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Todd-AO - Wie alles begann |
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Autor: Brian O'Brien jun., American Optical Company.
Brian O'Brien jun. war während der Entstehungszeit des Todd-AO-Prozesses von
1953 - 1957 bei der American Optical Company beschäftigt. Er war allgemein
für die Gestaltung und Entwicklung von Filmausrüstung zuständig. German
version of
Todd-AO How It All Began by
Schauburg Cinerama, 2005 |
Date:
02.07.2017 |
Hintergründe des Todd-AO-Prozesses
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After
three years of research, development and production, the first film in Todd-AO opened
on Broadway. Picture by Don Whitney
Um den Todd-AO-Prozess und die Hintergründe verstehen zu können, muss ich
auf eine „uralte Geschichte“ zurückgreifen. Ein Mann namens
Fred Waller war der Meinung, dass Filme für die Zuschauer wesentlich realistischer würden,
wenn man einen echten Weitwinkelfilm drehen und vorführen könnte. Und
natürlich hatte er vollkommen recht. Wenn Sie z. B. eine Kavallerie mit
Pferden, die auf Sie zukommt und an Ihnen vorbeigaloppiert, mit
konventionellen Objektiven mit einem kleineren Bildwinkel filmen (wie es
auch bei CinemaScope der Fall ist), erfasst die Kamera die Pferde zu keinem
Zeitpunkt von der Seite. Wenn diese Aufnahmen dann auf eine Leinwand
projiziert werden - auch wenn es sich um eine breite, gekrümmte Leinwand
handelt, die das Publikum umgibt - dann verschwinden die Pferde von der
Leinwand und schauen Sie alle an, während sie zur Seite galoppieren. Dieser
Effekt ist zwar kaum wahrnehmbar, aber die Tatsache, dass man die Objekte
nie in der Seitenansicht sieht, zerstört den „Anwesenheitseffekt“ - das
Gefühl, einfach mitten im Geschehen zu sein.
Der Ansatz von Fred Waller, um echte Weitwinkelaufnahmen dieser Art zu
erhalten, beinhaltete - wie sollte es anders sein - den Einsatz von
insgesamt drei Kameras, die nach vorne und zu den Seiten ausgerichtet sind
und deren Bildfelder sich knapp überschneiden. Als diese Aufnahmen
anschließend von Projektionskabinen im Orchestergraben auf eine stark
gekrümmte Leinwand projiziert wurden, blieb der Weitwinkel erhalten und der
„Anwesenheitseffekt“ war sehr eindrucksvoll. Es gab jedoch offensichtliche
technische Probleme. Die Stoßlinien zwischen den projizierten Bildern
verstärkten die unterschiedliche vertikale und horizontale Verschiebung der
Einzelbilder („Jump & Weave“) durch die verschiedenen Projektoren. Dieser
Effekt konnte teilweise verborgen werden, indem am Rand des
Projektor-Bildfensters ein vibrierender Blechstreifen (ein sogenannter
„Gigolo“) installiert wurde, der das Bild ausreichend verwischte, so dass
die Bewegung weniger deutlich zu erkennen war. Hinzu kam, dass die
Farbkorrektur der drei Filme mit hohen Zusatzkosten verbunden war. Man
begann dabei mit der Kopie für die linke Leinwand und musste nicht selten
ganze 150 Kopien für die rechte Leinwand anfertigen, bevor eine
zufriedenstellende Farbkorrektur erreicht wurde.
