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Die Cinerama-Archäologen
Produzent Randy Gitsch & Cutter Dave Strohmaier sprechen über ihr „Cinerama Adventure“

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Written by: Doppelinterview von: Thomas Hauerslev, Kopenhagen, 24. Mai 2018. Transkription der Audioaufnahmen durch Mette Petersen. Aus Gründen der Kontinuität und zum besseren Verständnis leicht überarbeitet. Zusätzliche Kommentare zu „Gebrüder Grimm“ von Randy Gitsch und Dave Strohmaier, Juli 2022. Übersetzt aus dem Englischen von Cordula Lau, Redaktion: Friedrich Schumacher  Date: 03.10.2022
Randy Gitsch & Dave Strohmaier outside the Schauburg Cinerama, in Karlsruhe 2. October 2022 and the European premiere of "The Wonderful World of the Brothers Grimm". Picture: Thomas Hauerslev

Das nachfolgende kommentierte Interview entstand zu einem Zeitpunkt, als sowohl Dave als auch ich zu der Überzeugung kamen, dass die Arbeit unseres Cinerama-Restaurierungsteams beendet sei. Von den 3-Streifen-Filmen hatte Warner Brothers "DAS WAR DER WILDE WESTEN" (OT: HOW THE WEST WAS WON) selbst restauriert und 2008 auf DVD und Blu-Ray veröffentlicht, mit großem Erfolg. In den darauffolgenden 11 Jahren hat unser Team sich den restlichen 7 Reisefilmen gewidmet, die sich im alleinigen Besitz von Cinerama befanden. Wir haben sie restauriert, neu zusammengestellt und als SmileBox-Version veröffentlicht. Übrig blieb somit nur noch das Drama "DIE WUNDERWELT DER GEBRÜDER GRIMM" (OT: THE WONDERFUL WORLD OF THE BROTHERS GRIMM), gemeinsames Eigentum von Cinerama und Warner Bros. Aufgrund der mit der Restaurierung dieses Films gemeisterten Herausforderungen konnten unsere bis dato beachtliche Leistungen und die Komplexität einiger unserer Arbeiten Warner Bros. von unseren Fähigkeiten und Enthusiasmus überzeugen. Und die Nachfrage, die wir mit diesen 3-Streifen-Veröffentlichungen aufgebaut und entwickelt hatten, gab dem Studio zweifelsohne berechtigten Grund zur Annahme, dass der Markt für eine Digitalisierung von GRIMM nun größer sei als je zuvor. Früchte trug diese Erkenntnis mit der Veröffentlichung des Films durch Warner Home Video auf Blu-Ray im März 2022. Der Film wurde sorgfältig in der studioeigenen Motion-Picture-Imaging-Abteilung gescannt und anschließend meisterhaft von Dave und Tom restauriert und begeisterte somit alte, konnte neue Fans gewinnen und lieferte der Archivkollektion von Warner einen überraschend starken Verkaufsschlager.

Im Rahmen von Cinemiracle- und Cinerama-Vorführungen in Kopenhagen im Mai 2018 waren „die Cinerama-Archäologen“ (Produzent Randy Gitsch und Cutter Dave Strohmaier) einige Tage in der Stadt, um die Filme vorzustellen und über ihre Arbeit zu sprechen. Ich habe die beiden an einem sonnigen Tag am Hafen vor dem norwegischen Windjammer „Sørlandet“ erwischt. Ein 45-minütiges Gespräch beim Mittagessen über ihre Arbeit, mit Rückblicken auf all die Jahre, in denen alle fünf Cinerama-Reisefilme (Travelogues), „Windjammer“ in CineMiracle, fünf Kurzfilme, ein Smell-O-Vision-Titel und ein verloren gegangener Technirama-Film überarbeitet, eine Cinerama-Zusammenstellung rekonstruiert und "Russian Adventure" gerettet wurden – und noch VIEL mehr. Da sich dieses Projekt mit der Veröffentlichung von „Das goldene Haupt“ (OT: „The Golden Head“) auf Blu-Ray Anfang 2019 nun seiner Schlussphase nähert, kam mir der Gedanke, es sei Zeit für einen Rückblick auf ihre Erfolge, die vor über 20 Jahren mit der Produktion des Dokumentarfilms „Cinerama Adventure“ ihren Anfang nahmen.

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Thomas Hauerslev: Wie sind all diese Cinerama-Jobs zustande gekommen?

Randy Gitsch: Am Beginn unserer erfolgreichen Arbeit steht der von uns gedrehte Dokumentarfilm „Cinerama Adventure“, den David begonnen hat und den wir gemeinsam fertiggestellt haben. Er war für uns und für Cinerama in mehrfacher Hinsicht wegbereitend. Ich hatte zuvor eine Dokumentation [“Keepers of the Frame”] über die Konservierung von Filmen produziert. Darin kamen u. a. Cinerama und John Harvey vor, vor allem aber lernte ich etwas über die Arbeit als Filmproduzent und wie man Gelder für eine Filmproduktion beschafft. Menschen auf Knien um Unterstützung zu bitten ist besonders schwer, wenn es um einen Dokumentarfilm geht, der allein der Unterhaltung dienen soll. Es ist ein bisschen einfacher, wenn der Film einen pädagogischen Wert hat oder versucht, etwas für das Gemeinwohl zu leisten, die öffentliche Meinung zu ändern oder Geschichte zu beleuchten. Bei meiner Dokumentation 1999 ist mir das gelungen und ich konnte diese Fähigkeit in unser gemeinsames Projekt „Cinerama Adventure“ einbringen. So wurden wir in Form von Sachleistungen unterstützt. Wir konnten z. B. Archivmaterial für nur einen Dollar lizenzieren und erhielten außerdem die volle Unterstützung von Gruppen und durften in einem Fall deren Logo verwenden. Besonders wichtig war die Unterstützung der American Society of Cinematographers, weil wir dadurch einen offiziellen Anstrich erhielten und erkennbar wurde, dass man uns auf Herz und Nieren geprüft und unsere Ziele verstanden und anerkannt hatte. Das verschaffte uns eine wirklich gute Ausgangsposition, um etwas ins Rollen zu bringen.


