kann man wieder eine Pizza essen und sie lieben es. Und
nicht nur das, man kann sogar seine eigene DVD- oder Blu-Ray-Version kaufen.
Also ist es heute eine doppelte Freude, ein Cinerama-Fan zu sein.
Dave: Viele Leute haben mir außerdem erzählt, dass sie zwei Dinge tun. Jeder
schafft sich heute ein Heimkino an, mit größeren Bildschirmen und all solchem
Zeug. Man liegt direkt vor der Bildwand oder dem Fernsehbildschirm, stellt den
Ton lauter und tut so, als sei man im Kino, was man mit unseren Shows machen
kann, weil wir Vorhänge und all das haben. Es ist eines dieser Dinge, die man
nun zu Hause erleben darf. Und dann kann man auch noch seinen 3D-Schalter
anknipsen und Cinerama in „3D“ sehen. Manche Leute fragten: „Oh, hast Du ihn
schon in 3D gesehen?“. Also besuchte ich einen Freund zu Hause und wir
schalteten auf 3D und MAN BEKOMMT 3D! Es ist kein echtes 3D und man benötigt
eine Brille und all das Zeug, aber man sieht eher eine gekrümmte Bildwand, man
holt noch einen kleinen zusätzlichen Kick raus glaube ich. Sie sind einfach nur
verblüfft. Als hätten wir es so geplant. Aber das taten wir nicht – es war
reiner Zufall.
THa: Wie denken Sie, kommt dies zu einem Ende, und was können wir in der Zukunft
erwarten – wie „Das goldene Haupt“ und „Gebrüder Grimm“?
Dave: „Das goldene Haupt“ war eine einfache Restaurierung, da die Negative kaum
im Einsatz gewesen waren. Die einzige Komplikation bestand in den zwei
Negativformaten, 65 mm und größtenteils Technirama. Ich glaube, die Arbeit ist
im Wesentlichen beendet und nun geht es darum, die Filme zu zeigen und so. Ich
denke, wir haben gute Vorarbeit geleistet. Keiner dieser Filme ist so
restauriert, dass ich es als perfekt bezeichnen würde, es gibt Teile, in denen
die Farben ein bisschen merkwürdig sind, man kann Hauttöne nie über 3 Streifen
gleich hinbekommen. Man muss sich um den Himmel und die großen Elemente wie Gras
und sowas kümmern, aber ich würde sagen, es ist so, dass wenn jemand in der
Zukunft diese Masterdateien nehmen möchte – wir haben die Masterdateien über
eine Firma namens Digital Bedrock konserviert, die diese im Laufe der Jahre
migrieren [=konservieren] wird – und vielleicht mit einer neueren Software Dinge
hinbekommen, die uns nicht gelungen sind. Ein paar merkwürdige Farben, die hier
und da noch zu finden sind. Also ist das Ganze möglicherweise noch nicht vorbei
und vielleicht werde ich derjenige sein, der es macht, aber dann muss es eine
Nachfrage nach diesen Filmen und diesen Dingen geben. Also denke ich, wir haben
alles getan, was wir im Moment tun können. „Das goldene Haupt“ wird irgendwann
2019 herauskommen, er wurde vor 4-5 Jahre restauriert, also vor langer Zeit
abgeschlossen. Das war die einfachste Restaurierung der Welt. Er war in einem
hervorragenden Zustand und hatte all seine Farben. Übrig bleibt nur noch
„Gebrüder Grimm“, der ein totales Durcheinander ist; man weiß das bei Warner
Brothers, und das ist vielleicht der Grund, warum man ihn nicht in Angriff
nehmen will. Ich bin nicht sicher, ob ich ihnen einen Vorwurf mache.
Nach der Restaurierung von „Windjammer“ dachte ich, dass wenn Tom und ich da
lebend durchgekommen sind, könnten wir auch einen weiteren unmöglichen Job wie
„Gebrüder Grimm“ schaffen, also drängte ich Jim Vandever von Cinerama, mit
Steven Anastasi bei Warners Kontakt aufzunehmen bezüglich einer Kooperation bei
diesem Respekt einflößenden „Grimm-Projekt“. Bei einem gemeinsamen Mittagessen
im Studio erzählte ich ihnen, was unser Budget für „Windjammer“ war, und die
Jungs von Warner Brothers waren fassungslos, wie niedrig es war. Ich antwortete
ihnen, dass es keine Studio-Fixkosten gab, die zu bewältigen waren. Dann gab ich
ihnen eine Kopie der 15-minütigen Dokumentation über die Restaurierung von
„Windjammer“ und der Rest ist Geschichte. Sie nahmen zwei Wochen später mit mir
bezüglich der Leitung des Projekts Kontakt auf. Ich erklärte mich einverstanden,
mit der Maßgabe, dass ich mein eigener Chef wäre, nichts mit der Studiopolitik
zu tun hätte, keine Frist bekäme, es auf meine eigene Weise in 4K machen könnte
und wir am Ende des Films in den Danksagungen als Restauratoren genannt würden.
Wir hatten das Glück, dass die meisten Kritiker dies als die beste Restaurierung
bezeichneten, die sie je gesehen hätten. Später bekam ich sogar eine E-Mail von
der Motion-Picture-Imaging-Abteilung bei Warner Brothers, die für das Scannen
verantwortlich war (ich habe sie in den Danksagungen am Ende genannt), und man
teilte mir mit, dass man von der Bildqualität, Farbe und Schärfe absolut
begeistert sei. Ich sagte, das sei der meisterhaften Scanarbeit ihrerseits zu
verdanken, die dazu beigetragen habe, all das möglich zu machen.
Randy: Zu sehen, wie es Dave gelang, das legendäre Widescreen-Filmarchiv eines
gesamten Unternehmens aus der Vergessenheit zu holen, und wie ich diese neu
überarbeiteten Versionen im Namen der Cinerama Inc. wieder urheberrechtlich
schützen konnte, war die größte Belohnung für unsere Mühen. Wir haben diese
Titel noch einmal rentabel gemacht. Ich glaube, wir sind vielleicht am Ende
unseres Prozesses angelangt, weil wir das Archiv vervollständigt haben, aber was
ich gerne sehen würde, sind viele der restlichen Filme, die auf der großen
gekrümmten Bildwand „in Cinerama präsentiert“ wurden. Sie sind möglicherweise
nur in Ultra Panavision, aber viele von ihnen könnten überarbeitet und als
SmileBox-Version veröffentlicht werden und anschließend noch einmal ein neues
Publikum gewinnen. Ich denke, zu diesem Werk gehören eine ganze Reihe
vergessener Filme – einer, der mich am meisten interessiert, ist
“La Fayette”, ein französischer Film von 1962, der damals einer der teuersten und
aufwändigsten Filme war, die je in Frankreich gedreht wurden, und der in Europa
„in Cinerama“ auf gekrümmten Bildwänden gezeigt wurde. Das ist nur ein Beispiel
von vielen Filmen, die meiner Meinung nach in Angriff genommen und
wiederentdeckt werden sollten.
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28-07-24 |
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