Zum Freundeskreis von Waller gehörten der Nachrichtensprecher Lowell Thomas,
Buzz Reeves von Reeves Soundcraft und Michael Todd. Mike Todd war eine
schillernde Persönlichkeit. Er hatte im Laufe vieler Jahre alle möglichen
Jobs, vom Jahrmarktschreier bis zum erfolgreichen Broadway-Produzenten. Sein
finanzieller Erfolg unterlag - gelinde gesagt - ständigen Schwankungen, doch
sein Motto lautete: „Ich bin zwar oft pleite, aber niemals arm“. Dabei
bewegten sich seine Ausgaben stets auf einem mehr oder weniger
gleichbleibenden Niveau, ob er nun Geld hatte oder nicht. Als er mit
Cinerama in Kontakt kam, schuldete er dem Finanzamt und anderen Gläubigern
insgesamt mehr als eine Million Dollar. Daher hielten seine Geschäftspartner
bei Cinerama die Hände über seine Cinerama-Anteile, mit der Zusage, dass er
sie bekommen könne, sobald er schuldenfrei sei. Bei seinem Ruf unter
Wall-Street-Bankern als Finanzhasardeur dachten seine Partner, es würde ihm
nie gelingen, das Geld aufzutreiben. Also verkauften Sie - als „ehrliche“
Geschäftsmänner, die sie waren - die Anteile von Mike Todd, ohne ihm
irgendetwas davon zu erzählen. Sie hatten jedoch zu ihrem Leidwesen nicht
mit Mikes großem und wohlhabendem Freundeskreis gerechnet. Er brachte das
Geld zusammen, beglich seine Schulden und machte sich daran, seine Cinerama-Anteile
einzusammeln, die sie verkauft hatten. Nun, um es kurz zu machen: er hätte
sie allesamt ins Gefängnis bringen können und so zahlten sie ihn großzügig
aus. Auf diese Weise bekam er das Startgeld für sein nächstes Projekt
zusammen.
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More in 70mm reading:
Todd-AO How It All Began
Brian O'Brien, Jr. tracks American
Optical Co's development of the Todd-AO process
in70mm.com Presents: You are in
the Show with Todd-AO
in70mm.com auf Deutsch
Internet link: |
Mike Todd am Apparat
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Dr
Brian O'Brien (with newspaper), Brian O'Brien Jr. (to the right) and two
people from the Rivoli, reads "Oklahoma!" reviews in the foyer. Picture from
Optical Heritage Museum.
1952 arbeitete ich im Forschungslabor des Verbandes der amerikanischen
Zeitungsverleger in Pennsylvania. Eines Abends bekam ich einen Anruf von
einem Kollegen namens Warren Millais, der kurze Zeit für das Labor
gearbeitet hatte. Er sagte, Mike Todd wolle mit meinem Vater sprechen, und
fragte, wie man ihn erreichen könne. Zu diesem Zeitpunkt war mein Vater
Direktor des Institute of Optics der Universität Rochester. Das Institut
wurde 1930 von ihm gegründet, er erklärte sich jedoch damit einverstanden,
als stellvertretender Forschungsleiter für die American Optical Company
tätig zu werden; dies wurde allerdings geheim gehalten, solange die
Universität eine Spendenkampagne durchführte.
Mein Vater war ein Universitätsprofessor, der sich nicht für das
Showbusiness interessierte, und hatte noch nie von Mike Todd gehört (eine
Tatsache, die Mike ihm während ihrer ganzen langjährigen Freundschaft -
glaube ich - nie richtig verziehen hat). Als Mike ihn also eines Abends spät
anrief und sagte, er wolle sich mit ihm treffen, war mein Vater
verständlicherweise eher zurückhaltend. Sie verabredeten sich für ein paar
Tage später in einer Bar gegenüber dem Flughafen von Rochester. Mein Vater
nahm einen seiner Studenten, Walter Siegmund, als Zeugen mit. Mike reiste
mit einem Charterflugzeug an und man setzte sich zum Gespräch zusammen. Mike
fragte, ob sich mein Vater mit Cinerama auskenne. Das war nicht der Fall und
so erklärte Mike das Verfahren und fasste anschließend seine Forderungen in
Worte: „Was ich will ist Cinerama aus einem Loch. Kriegen Sie das hin?“
Nach kurzem Überlegen antwortete mein Vater, dass das eventuell möglich sei.
Mike sagte: „Super! Ich möchte Sie als Berater für dieses Projekt engagieren“.
„Halt, langsam“, sagte mein Vater, „das kann nicht eine Person alleine
realisieren. Dafür braucht man die Ressourcen eines großen Unternehmens, und
die drei in diesem Land, die dazu in der Lage wären, sind Eastman Kodak,
Bausch & Lomb und American Optical“. Nach seinen Erfahrungen mit der
Finanzwelt war Mike gegenüber Großkonzernen äußerst misstrauisch eingestellt
und wollte nichts mit ihnen zu tun haben. Und so ging man nach einigen
weiteren Wortwechseln auseinander.