THa: Wie kam es dazu, dass dann tatsächlich die Negative hervorgeholt wurden und schließlich wieder im Kino zu sehen waren? David hat erwähnt, dass er von Paul Allen angesprochen wurde, einen Film über Seattle zu drehen – woraus schließlich “In the Picture” in Los Angeles wurde – und irgendwann dazwischen sei die Frage aufgekommen: „Warum nicht um das Archivmaterial kümmern und es überarbeiten?“

Randy: Dave musste für „Cinerama Adventure“ Ausschnitte aus etlichen Cinerama-Filmen beschaffen, also schnupperte er erst einmal in diese Filme hinein und scannte Abschnitte davon. So wurde Dave – da bin ich mir sicher – irgendwie von dem Geheimnis, der Tragik und dem Potenzial dieses Materials gepackt. Dave war in Cinerama eingetaucht, bevor er überhaupt irgendwelche Pläne hatte, etwas zu restaurieren. Das war die Verbindung. Das war für ihn der Antrieb, sich so weit einzulassen, dass er sagte: „Mensch, vielleicht sollten wir diese Filme tatsächlich restaurieren?“ Und ab dem Zeitpunkt dieser Andeutung machte er daraus eine Bitte und Michael Forman [Pacific Theatres Entertainment Corporation und Eigentümer von Cinerama-Vermögenswerten] reagierte auf diese Bitte.

 
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Dave Strohmaier: Wir sind auf halber Strecke [„Cinerama Adventure“] und dann kriege ich diesen Anruf von Paul Allens Leuten [Mitbegründer von Microsoft]. Sie hatten von dem Dokumentarfilm gehört und dachten, dass dieser Typ irgendwie weiß, wo die richtigen Leute sitzen. Jemand namens Jeff Graves, der für Paul Allen arbeitete, kam zwei- oder dreimal runter, um sich mit mir zu treffen. „Was braucht man, um das alles zu restaurieren?“ Er dachte, ich wüsste genug darüber, um gefährlich zu sein, so dass er mich fragen würde, bevor er sich an Cinerama wenden würde. Dann würden Jeff und ich uns mit Leuten von Pacific Theatres treffen, die Rechtsnachfolger und Erben des gesamten Cinerama-Vermögens, und sie um die Erlaubnis bitten, die Filme zu restaurieren. Nun bin ich kein professioneller Filmrestaurator, ich bin Cutter. Ich wusste nichts über die Restaurierung von Filmen, also wandte ich mich an meinen Freund Leon Briggs, der jahrelang für Disney gearbeitet hat, Inhaber einer Filmberatungsfirma war und Filme restauriert hatte. Ich meine, er war für die erste „Star Wars“ Restaurierung verantwortlich. So kam er mit ins Boot und anschließend wandten wir uns an die Firma von Paul Allen [Vulcan Northwest]. Das hier wird es kosten – denken wir. Wir sind nicht sicher, aber man muss flexibel sein und so. Und dann gab es eine Verzögerung nach der anderen und nichts passierte. Also sagten wir uns „Toll, wir haben nicht das Geld, um überhaupt etwas zu machen!“ Wir konnten nichts tun. Dann ging John Sittig tatsächlich zu Michael Forman und sagte: „Ihr solltet besser anfangen, diese Negative zu konservieren, zu scannen oder sonst irgendwas unternehmen, weil sie nicht mehr lange da sein werden“. Ich hatte sie ein Jahr zuvor bereits gewarnt, sie hatten also mehrere Warnungen erhalten. Schließlich kam es in der obersten Etage an, wo man etwas machen konnte und eine bestimmte Geldsumme freigab. Dabei handelte es sich im Grunde genommen um ein Konto, das eingerichtet wurde und für das ich verantwortlich war. Ich bin ebenso wenig professioneller Buchhalter wie Filmrestaurator, und nun war ich für das Budget des ganzen Projekts verantwortlich. Und da fand ich diese Firma namens Image Trends.

In der Zwischenzeit wurde die Dokumentation fertig und trat ihren Weg um die Welt an, wodurch alte Filme wieder ins Bewusstsein rückten. Es war also wie wenn einmal etwas ans Laufen kommt, dann geht es weiter bergauf oder läuft zumindest weiter. Ich würde eine bestimmte Summe an Geld für dies und eine bestimmte Summe für das freigeben müssen, wie z. B. für das Scannen. Ich nahm Kontakt zu einer Reihe von Scan-Dienstleistern auf und damals (um 2009 oder 2010) sagten natürlich alle Scan-Anbieter: „Nun, das kostet 1 Dollar pro Bild“ oder sonst eine irre Summe. Man wird nie irgendetwas machen können und zudem verstand keiner etwas von den 3 Streifen und den 6 Perforationslöchern. Sie müssen ihre gesamte Ausrüstung umbauen, um mit 6 Perforationslöchern zu arbeiten. Wenn man Paul Allen ist, dann kann man das, aber währenddessen waren sie in Seattle immer noch untätig und trafen keine Entscheidung, weder in diesem noch in irgendeinem anderen Punkt. Also wandten wir uns an diese Firma namens Image Trends und ich vermute, die Geschäfte dort liefen nicht sonderlich gut, denn sie sagten: „Wir machen es“. Es war fast so wie mit diesen Visual-Effects-Firmen heute, wenn man all diese Comic-Verfilmungen macht, mit all den Effekten, dem einstürzenden Empire State Building und so. Das läuft dann so, dass sie etwas unterbieten und später versuchen, mehr Geld aus einem herauszukriegen. Ich hatte dieser Firma gesagt, dass wir diese Summe X zur Verfügung hätten, und gefragt, ob sie diese Art von Arbeit übernehmen könnten, wir seien jedoch nicht unter Zeitdruck. Wir möchten es nur machen lassen.

Die Hälfte von ihnen hatte Cinerama im Kindesalter gesehen, deshalb wurde es nun auch eine emotionale Sache. Nun würden sie für kleines Geld alles tun. Aber ich bin der Typ, der all dies allen verkaufen, alle Fäden in der Hand halten und diese Firma dazu bringen musste, für besonders wenig Geld zu arbeiten und so weiter. Und dann hatte ich etwa 70.000 Dollar als Puffer übrig und dachte mir, dass es irgendwann Probleme geben wird und ich 10.000 Dollar hier und etwas da leihen muss und was weiß ich noch. Und dann beschlossen wir, einen Film in Cinerama zu drehen [lacht]. 15.000 Dollar ging für die Restaurierung der Kamera drauf, von da an vervielfachten sich die Kosten, aber alles glich sich aus. Nachdem alles abgeschlossen war lag ich 6.000 Dollar unter dem Budget.

Das war für die vier Reisefilme und die beiden Filme „This is Cinerama“ und ”Windjammer”, der erste Durchgang, der nicht vom besten Material stammte. Es wurde also alles abgeschlossen und dann kriege ich einen Anruf von David Coles and John Mitchell, die mich fragten: „Hey Dave, was machst Du als nächstes? Warum kein – ‚Best of‘?“ Nun, es ist kein Geld übrig, wir haben alles verdreht. Und dann fing man an, zu fragen: „Nun, wieviel wird es kosten?“ Also ging ich zu FotoKem und sprach mit Andrew Oran. „Kannst du mit 6 Perforationslöchern arbeiten? Gibt es eine günstige Methode dafür ohne das mechanische Scannen, sondern so eine Art Telecine-Spirit-Scanner, wobei es sich – soweit ich es beurteilen kann – um eine exakte Kopie anderer Scans handelt?“

Es tut mir überhaupt nicht leid, dass wir diesen Weg gewählt haben. Dann fing man an, uns Geld zu verschaffen, um den Job erledigen zu lassen. Man steckte Geld hinein und alles was ich tat, war meinen Teil kostenlos dazu beizutragen. Sie würden Geld schicken, nicht an mich, sondern an FotoKem, und es würde ein Konto eingerichtet. Jedes Mal nach dem Scannen würden sie von dem Konto abbuchen und mir Bescheid geben, wenn die letzten 1000 Dollar erreicht sind. Dann würde mich jemand anrufen und sagen: „So, ist der Job jetzt erledigt? Nein, wir werden tatsächlich mehr Geld brauchen“. Wir nahmen Kontakt mit den Norwegern auf, um herauszufinden, ob sie Geld in „Windjammer“ investieren wollten. Es war quasi ihr Film und das zog sich über 6 Monate hin und nichts passierte, aber dann, eines Tages, rief mich ein Typ an. Ich werde seinen Namen nicht nennen, denn er wollte anonym bleiben. Er fragte: „Was werden Sie brauchen, um „Windjammer“ fertig zu stellen?“ und ich sagte, es könnten um die 15.000 Dollar werden, und er antwortete: „Wohin schicke ich den Scheck?“ Er wird damit keinen einzigen Cent verdienen. Ich werde kein Geld damit verdienen. Randy wird kein Geld verdienen. Niemand wird irgendeinen Cent verdienen, aber wir brachten es zu Ende. Und das war quasi der Abschluss, so wurden wir mit „Windjammer“ fertig. Dasselbe passierte mit „Russian Adventure“, jemand steuerte das Geld dafür bei.
 
 
Randy: Dave antwortete Paul Allen mit seinem Vorschlag, einen Kurzfilm zu machen, ähnlich dem, den wir schließlich gemacht haben, mit dem Titel „In The Picture“, der jedoch die malerischsten Örtchen in Seattle oder Dinge im Umfeld des Seattle Cinerama Theaters beleuchten würde, sie machten aber letztlich nicht weiter und setzten das Projekt nicht um. Das Filmkonzept war aber immer noch da, in Daves Kopf. Wenn man einmal Feuer gefangen hat, ist die Motivation sehr hoch, es tatsächlich in Angriff zu nehmen und zu Ende zu bringen, auf die eine oder die andere Weise. Diese Restenergie führte dazu, dass wir „In the Picture“ gemacht haben, quasi eine Art Werbefilm für das Cinerama Dome Theater in Hollywood. Dave zufolge sagte unser Mitstreiter John Sittig zu Michael Forman, er solle unbedingt etwas machen. Michael Forman wollte etwas machen. Ich glaube, er erkannte vielleicht, dass das Vermächtnis seines Vaters ein wichtiger Teil von Cinerama war, auch wenn das Unternehmen in den sechziger Jahren mit Cinerama Millionenverluste gemacht hatte. Es würde also keine Beteiligung an diesem Projekt seitens des Unternehmens geben. Die Filmtheaterfirma von Forman wollte nicht wieder als Filmproduktionsfirma tätig werden. Sie hatte seit vielen, vielen Jahren keine Filme mehr produziert. Sie war seit vielen Jahren nicht mehr als Filmverleih aktiv. Sie hatte also kein eigenes Interesse daran, dieses Werk zu erhalten, deshalb wollte Michael Forman das Geld privat zur Verfügung stellen. Forman wollte genauso anonym bleiben. Ursprünglich stand sein Name in einigen der ersten Remaster-Danksagungen, z. B. auf IMDb, aber eigentlich wollte er nicht in den Danksagungen genannt werden.

Dave: Es war in Ordnung, „Danke“ zu sagen, aber man wollte keine Danksagung in einer Form wie „Produzent – Michael Forman“.

Randy: Zu all dem sind noch ein paar Dinge hinzuzufügen – Timing ist alles. Was uns vor allem dabei geholfen hat, unser Ziel zu erreichen, war die Tatsache, dass die Kosten für das Scannen zu dem Zeitpunkt, als wir dabei waren, quasi total in den Keller gefallen sind – in den USA wurden statt „Dollar pro Bild“ eher „Bilder pro Dollar“ berechnet und zum neuen Standard. So wurde digitales Scannen wesentlich bezahlbarer. Und dann machte Michael Forman sein großzügiges Geschenk, und Sie wissen, niemand möchte der Erste sein, aber jeder der Zweite. Weil wir dadurch weiter legitimiert wurden und man eine sichtbare Leistung bei einigen unserer ersten Testläufe erkennen konnte, wollten sie mit von der Partie sein. „Was retten? – Gibt es noch mehr zu retten?“, das war der große Ansporn für die Leute, die sich meldeten. Sie kamen buchstäblich zu Dave – Dave hatte keinerlei Schild ausgehängt oder publik gemacht, dass wir für dieses Projekt Geld benötigten, aber es wurde Wirklichkeit dank der Spenden allein von Privatpersonen, und Michael Forman war der Erste von ihnen.

Weder „Cinerama Adventure“ noch „In the Picture“ oder eine unserer digitalen Überarbeitungen waren je ein GoFundMe- oder Kickstarter-Projekt. Wir wurden nie auf diese Weise finanziell unterstützt. Wir machten in gutem Glauben an die Sache weiter. Als Dave und ich uns für „Cinerama Adventure“ zusammentaten, hatte ich bereits den Dokumentarfilm über die Konservierung von Filmen gemacht, ich hatte also bereits diesen ‚Pro-Filmkonservierungsweg‘ eingeschlagen und erkannt, dass es Filme gibt, die reine Unterhaltung und natürlich von Wert sind, wir lieben Unterhaltungsfilme. Das ist es, was die meisten Filme sind, und wir lieben sie und wollen sie erhalten, aber Dokumentarfilme mögen wir auch. Ganz ehrlich, man muss Menschen etwas nahebringen, und ich hatte Menschen zu diesem Zeitpunkt etwas über die Restaurierung von Filmen beigebracht. Und wir mussten Menschen wieder und wieder etwas über Cinerama beibringen, um Cinerama zu erhalten.

Dave: Die American Society of Cinematographers machte unsere Namen zusätzlich bekannt. „Oh, Ihr arbeitet mit diesen Jungs zusammen?“. Sie steuerten zwar auch kein Geld bei, aber sie stellten Kontakte für uns her. Sie riefen Kodak an, machten alles Mögliche, weit über die Pflicht hinaus. Zwei Verrückte, die einen Dokumentarfilm machen. „Was braucht Ihr? Wie können wir helfen?“. Nun, das hört man natürlich sehr gerne am anderen Ende der Telefonleitung!