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„Lassen Sie uns übers Geschäft reden“
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Mike rief meinen Vater drei Wochen lang jeden Abend an, meistens nach 22 Uhr,
und versuchte, ihn davon zu überzeugen, sich der Aufgabe persönlich
anzunehmen (Mikes Anrufe gingen immer von seiner Zentrale in New York ein,
auch wenn sich Mike in Belgrad oder Los Angeles aufhielt). Eines Abends
sagte er schließlich: „In Ordnung, Doktor, ich gebe auf. Ich habe mir die
Firmen angeschaut, die Sie genannt haben, und American Optical scheint die
beste Lösung zu sein. Was soll ich jetzt tun?“ „Gut“, sagte mein Vater, „ich
treffe mich nächsten Dienstag mit Walter Stewart, dem Präsidenten von AO
[American Optical], zum Mittagessen. Kommen Sie doch einfach nach
Southbridge und essen Sie mit uns!“ „Ich werde dort sein“, sagte Mike und
legte auf. Am darauffolgenden Dienstag erschien Mike in Southbridge (der
Hauptsitz von AO). Mein Vater stellte ihn Walter vor; daraufhin knallte Mike
auf Walters Schreibtisch einen bestätigten Scheck über $ 60.000 und sagte: „Lassen
Sie uns übers Geschäft reden!“ Und so fing alles an.
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Unternehmensgründung
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VIPs
at American Optical. In the middle Mike Todd talking with Fred Zinneman, and
Dr. Brian O'Brien talking to Oscar Hammerstein to the right. Picture from
Optical Heritage Museum.
Nach Mikes Treffen mit Walter Stewart folgte eine Zeit der
Unternehmensgründungen und Vertragsabschlüsse. Mike hatte eine Gruppe von
Leuten unter dem Namen Magna Pictures zusammengebracht; dazu gehörten er
selbst, George Skouras (der jüngste der drei Skouras-Brüder), Lee Shubert (Direktor
der Shubert-Theaterkette) und Joe Schenck, pensionierter Gründer* von
Paramount und einer der Altmeister Hollywoods. Magna sollte die Filme in dem
neuen Verfahren produzieren. Anschließend wurde ein Joint Venture zwischen
Magna und American Optical gegründet, in dessen Rahmen das Verfahren
entwickelt, die Filmausrüstung hergestellt und verliehen sowie die
Kinoausstattung vertrieben werden sollte. Mike wollte den Namen dieses neu
gegründeten Unternehmens mit O Brien ergänzen, aber mein Vater war dagegen.
Da das gesamte Konzept von Mike stammte und die Umsetzung durch A. O.
erfolgen sollte, einigte man sich auf den Doppelnamen Todd-AO.
Das war der Zeitpunkt, als ich dazu kam. Zuerst wollte Mike, dass ich für
ihn arbeite, aber Walter Stewart überzeugte mich davon, dass ich mit meinem
technischen Hintergrund bei A. O. mehr von Nutzen wäre. Ich war für die
Entwicklung der Filmausrüstung (im Gegensatz zur Kinoausstattung) zuständig,
und mein Vater, der als stellvertretender Leiter der Forschungsabteilung bei
A. O. anfing, war natürlich für das gesamte Entwicklungsprojekt
verantwortlich.
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35 mm sind einfach nicht genug
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The
Todd-AO projector made in Holland by the Philips company. Here as a
prototype, on a trolley, installed in Southbridge, in the American Optical
Research Center's half-scale Todd-AO cinema. Picture from Optical Heritage
Museum.
Es war von Anfang an klar, dass der Standard-35 mm-Film einfach nicht
genügen würde, um so etwas wie eine Cinerama-Leinwand zu füllen. In erster
Linie würde die notwendige Vergrößerung mit den damaligen (und sogar
heutigen) Fotoemulsionen zu einem sehr unscharfen und körnigen Bild führen.
Darüber hinaus könnte man nicht genug Lichtenergie durch dieses kleine Loch
zwängen, um ein ausreichend helles Bild auf die Leinwand zu projizieren. Und
weil die Leinwand etwa doppelt so groß wie eine normale Kinoleinwand sein
würde, wäre auch ungefähr das Doppelte des üblichen Filmformats notwendig.
Dies würde eine Vergrößerung im Kino erlauben, die der damals üblichen sehr
nahe käme. Das doppelte Filmformat würde ein viermal so großes Bildfenster
liefern, so dass auch die vierfache Lichtmenge durch das Bildfenster strömen
würde.
Seit vielen Jahren hatte man immer mal wieder ein größeres Filmformat
getestet, mit mehr oder weniger Erfolg. Ich glaube, die ersten Vorführungen
von „Wings“ in den 1930er Jahren erfolgten auf 70 mm mit
Ernemann-Projektoren und auch andere hatten es versucht. Viele dieser
Versuche hatten ein gemeinsames Problem: der Großformat-Film lief nicht
gleichmäßig am Bildfenster vorbei. Dieser Effekt wurde noch verstärkt, wenn
man versuchte, einen starken Lichtstrom durch das Bildfenster zu zwängen,
wodurch die Temperatur weiter anstieg und sich der Film noch stärker
ausdehnte. Mein Vater und ich grübelten eines Tages in seinem Büro über
dieses Problem und mir kam in den Sinn, dass die Tragflächen eines
Monocoque-Flugzeuges versteift werden, indem das Blech gekrümmt wird.
Mithilfe einer Reihe von Kurvenlinealen (mit einem sehr großen Radius)
brachten wir ein Stück Film in eine gekrümmte Form und er wurde tatsächlich
steif und formbeständig. Wie Sie sicher bemerkt haben, weist das Bildfenster
eines Norelco AA11/DP70 eine leichte Krümmung auf, wobei der Film durch
flexible Stahlbänder fixiert wird. Nun fragen Sie sich möglicherweise, wie
die Schärfe bei einem gekrümmten Film über das gesamte Feld aufrecht
erhalten werden kann. Nun, es ist sehr einfach, ein Objektiv mit einem nach
innen gewölbten Feld zu konstruieren (tatsächlich stellt die Herstellung
flacher Objektive eines der Hauptprobleme der Objektiventwickler dar).
Dieses gewölbte Feld ist natürlich fast sphärisch und nicht zylindrisch wie
der gekrümmte Film. Die Krümmung des Films konnte jedoch so schwach sein,
dass ein sphärisches Feld in einer geringen Entfernung zu diesem Zylinder
montiert werden konnte, wodurch das Problem der Gleichlaufstörung gelöst
wurde. Aber ich greife der Geschichte vor.
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„Anwesenheitseffekt“
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Das offensichtlich nächste Problem waren die Kameras für die Aufnahme eines
großformatigen Films und ein Objektiv für den echten weiten Kamerawinkel.
Bei anderen Versuchen wie CinemaScope projizierte man den Film auf eine
breite Leinwand, die Kamera erfasste jedoch nur einen Winkel von maximal 88
Grad. Dadurch ging der Anwesenheitseffekt für die Zuschauer komplett
verloren. Stellen Sie sich bildlich vor, auf der vollen Breite der Leinwand
kommt eine Kavallerie Pferde auf Sie zu und galoppiert an Ihnen vorbei. Wenn
die Kamera nur einen kleinen Winkel erfasst hat, wurden die Pferde
ausschließlich von vorne gefilmt, so dass sie die Leinwand seitlich
galoppierend verlassen und die Zuschauer dabei anschauen würden, da die
Kamera sie zu keinem Zeitpunkt von der Seite gefilmt hat. Dieser Effekt ist
relativ schwach und wird möglicherweise nicht sofort wahrgenommen, aber das
Gefühl, mitten im Geschehen zu sein, geht verloren. Einen perfekten
Vergleich lieferte außerdem eine Flugzeuglandung auf dem Flughafen Kansas
City, die zuerst in Cinerama (wobei es sich, trotz aller Mängel, um ein
echtes Weitwinkelverfahren handelte) und dann in CinemaScope („Wie angelt
man sich einen Millionär?“ mit einer Landung auf exakt derselben Landebahn)
gefilmt wurde. In Cinerama fühlen Sie genau, wie das Flugzeug die Landebahn
anfliegt, abgefangen wird und aufsetzt, während der Film in CinemaScope
einfach nur flach ist (als Pilot und Fluglehrer habe ich dies besonders
wahrgenommen). Wenn wir also mit einem einzigen Film den „Anwesenheitseffekt“
von Cinerama erreichen wollten, würden wir ein echtes Weitwinkelobjektiv
benötigen.