 
 
THa: Was war das größte Hindernis bei all dem?

Dave: Wenn man Filme restaurieren will und kein Filmrestaurator ist, gibt es immer das Problem: „Wie kriege ich das hin?“. Das kann auch ein Vorteil sein, weil ich nicht in einer konventionellen Denkweise gefangen bin nach dem Motto „Das ist das Verfahren, Dave, Du kannst das, das und das tun und es kostet 40.000 Dollar“. Man geht mit der Frage daran: „Wie geht das vor sich?“ und ruft alle möglichen Leute an und holt sich Anregungen. Ich wandte mich an den Typen, der alle meine Rechner für das Cutten einrichtet, und er sagte: „Oh, ich glaube, ich kann Dir dabei helfen“ und ergänzte: „Du musst dieses Programm bestellen und das Programm und das auch ausprobieren und so weiter und so fort“. Das waren keine Programme von der Stange und sie waren nicht wirklich für die Restaurierung gedacht, aber man kann sie dafür verwenden. Philip Hodgetts, der bei all unseren Shows in den Danksagungen genannt wird, sagte: „…aber Du kannst sie dafür nutzen“. Ich ließ mich also einfach darauf ein und hatte sie blindlings, irrsinnigerweise, wie auch immer, auf meinem System. Ich habe zu Hause einen High-End-Computer. Er kann praktisch alles. Also würde ich einige von diesen Programmen ausprobieren und viel experimentieren und einige Erfahrungen sammeln und ich fand heraus, dass sie das konnten, was die Großen der Branche konnten. Aber für viel, viel weniger Geld. Dass man einen Film wie „Windjammer“ nehmen und so aussehen lassen kann, wie er nun aussieht, für 17.000 Dollar. Das sollte ihnen peinlich sein.


THa: Irgendwelche Kommentare aus Produzentensicht?

Randy: Ich kann Ihnen sagen, dass die Restaurierung eines 3-Streifen-Films wie dieser vor einigen Jahren und bei großen Firmen wie etwa einem großen Hollywood-Studio über 1 Million Dollar pro Titel gekostet hätte. Nun ist der Dezimalpunkt um einige Stellen verschoben, so dass wir die Möglichkeit dazu haben, das umzusetzen. Wie bereits erwähnt, was wirklich geholfen hat war dieser Kostensprung in Bezug auf die Bezahlbarkeit des digitalen Scannens, was in „Dollar pro Bild“ abgerechnet wurde bis daraus „Bilder pro Dollar“ wurden.

Dave: Irgendwann einmal hieß es „So viel pro Fuß“ und nun heißt es „Wieviel pro Stunde?“. Aber es hilft, Leute zu haben, die begreifen. Sie müssen natürlich auch Geld verdienen, wie FotoKem, aber ich habe kein Gehalt berechnet, weil ich es in erster Linie gar nicht konnte – das gesamte Geld sollte in das Scannen fließen –meine Motivation war aber auch eher: „Ich habe dieses Projekt angefangen, wir haben so viele Restaurierungen gemacht, lass uns den Rest davon machen“. Alles, was wir tun mussten, war das Geld für das Scannen aufzutreiben und einige Festplatten zu kaufen. Der Rest war im Grunde genommen Gratisarbeit. So auch bei Randy und bei Tom March, der alle unsere DCPs erstellt und einen Teil der Restaurierung übernimmt. Und dann die Sachen, die ich mache, wissen Sie, was alles dazu dient, das Gesamtwerk zum Abschluss zu bringen. Warum sollte ich in Altersteilzeit aufhören und zwei Titel übrig lassen? Man könnte sie auch ebenso gut fertig stellen und das Kapitel dann vollständig abschließen. Natürlich bleibt „Gebrüder Grimm“ so noch für Warner Brothers übrig [lacht].

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THa: Was war die größte Überraschung bei all dieser Arbeit?

Dave: Die erfolgreiche Veröffentlichung von „Windjammer“. Und, dass die Hindernisse, mit denen wir bei „Die sieben Weltwunder“ [OT: „Seven Wonders of the World“] konfrontiert wurden, ziemlich dieselben waren. Genauso bei „Russian Adventure“, aber bei „Windjammer“ hatte es den Anschein, dass er nicht fertig würde. Ich meine, auf halber Strecke sagten wir uns: „Vielleicht sollten wir jetzt einfach aufhören“, weil es so viele Probleme gab, mit denen wir zu kämpfen hatten. Und dann, siehe da, einfach nur ein bisschen experimentieren, und wir konnten die grässlichen Flecken in allen Positiven entfernen, und dachten: „Wow! Man kann sie tatsächlich beseitigen?“. Es gab keine logische Erklärung dafür, wie es funktionierte. Es war einfach eine bestimmte Software, die bestimmte Dinge machte, und wenn man den Film dann erneut mit der anderen Software bearbeitet, erledigt sie das nächste Problem. Man kommt also an einen Punkt, wo man auf seinen Computer schaut und nicht glauben kann, was man sieht. „Kann er das tatsächlich?“ Ich frage mich, ob die Großen der Branche das wissen! [lacht]. Denn bei jedem restaurierten Film, den ich gesehen habe, jedenfalls fast alle von ihnen – sie sind sicher photochemisch – sehe ich nichts als Flimmern. Was das Flimmern angeht, bin ich nun empfindlich. Ich sehe mir einen restaurierten „Laurel und Hardy“ Kurzfilm oder einen anderen restaurierten Klassiker an und entdecke Verunreinigungen und Sonstiges. Und ich denke, wie kann man sowas als restauriert bezeichnen? Überarbeitet vielleicht, aber schauen Sie, es ist die einfachste Sache der Welt, dieses Flimmern zu beseitigen. Es dauert eine Stunde, um einen Teil der Rolle wiederzugeben, und am nächsten Morgen sieht er gut aus. „Warum haben sie nicht ....?“ Das frustriert mich immer wieder, weshalb es mir schwer fällt, mir andere restaurierte Filme anzuschauen. Nicht, dass ich der „Beste der Besten“ wäre, aber die Tatsache, dass SIE NICHT EINMAL DAS GETAN HABEN? Und sie hatten doch das Geld dafür! [lacht]

Randy: Die große Überraschung für mich war der immer noch vorhandene hohe Unterhaltungswert der Cinerama-Filme. Sie sind eine absolute Zeitkapsel, und das fasziniert die meisten. Und zwar sowohl Menschen aus der Zeit als auch solche, die in dieser Zeit noch gar nicht geboren waren. Die Realität wird perfekt eingefangen, und das auf mehr als nur eine Weise. Die Filme sind nicht nur echtes Widescreen-Drama, man sieht tatsächlich echte Menschen, so wie sie wirklich zu dieser Zeit gesprochen, gedacht und gehandelt haben. Ich finde, das ist ein faszinierendes Archiv der Filmgeschichte.