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Objektiventwicklung und Filmformat
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One
of the first pictures taken with the "Bugg Eye" lens and a still camera, in
front of the University of Rochester. Picture from Optical Heritage Museum.
Für die Herstellung des benötigten Weitwinkelobjektivs holten wir Dr. Robert
Hopkins mit ins Boot. Bob Hopkins war ein ehemaliger Student meines Vaters
und hatte dessen Nachfolge als Direktor des Institute of Optics der
Universität Rochester angetreten; er gehörte zu den weltweit führenden
Objektiventwicklern. Da die Zeit äußerst knapp bemessen war, wurden viele
Dinge parallel erledigt. Bob begann mit der Entwicklung des Objektivs, bevor
man sich überhaupt auf ein endgültiges Filmformat geeinigt hatte.
Das Filmformat stand noch nicht endgültig fest, weil es keine Kameras gab.
Es existierte zwar ein 70 mm-Filmstandard, dabei handelte es sich jedoch in
erster Linie um ein Geräteformat mit einer sehr schlechten Perforation. Die
beiden anderen Perforationen waren - natürlich - die sogenannte „negative“
Perforation von Bell & Howell - oben und unten gerade, mit abgerundeten
Seiten - und die „positive“ rechteckige Perforation von Kodak. Die alte
Perforation von Bell & Howell stammte aus der Anfangszeit von Kameras mit
Passstiften, als es einfacher war, Rundstäbe mit geringen Toleranzen
herzustellen und anschließend für die vertikale Ausrichtung einfach zwei
Seiten flach zu schleifen. Die Kodak-Perforation hingegen ermöglichte eine
deutlich bessere Führungskontrolle. Die abgerundeten Ecken mit einem Radius
von 0,122 mm und rundum flachen Seiten ermöglichten eine Interferenz von
0,00254 mm in vertikaler Richtung auf beiden Seiten des Films, während
Vollstifte (0,00254 mm laterale Interferenz) auf der Führungsseite des Films
und ein etwas schmalerer Stift auf der anderen Filmseite die Schrumpfung des
Films berücksichtigten, die in horizontaler Richtung stärker ausfällt als in
vertikaler Richtung. Die Ecken der Stifte sind in einem Winkel von 45 Grad
abgeflacht. Durch den Abstand zwischen der abgeflachten Ecke des Stiftes und
der abgerundeten Ecke des Perforationsloches wird eine ausreichende
Verzerrung möglich, um die Interferenz von 0,00254 mm auszugleichen. Das
Ergebnis ist eine deutlich genauere Filmführung (für Farbauszüge, Masken
etc.) als bei allen anderen Standards. Wir wussten also, dass wir ein
Filmformat in der doppelten Größe von 35 mm (also mit der vierfachen Fläche)
und mit einer Kodak-Perforation wollten.
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Thomas Color Farbverfahren
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Rebuilt
Thomas Color Process 65mm camera, and renamed Todd-AO. Photographed outside
American Optical Research Center. Picture from Optical Heritage Museum.
An dieser Stelle muss ich etwas ausholen. Etwa 7 oder 8 Jahre vorher wurde
die Pullman Company vom amerikanischen Justizministerium dazu gezwungen,
sich aus kartellrechtlichen Gründen von ihrem Eisenbahnschlafwagengeschäft
zu trennen. Man hatte daher eine große Summe an Geld für Investitionen zur
Verfügung und prüfte verschiedene Möglichkeiten. Eine davon war die
Erfindung eines Mannes namens Thomas, der ein Farbverfahren für Filme
entwickelt hatte, bei dem statt der subtraktiven Farbmischung von Farbfilmen
eine additive Farbmischung eingesetzt wurde. Er verwendete ein
Breitfilmformat mit drei Schwarz-Weiß-Farbauszügen in rot, blau und grün,
die zusammen ein Einzelbild des Films bildeten. Wenn diese drei Einzelbilder
durch geeignete Prismen projiziert wurden, die diese zu einem Bild
kombinierten, erschien auf der Leinwand ein additives Farbbild. Pullman bat
meinen Vater (der zu dem Zeitpunkt beim Institute of Optics beschäftigt
war), das Unternehmen im Hinblick auf eine Bewertung des Verfahrens zu
beraten. Daraufhin entschied sich Pullman gegen einen Einstieg in das
Filmgeschäft und man hörte nie wieder etwas von diesem Verfahren.
Durch Mike Todd kam uns das Gerücht zu Ohren, dass irgendwo in Hollywood
einige Kamerateile existierten, die für ein Breitfilmverfahren namens Thomas
Color verwendet worden seien. Ich nahm sofort ein Flugzeug nach Los Angeles
und machte mich auf die Suche. Tatsächlich befanden sich in einem Lager eine
komplette Kamera und fast alle Teile für sechs weitere, zusammen mit einem
fast vollständigen Satz von Filmen. Ich kaufte kurzerhand das ganze Paket
und ließ es per Luftexpress nach Southbridge transportieren. Diese Kameras
wurden für die Aufnahme von 65 mm-Film mit der Standard-Kodak-Perforation
entwickelt. Wir hatten also nun ein Filmformat, das ziemlich genau unseren
Wünschen entsprach: die vierfache Bildfläche mit dem bestmöglichen
Perforationstyp und immerhin eine zusammengebaute Kamera. Was diese Kamera
anging blieb jedoch ein Problem bestehen: Thomas Color verwendete einen
8-Loch-Greifer, um die benötigten 35 mm-Doppelbilder zu erhalten, wir
brauchten für unser Format aber 5 Löcher. Wir legten das ganze Kameraproblem
in die Hände unseres Chefingenieurs, Henry Cole, und zogen für die
Konstruktion der Kamera Mitchell Camera hinzu. Es dauerte nicht lange und
Henry hatte mit Unterstützung von Mitchell die erste Kamera einsatzbereit.
Wir waren nun also auf dem besten Weg, eine funktionsfähige Kamera zu
bekommen, und brauchten jetzt dafür geeignetes Filmmaterial. Bei dem ganzen
„Krempel“, den ich in Hollywood mitgenommen hatte, waren einige zusätzliche
Ausrüstungen wie eine alte Bell & Howell Perforiermaschine, die für die
Perforierung von 65 mm-Film umgebaut wurde, und eine Maschine zur Anbringung
von Randnummern. Wir schickten die Perforiermaschine zur Reinigung und
Instandsetzung an Bell & Howell zurück und leiteten sie anschließend an
Kodak weiter, damit sie für uns Film perforierten (dort konstruierte man
schließlich eine eigene Maschine, weil es Probleme gab, das Filmmaterial mit
der alten Maschine nach unseren engen Vorgaben zu perforieren).
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IBM-Lochkartenrechner (CPC)
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In der Zwischenzeit beschäftigte sich Hoppy mit der Kameraoptik. Wir ließen
eine Telex-Verbindung zwischen dem Rechnerraum von A. O. und seiner Wohnung
in der Nähe von Rochester, New York, einrichten. Als Rechner wurde damals
ein programmierbarer Lochkartenrechner (Card Programmed Calculator - CPC)
von IBM verwendet, der war allerdings immer noch besser als die Tischrechner
mit Handlochkarten von Marchant, an denen ich versucht hatte, die
Konstruktion von Objektiven zu erlernen. Unser Objektiv-Entwicklerteam
arbeitete am Rechner in Southbridge und übermittelte die Ergebnisse per
Telex an Hoppy, der daraufhin Änderungen vornahm, die man anschließend
erneut durch den Rechner laufen ließ.
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Verzerrung bei der Projektion
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American
Optical engineers working on the Distortion Correcting Printing Process
printer. Picture from Optical Heritage Museum.
Was die Grundgeometrie des Prozesses angeht muss ich an dieser Stelle noch
einmal abschweifen. Cinerama hatte kaum Probleme mit der Verzerrung, da von
den Projektionskabinen im Orchestergraben fast lotrecht auf die einzelnen
Leinwände projiziert wurde. Wir wollten den Film jedoch von der normalen
Projektionskabine auf eine gleichmäßig stark gekrümmte Leinwand projizieren.