Dave: Die Filme sind tatsächlich in gewisser Weise ein Bildarchiv, weil sie nicht für jeden sind. In den 1950er und 1960er Jahren waren sie irgendwie für jeden, aber heute, mit den jungen Leuten und ihren Geräten und all dem Zeug, ist es, als wären sie nicht dazu in der Lage, damit umzugehen, außer wenn man einen Sinn für Geschichte hat. Man wächst auf eine bestimmte Art und Weise auf und erkennt, dass das die Zeit des eigenen Großvaters war und er das möglicherweise tun würde, wenn er auf dieses Boot in Cypress Gardens gegangen wäre oder so. Auf diese Weise habe ich als Kind stets Dinge angeschaut. Wissen Sie, ich wusste, dass manche Sachen faszinierend waren. „Oh, wir gehen in die Pyramiden hinunter oder machen etwas Archäologisches?“ Das war interessant für mich, ganz im Gegensatz zum einstürzenden Empire State Building mit einem dagegen haltenden Comic-Helden zum Beispiel.

Randy: Nun, wir müssen auch alle bedenken, dass Cinerama in einer Zeit aufkam, als die Menschen gerade eben genug Geld hatten, um sich ein bisschen privates Reisen in ihrem Leben leisten zu können. Vorher gab es keine privaten Reisen, und wenn man – selten – reiste, dann kaum mit dem Flugzeug, weshalb Luftaufnahmen absolut faszinierend waren. Für Menschen, die nie ihr häusliches Umfeld, ihre Heimatstadt, ihr Heimatland oder ihre Provinz oder so verlassen hatten, war der Rest der Welt absolut faszinierend. Es war wundervoll und fremd und anders – und Cinerama brachte einen an diese Orte und man konnte den Luxus einer Reise erfahren, wenn man sich diese Filme ansah.


THa: Was hat an all dieser Arbeit am meisten Spaß gemacht?

Randy: Es gab viele schöne Dinge. Aus finanzieller Sicht war es natürlich kein Spaß [Dave lacht]. Wir haben gar keine finanzielle Vergütung in irgendeiner Form erhalten. Ich bin mit diesen Filmen gereist, was eine süße Ironie ist, weil Cinerama ein weltweites Vermächtnis besaß. Es wird immer noch auf der ganzen Welt geliebt, wie gerade jetzt in Kopenhagen von den jüngeren Leuten, die Cinerama wahrscheinlich nicht mehr erlebt haben, aber sie können ihre Gemeinde, ihre Stadt, ihr Land, Sie wissen schon, sehen und besuchen, und zwar zu einer Zeit, als sich Cinerama in seiner Blütezeit befand. Also ja, dazu in der Lage zu sein, bereit zu sein und eingeladen werden, zu reisen, für Dave und mich hat sich das als eine wunderbare Sache herausgestellt, diese Filme im Rahmen von Vorführungen erleben zu können. Unseren Film näher zu erläutern, das Cinerama-Verfahren, den Überarbeitungsprozess, und über die Geschichte von Cinerama und von diesen Filmen quasi „on the road“ zu berichten. Eine weitere Sache, die mir persönlich Freude bereitet hat, ist, einige der noch lebenden Crewmitglieder – ob vom Produktions- oder Darstellerteam – zu treffen, oder, im Fall von „Windjammer“, die Segellehrer. Sie haben alle Hintergrundgeschichten zu diesen Filmen, manchmal die tollsten Erfahrungen, ob sie auf einem Segelschiff waren, ob sie mitgespielt haben oder nur in einer oder zwei Szenen dabei waren. Das waren oft einmalige Erlebnisse für sie und es ist faszinierend, diese Menschen zu treffen und ihren Geschichten zu lauschen.

Dave: Ich glaube, am meisten Spaß macht es mir, den Film zu zeigen und vielleicht, in meinem Fall, wenn viele Zuschauer ihn sehen und man spüren kann, dass sie „gefesselt“ sind. Bei meiner Arbeit als Cutter ist es mir genauso ergangen. Ich würde einen ganzen Stapel Filme machen und sie mit Publikum testen. Mit einem Netzwerk von vielleicht hundert Leuten, und man sieht seine eigene Arbeit durch die Augen der Anderen, sieht sie auf bestimmte Dinge reagieren und wird dazu gebracht, den Film mit mehr oder weniger neuen Augen zu betrachten. Es ist auch wie dein erstes Mal, weil man schließlich ein Feedback zu der monatelangen Arbeit erhält. Genauso mit der Restaurierung, die Spannung ist wohl am größten, wenn ich den Film bei mir zu Hause zeige und Leute wie den Leiter der Restaurierungsabteilung von Disney drüben einlade und noch ein paar andere, z. B. Freunde und Randy. Da ist eine eng vernetzte Gruppe – „Oh, Dave zeigt heute Abend was, lasst uns alle zu ihm gehen, er bestellt immer Pizza“ – und ich zeige ihnen den Film, weil sie in gewisser Weise das kritische Testpublikum sind. Und dann warten, ob sie den Teil bemerken, wo …. „Oh, gut, Du hast das Problem nicht erkannt“ oder „Oh, ich werde nochmal daran arbeiten und versuchen, es besser hinzubekommen“. Es ist also ein bisschen Feedback. Diese Momente machen mir Spaß.
 
 
THa: Wo haben Sie all die Negative und den Ton gefunden?