Das heißt, dass der Film an den Rändern der Leinwand aus einem Winkel auf
die Oberfläche der Leinwand projiziert wird. Dies stellte uns vor zwei
Probleme: erstens eine horizontale Dehnung und zweitens ein
Beleuchtungsproblem. Auf das zweite Problem komme ich in Verbindung mit der
Leinwandtechnik zurück, das erste ist eine Frage der Geometrie. Wir mussten
uns damals entscheiden, was wichtiger war: dass am Rand der Leinwand
Personen richtig dargestellt werden oder Gebäude und Natur? Die Antwort
lautete natürlich, dass Personen und ihre Gesichter die größere Rolle
spielen. Es war also wichtig, dass Kreise auf der gesamten Leinwand genau
abgebildet werden.
In der Mitte der Leinwand wird ein Kreis als Kreis abgebildet, an den
Rändern würde er jedoch horizontal gestreckt. Also müssen Kreise auf dem
Film am Rand des Bildfensters horizontal komprimiert werden, und zwar umso
weniger, je näher sie der Mitte des Bildfensters kommen. Dabei stellte sich
folgende Formel als korrekt heraus: die Kompression sollte so zunehmen wie
sich der Tangens des Winkels von der Achse entfernt. Diese Formel konnte
mithilfe eines Objektivs mit tonnenförmiger Verzeichnung größtenteils
eingehalten werden. Da es bei einem Weitwinkelobjektiv ohnehin sehr
schwierig ist, die Tonnenverzeichnung vollständig zu beseitigen, war unsere
Anforderung verhältnismäßig einfach umzusetzen. Wir hatten nun auf der
gesamten Leinwand runde Gesichter. Gebäude, Bäume etc. am Leinwandrand
wurden jedoch oben und unten wie eine Fassdaube gebogen (daher der Ausdruck
„Tonnenverzeichnung“). Wir bezeichneten dieses Phänomen als Verzeichnung „Typ
A“; ich komme später in Zusammenhang mit den Verzeichnungen korrigierenden
Printern darauf zurück.
Bedenken Sie, dass wir den Film von der normalen Projektionskabine oberhalb
der Zuschauer auf die Leinwand projizieren wollten. Wir mussten also für
Zuschauer, die unterhalb der Projektionslinie sitzen, zwei weitere
Verzeichnungen berücksichtigen. In unserem Fall lag zusätzlich eine
Trapezverzeichnung wie im konventionellen Kino vor. Und da wir den Film über
die Zuschauer hinweg auf eine stark gekrümmte Leinwand projizieren wollten,
wären horizontale Linien für alle Zuschauer, die unterhalb der Achse des
Projektors sitzen, an den Rändern nach oben gebogen. Dieses Phänomen nannten
wir Verzeichnung „Typ B“ bzw. „Droop“-Effekt.
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Kamera Nr. 1 einsatzbereit
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Following
the prototype 65mm cameras from the Thomas Color Process, the Mitchell
Camera Company made brand new 65mm cameras for Todd-AO. Note the lamp house
on the floor to the right. Picture from Optical Heritage Museum.
Kehren wir aber nun zur Kameraoptik zurück. Das „Bug-Eye“ (Insektenauge)
Objektiv war fertiggestellt und lieferte das oben beschriebe Bild. Parallel
zur Fertigstellung der ersten Kamera hatte Kodak 65 mm-Eastman
Color-Negativfilm hergestellt und man begann mit der Durchführung von Tests.
Nach ersten statischen Tests machte sich Mike mit der Kamera auf den Weg zur
Achterbahn in Far Rockaway, zu den Kanälen von Venedig etc., um einen
Demonstrationsfilm zu drehen, mit dessen Hilfe er Rodgers & Hammerstein und
andere von der Leistungsfähigkeit des Verfahrens überzeugen wollte. R&H
hatten noch nie zuvor der Verfilmung eines ihrer Stücke zugestimmt und sie
hatten ihre Zweifel in Bezug auf Todd-AO. Die „Freunde“ und Partner von Mike
Todd - George Skouras, Lee Schubert etc. - waren nicht sonderlich begeistert
davon, dass Mike einen Demo-Film drehte. Und wenn Mike aus dem Rennen wäre,
würde für sie mehr vom Kuchen übrig bleiben. Also weigerten sie sich,
während Mikes Dreh in Europa weiteres Filmmaterial von Kodak für ihn zu
bezahlen, in der Absicht, ihn zur Aufgabe zu zwingen. Aber Mike war zum
Glück ein Überlebenskünstler und konnte genug Filmmaterial auftreiben, um
die Aufnahmen fertigzustellen. Das Ergebnis war der in Amsterdam vorgeführte
Demo-Film [70 mm-Newsletter, Ausgabe 31]. Ich wusste übrigens nicht, dass
noch eine Kopie davon existiert. Eine interessante Anekdote in Zusammenhang
mit diesem Film lieferte eine Pressevorführung in Saal 2 bei MGM, der als
Testraum für das Verfahren eingerichtet wurde. Bei dieser Vorführung wurde
der Kritiker der New York Times während der Sequenz in Venedig dermaßen
seekrank, dass er den Saal verlassen musste. Wir waren uns sicher, dass er
eine negative Kritik schreiben würde, doch ganz im Gegenteil: er lobte das
Verfahren in den höchsten Tönen.