Dave: Nun, quasi auf der ganzen Welt. „Windjammer“ konnten wir nur deshalb so restaurieren, wie es uns gelungen ist, weil wir einen Haufen unbeschrifteter Kartons gefunden haben, als wir den alten Cinerama-Tresorraum im Norden Hollywoods durchsucht haben. Wir fanden diesen Karton und ich öffnete ihn und es sah aus wie eine Szene aus „Windjammer“ auf Able-Panel oder Charlie-Panel, aber in Farbe. Weil ein Interpositiv tatsächlich ein Positivbild ist, selbst auf Negativfilmmaterial, sozusagen. Also sagte ich: „Warte eine Minute, wo kam das her?“ Und dann mussten wir all das Zeug inventarisieren. Also lange bevor man mit dem Scannen beginnt, inventarisiert man alles, was man hat, um zu sehen, ob man einen kompletten Film zusammen bekommt. Und wenn man keinen kompletten Film hat, kann man in die Kongressbibliothek gehen, die wir durch Larry Smith von New Neon Movies kannten, der heute dort arbeitet. Er sagte: „Wir haben die 3-Streifen-Kopie, die rosa ist, ihr könnt also darauf zurückgreifen“. Der Negativfilm ist nicht immer gut und nicht alles ist vorhanden. Er ist immer in einem schrecklichen Zustand, Rollen, die hier fehlen, etwas fehlt da und etwas fehlt dort, weil er eben im Laufe der Jahre nicht gut behandelt wurde. Er befand sich nicht in einem Studio-Tresorraum, wo man vielleicht ein Verzeichnis geführt hätte, obwohl es auch in Studio-Tresorräumen Probleme gibt, wie bei „Gebrüder Grimm“. Niemand weiß so richtig, was mit den Negativen von „Grimm“ passiert ist. Ein Untersuchungsbericht von 1994 wies auf schwere Wasserschäden und Schimmel auf vielen Rollen hin. Rätselhaft ist, wie dies im Tresorraum eines großen Studios passieren konnte? Aber es wird ein Puzzlespiel, alle Aufnahmen aneinander zu reihen. Man muss jeden einzelnen Schnitt im Film inventarisieren, wie die Beschreibung lautet: der Segler geht von links nach rechts und sie gehen an Bord des Schiffes. Man lässt all die Sachen nummerieren. Deshalb gibt es in „Windjammer“ 437 Schnitte, mal 3. Und man muss alles inventarisieren und riesige Tabellen davon anlegen – wo bekomme ich diese Aufnahme? Weil diese die fehlende Szene hat? Oder sie schneiden die Szene in Hälften. Das kann kompliziert werden.

Dann machen sie es sogar noch schlimmer: bei „Windjammer“ wurde die 1-Streifen-Version erstellt, ähnlich wie bei „Die sieben Weltwunder“, und zwar auf Basis dieses Interpositivs. Sie schnitten vom Baker-Panel auf das Able-Panel und zurück über das C-Panel. Weil sie aus einer Quelle mit 6 Perforationslöchern eine Version mit 4 Perforationslöchern machten, muss man aus dem Rahmen schneiden. Also verliert man den oberen bzw. unteren Bildrand. Nun muss man ihn also durch etwas ersetzen! Es war ein totales Durcheinander, mehr noch als ein Puzzlespiel, da die Seiten von 3 unterschiedlichen Elementen stammten. Und wo auch immer etwas fehlte würde man als allerletzte Lösung auf den alten Transfer zurückgreifen. Was zwischen dem Korn und der seltsamen Farbe natürlich wie Tag und Nacht gewirkt hätte. Doch es kam nicht dazu, alle Elemente waren vorhanden und stammten von Material mit 6 Perforationslöchern. Ob die verblasste und wieder eingefärbte Kopie der Kongressbibliothek oder das Interpositiv mit all den von uns entfernten Flecken oder das Original-Negativ. Die gesamte See-Sequenz stammt vom originalen Negativfilm. Denn die andere Sache bei 3-Streifen-Filmmaterial ist, dass es länger hält, wenn bei hellem Tageslicht gedreht wird, als wenn der Dreh in der Dämmerung stattfindet. Das Material fängt eher an, zu verfallen. Ich weiß nicht, warum, es gibt möglicherweise eine Erklärung dafür, aber ich muss sie nicht kennen, es ist einfach so. Also konnten wir die gesamte See-Sequenz vom Negativ nehmen, was dann mehr Arbeit machen würde, da es stärker verschlissen war, mehr verunreinigt, häufiger benutzt. Wie viele bereits wissen, wurde jede einzelne Kopie der Cinerama- oder Cinemiracle-Filme, die an die Kinos ging, auf Basis des Original-Negativs erstellt. Wenn sie also 300 Kopien von „Die sieben Weltwunder“ anfertigten, wurden diese alle von diesem einen Original-Negativ gezogen, weshalb es mehr Verschleiß gibt. Und das muss man dann bereinigen. Sie wollten eben auf allen Leinwänden Kopien der ersten Generation.

 
 
THa: Wurden keine Masterkopien zur Sicherung angefertigt?

Dave: Von den Cinerama-Reisefilmen wurden YCM-Master erstellt, aber sie wurden zu einem Zeitpunkt erstellt – ich glaube, es war Mitte oder Ende der1950er Jahre – als YCMs wertlos waren, wenn man es nicht richtig machte. Leon Briggs sagte, einige stammten aus einem Jahr, in dem YCMs korrekt angefertigt wurden, weil „Joe Blow“ dafür verantwortlich war, später übernahm die Arbeit jedoch gelegentlich sein Assistent, der weniger gut war. Also standen sie möglicherweise mit zwei Able-Panels und nicht genügend C-Panels da, und eines davon auch noch in Schwarz-Weiß. Also hat man schließlich neun Filmteile, die ein einziges Cinerama-Bild ergeben. Und das sind neun Dinge, die schief laufen können, wenn man YCM-Master verwendet. Aber es war deren Politik, wie auch bei den Studios, von allem YCMs als Sicherung für später anzufertigen. Auch so bei Cinerama. Von „Windjammer“ wurden allerdings keine YCMs erstellt.


THa: In welchem Zustand waren die Negative und die Sound-Elemente?

Dave: Bei den Sound-Elementen handelte es sich um komplett verzogene Magnetfilme, 7 Kanäle auf einer riesigen Spule, genau wie die Verleihkopien. 1999, als Gunther Jung noch dabei war, ließen wir sie von Chace Audio backen und auf 24 Spuren übertragen, die dann später ins Digitale übertragen werden mussten. Das war also die Konservierung. Das war unsere erste Konservierung. „Windjammer“ hatten sie nicht oder er war zu stark verzogen, um ihn zu verwenden. Also stellte John Mitchell [Sydney, Australien] den Soundtrack von „Windjammer“ zur Verfügung, um ihn auf die 7 Kanäle aufzusplitten. Später würde diese dann hoffentlich jemand restaurieren und man hätte nützliches Material in den Tresorräumen. So kamen wir an die Soundtracks, ein bisschen eine Reise um die Welt.

Randy: Auf vielen Filmdosen befanden sich Aufkleber mit der Aufschrift „rückwärts abspielen“ oder „umgekehrt abspielen“. Solche Aufkleber kleben Labore auf häufig abgespieltes Filmmaterial, Filmelemente, die so oft durch einen Drucker gelaufen sind, dass viele der Führungslöcher auf der Antriebsseite des Films ausgebrochen sind. Nun, „rückwärts abspielen“ heißt, dass man den Film umdreht und vom Ende zum Anfang geht, d. h. er läuft anders herum durch die Maschine. Das Problem mit dem Cinerama-Material war, dass viele eben dieser Elemente auf der „Rückseite“ des Films genauso beschädigte Führungslöcher hatten. Zusätzlich dazu, dass sie extrem verblasst und geschrumpft waren, litten sie am Essigsäuresyndrom, sie hatten wellige Kanten, waren gekräuselt, wiesen Speichenbildung auf, hatten alte Beschichtungen gegen Kratzer, die Dave entfernen musste, und die Perforationslöcher waren stark abgenutzt! Diese Elemente würden Filmarchivare wie ich tatsächlich als „Schrott“ bezeichnen. Ich möchte hinzufügen, dass die Cinerama-Filmothek, die meiste Zeit über in einem Tresorraum gelagert wurde, der nur entsprechend den zu der damaligen Zeit und vor ANSI gültigen Standards für die Lagerung von Filmmaterial gebaut wurde. Leider kein Vergleich mit PRO-TEK Vaults, wo ich heute arbeite. Temperatur und Feuchtigkeit lagen nicht innerhalb der heute geltenden Grenzbereiche und die Cinerama-Filme haben deshalb gelitten.
 
 
THa: Was ist der größte Fund, den Sie je im Archiv gemacht haben?

Dave: Da gibt es zwei Sachen. Erstens das Interpositiv von „Windjammer“, das wir gefunden haben, und dann “Tale of Old Whiff”, ein Cartoon, der sich in einem unbeschrifteten Karton befand. Wenn man sowas vor hat, sollte man wohl beim Betreten der Tresorräume zuerst all die Kartons öffnen, die kein Etikett haben [lacht], was wir gemacht haben. „Oh, hier ist ‚Die sieben Weltwunder‘, lass uns den herausziehen“. Ja, all diese Kartons zu öffnen, weil man nie weiß, was man darin finden wird. Wie die Schachtel Pralinen aus Forrest Gump: „Man weiß nie, was man kriegt“.


THa: Wo wandern all diese Elemente hin, wenn diese Arbeit beendet ist?

Dave: Alles, was ich abgeschlossen habe, wird bei FotoKem verwahrt, weil die Sachen alle schließlich in das Academy Film Archive gehen sollten, also gekühlt gelagert werden. Alles, was ich bearbeitet habe, mussten sie solange behalten, bis ich komplett durch war. Also musste ich der Academy Bescheid geben, wenn sie einen bestimmten Film oder eine bestimmte Ladung Dosen abholen konnten, weil ich nun endgültig damit fertig war. So lief das dort immer ab.

Randy: Ich glaube, das Allerwichtigste war unsere Wiederentdeckung von „Tale of Old Whiff“, denn der Film galt tatsächlich als verschollen. Er war selbst für Cinerama verloren. Wir sind nicht sicher, ob Cinerama überhaupt den Film verwertet hat, nachdem er in ihren Besitz übergegangen ist. Und es war der erste animierte 70mm-Cartoon in Farbe, der ursprünglich in "Smell-O-Vision" gezeigt wurde, er hatte also eine Menge Neuheiten zu bieten.


THa: Haben Sie einen Negativ- oder einen Positivfilm gefunden? Und was war mit dem Sound und all dem?

Randy: Sie fanden einen Positivfilm und er war verblasst, aber Dave konnte die Farbe herausholen. Und woher stammte der Sound davon?

Dave: Er war auf der Kopie. Auf der Kopie war normaler 70 mm-Magnetton mit 6 Kanälen.


THa: Wie kamen all diese Arbeiten in der Branche an?

Randy: Ich bin Filmarchivar und ich denke, andere Filmarchivare müssten ein bisschen Ehrfurcht vor unserer Leistung haben. Ich glaube, vielen ist der Kostenunterschied und der Preis, den wir für das Ergebnis gezahlt haben, bewusst. Ich denke, im Studiobereich ist man für diesen Ansatz möglicherweise weniger empfänglich. Studios haben eine gewisse interne Infrastruktur, die nach einem etwas anderen Prinzip funktioniert und viel Geld verschlingt. Und, ich weiß nicht, ich möchte es irgendwie glauben, eines Tages, vielleicht eher früher als später, werden die Studios erkennen, dass es möglicherweise einen anderen, weniger kostenintensiven Weg gibt, um so etwas zu machen.

Dave: Bevor ich vor ein paar Jahren in Altersteilzeit gegangen bin, dachte ich immer: „Hey, wenn Du das an Deinem Computer zu Hause machen kannst, was ist mit all den Filmen, die für das Studio nicht so wichtig sind?“. Wann werden sie sie an Menschen in privaten Werkstätten herausgeben, die Computer haben, die wenigstens eine 2K-Version von etwas anfertigen können? Mehr braucht man wirklich nicht für einen 1:1,33 1-Film, was mich betrifft. Und das genügt sogar für Kinovorführungen, solange es kein IMAX ist. Oder die Filme wenigstens erhalten, mithilfe derselben Software, die ich verwende, so kann man eine ganze Menge bearbeiten. Ja, liebe Studios, kümmert euch um euer „Vom Winde verweht“, um eure „Mary Poppins“, und wendet die Zeit, das Geld und die Mühe auf. Aber all die kleinen Sachen, die ihr niemals in Angriff nehmen könnt, könnt ihr immer noch für ganz kleines Geld in Auftrag geben.

 
 
Dave Strohmaier presenting the European premiere of the restored "The Wonderful World of the Brothers Grimm" at the Schauburg Cinerama, in Karlsruhe 3. October 2022. Picture: Thomas Hauerslev


THa: Welche Rückmeldungen haben Sie von den Fans erhalten?

Dave: Stets nur positive. Wir führen Cinerama regelmäßig im Dome auf und die Fans würden aus ihren Löchern kommen und zuschauen. Aber man muss so etwas wirklich sehr frühzeitig veröffentlichen, damit die Leute kommen. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie oft wir etwas im Dome oder anderswo gezeigt haben, und zwei Tage später ruft mich jemand an und sagt zur mir: „Was war los im Dome? Mir hat niemand davon erzählt.“ Und ich sage: „Wo warst Du?“ – „Oh, ich musste an dem Abend meinen Fahrradreifen reparieren.“ Also ich denke, man kann den Fahrradreifen sausen lassen, sich auf den Weg machen und „Das war der Wilde Westen“ anschauen.

Randy: Wissen Sie, Fans werden die Filme immer zu schätzen wissen. Den Bonus, den sie bekommen – ich folgere jetzt aus der Sicht eines Cinerama-Fans – ist, dass ihnen die Filme so lange vorenthalten wurden und sie nun quasi eine Diät beenden können. Endlich kann man wieder eine Pizza essen und sie lieben es. Und nicht nur das, man kann sogar seine eigene DVD- oder Blu-Ray-Version kaufen. Also ist es heute eine doppelte Freude, ein Cinerama-Fan zu sein.

Dave: Viele Leute haben mir außerdem erzählt, dass sie zwei Dinge tun. Jeder schafft sich heute ein Heimkino an, mit größeren Bildschirmen und all solchem Zeug. Man liegt direkt vor der Bildwand oder dem Fernsehbildschirm, stellt den Ton lauter und tut so, als sei man im Kino, was man mit unseren Shows machen kann, weil wir Vorhänge und all das haben. Es ist eines dieser Dinge, die man nun zu Hause erleben darf. Und dann kann man auch noch seinen 3D-Schalter anknipsen und Cinerama in „3D“ sehen. Manche Leute fragten: „Oh, hast Du ihn schon in 3D gesehen?“. Also besuchte ich einen Freund zu Hause und wir schalteten auf 3D und MAN BEKOMMT 3D! Es ist kein echtes 3D und man benötigt eine Brille und all das Zeug, aber man sieht eher eine gekrümmte Bildwand, man holt noch einen kleinen zusätzlichen Kick raus glaube ich. Sie sind einfach nur verblüfft. Als hätten wir es so geplant. Aber das taten wir nicht – es war reiner Zufall.


THa: Wie denken Sie, kommt dies zu einem Ende, und was können wir in der Zukunft erwarten – wie „Das goldene Haupt“ und „Gebrüder Grimm“?

Dave: „Das goldene Haupt“ war eine einfache Restaurierung, da die Negative kaum im Einsatz gewesen waren. Die einzige Komplikation bestand in den zwei Negativformaten, 65 mm und größtenteils Technirama. Ich glaube, die Arbeit ist im Wesentlichen beendet und nun geht es darum, die Filme zu zeigen und so. Ich denke, wir haben gute Vorarbeit geleistet. Keiner dieser Filme ist so restauriert, dass ich es als perfekt bezeichnen würde, es gibt Teile, in denen die Farben ein bisschen merkwürdig sind, man kann Hauttöne nie über 3 Streifen gleich hinbekommen. Man muss sich um den Himmel und die großen Elemente wie Gras und sowas kümmern, aber ich würde sagen, es ist so, dass wenn jemand in der Zukunft diese Masterdateien nehmen möchte – wir haben die Masterdateien über eine Firma namens Digital Bedrock konserviert, die diese im Laufe der Jahre migrieren [=konservieren] wird – und vielleicht mit einer neueren Software Dinge hinbekommen, die uns nicht gelungen sind. Ein paar merkwürdige Farben, die hier und da noch zu finden sind. Also ist das Ganze möglicherweise noch nicht vorbei und vielleicht werde ich derjenige sein, der es macht, aber dann muss es eine Nachfrage nach diesen Filmen und diesen Dingen geben. Also denke ich, wir haben alles getan, was wir im Moment tun können. „Das goldene Haupt“ wird irgendwann 2019 herauskommen, er wurde vor 4-5 Jahre restauriert, also vor langer Zeit abgeschlossen. Das war die einfachste Restaurierung der Welt. Er war in einem hervorragenden Zustand und hatte all seine Farben. Übrig bleibt nur noch „Gebrüder Grimm“, der ein totales Durcheinander ist; man weiß das bei Warner Brothers, und das ist vielleicht der Grund, warum man ihn nicht in Angriff nehmen will. Ich bin nicht sicher, ob ich ihnen einen Vorwurf mache.

Nach der Restaurierung von „Windjammer“ dachte ich, dass wenn Tom und ich da lebend durchgekommen sind, könnten wir auch einen weiteren unmöglichen Job wie „Gebrüder Grimm“ schaffen, also drängte ich Jim Vandever von Cinerama, mit Steven Anastasi bei Warners Kontakt aufzunehmen bezüglich einer Kooperation bei diesem Respekt einflößenden „Grimm-Projekt“. Bei einem gemeinsamen Mittagessen im Studio erzählte ich ihnen, was unser Budget für „Windjammer“ war, und die Jungs von Warner Brothers waren fassungslos, wie niedrig es war. Ich antwortete ihnen, dass es keine Studio-Fixkosten gab, die zu bewältigen waren. Dann gab ich ihnen eine Kopie der 15-minütigen Dokumentation über die Restaurierung von „Windjammer“ und der Rest ist Geschichte. Sie nahmen zwei Wochen später mit mir bezüglich der Leitung des Projekts Kontakt auf. Ich erklärte mich einverstanden, mit der Maßgabe, dass ich mein eigener Chef wäre, nichts mit der Studiopolitik zu tun hätte, keine Frist bekäme, es auf meine eigene Weise in 4K machen könnte und wir am Ende des Films in den Danksagungen als Restauratoren genannt würden. Wir hatten das Glück, dass die meisten Kritiker dies als die beste Restaurierung bezeichneten, die sie je gesehen hätten. Später bekam ich sogar eine E-Mail von der Motion-Picture-Imaging-Abteilung bei Warner Brothers, die für das Scannen verantwortlich war (ich habe sie in den Danksagungen am Ende genannt), und man teilte mir mit, dass man von der Bildqualität, Farbe und Schärfe absolut begeistert sei. Ich sagte, das sei der meisterhaften Scanarbeit ihrerseits zu verdanken, die dazu beigetragen habe, all das möglich zu machen.

Randy: Zu sehen, wie es Dave gelang, das legendäre Widescreen-Filmarchiv eines gesamten Unternehmens aus der Vergessenheit zu holen, und wie ich diese neu überarbeiteten Versionen im Namen der Cinerama Inc. wieder urheberrechtlich schützen konnte, war die größte Belohnung für unsere Mühen. Wir haben diese Titel noch einmal rentabel gemacht. Ich glaube, wir sind vielleicht am Ende unseres Prozesses angelangt, weil wir das Archiv vervollständigt haben, aber was ich gerne sehen würde, sind viele der restlichen Filme, die auf der großen gekrümmten Bildwand „in Cinerama präsentiert“ wurden. Sie sind möglicherweise nur in Ultra Panavision, aber viele von ihnen könnten überarbeitet und als SmileBox-Version veröffentlicht werden und anschließend noch einmal ein neues Publikum gewinnen. Ich denke, zu diesem Werk gehören eine ganze Reihe vergessener Filme – einer, der mich am meisten interessiert, ist “La Fayette”, ein französischer Film von 1962, der damals einer der teuersten und aufwändigsten Filme war, die je in Frankreich gedreht wurden, und der in Europa „in Cinerama“ auf gekrümmten Bildwänden gezeigt wurde. Das ist nur ein Beispiel von vielen Filmen, die meiner Meinung nach in Angriff genommen und wiederentdeckt werden sollten.
 
 
   
   
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Updated 28-07-24