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Leinwand
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A
typical Todd-AO screen. Nearly 18 meters wide and deeply curved. Here the 3
Falke Bio in Copenhagen, opened October 1958. Picture by Thomas Hauerslev
Enden wir uns nun als nächstes den Leinwandproblemen zu. Wenn wir einen
Film auf eine stark gekrümmte, weiße, diffus reflektierende Standard-Leinwand
projizieren, fällt das Streulicht von einem Rand der Leinwand auf die
restliche Leinwand - was natürlich zur Folge hat, dass das Licht eines
hellen Bereiches auf einer Seite der Leinwand die dunklen Bereiche auf der
anderen Seite aufhellt. Dieses Problem trat bei Cinerama auf und es wurde
dadurch gelöst, dass man mit Standard-Bildwandmaterial eine Leinwand aus
vertikalen Segmenten herstellte, die jeweils senkrecht zum einfallenden
Licht standen - wie bei einer Lamellenjalousie. Dadurch wurde zwar das
Problem des Streulichts gelöst, die Leinwand war jedoch sehr empfindlich und
teuer in der Herstellung. Für die wenigen Cinerama-Kinos spielte dies keine
so große Rolle, aber wir wollten auch die „normalen“ Kinos gewinnen.
Was wir brauchten war eine Leinwandkonstruktion, die (trotz der starken
Krümmung) auf einen Standard-Leinwandrahmen aufgehängt werden könnte und
sich außerdem durch einen möglichst hohen Gain-Faktor (Leuchtdichtefaktor)
auszeichnet, um die von uns gewünschten hellen Bilder zu erreichen. Die
Schlussfolgerung war eine aluminiumbeschichtete Leinwand mit linsenförmiger
Prägung. Durch die Aluminiumbeschichtung würde das Licht nicht depolarisiert,
falls überhaupt jemals eine polarisierte stereoskopische Projektion
erwünscht wäre (bedenken Sie, dass damals die „3D“-Stereo-Filme in Mode
waren).
Wir benötigten also ein Material mit einer thermoplastischen Beschichtung,
die Aluminiumplättchen enthält und in die kleine, sphärische Spiegel
eingeprägt werden können. Diese müssten für die verschiedenen Bereiche der
Leinwand unterschiedlich ausgerichtet werden, um das bereits beschriebene
Problem der Lichtstreuung zu unterbinden. Die Linien vom Scheitelpunkt der
einzelnen sphärischen Spiegel zu ihrer Mitte wären bei den einzelnen
geprägten Linsen idealerweise parallel und auf die Zuschauer ausgerichtet.
Bei Linsen in einem Größenbereich von 2 Millimetern wäre natürlich ein
Kompromiss notwendig. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass fünf unterschiedliche
Ausrichtungen beiderseits der Mitte zur Beseitigung der Lichtstreuung
absolut ausreichend wären. Blieb nur die Frage, wie man dieses Ergebnis
mithilfe von Prägewalzen erreichen könnte.
Eine Stahlwalze mit individuellen Erhebungen zu schmieden kam natürlich
nicht in Frage. Wir leiteten das Problem an unseren Chefmetallurgen George
Granitsas weiter und er präsentierte uns einen äußerst eleganten
Lösungsvorschlag. George hatte im Laufe der Jahre Verfahren entwickelt, um
Muster auf die Gläserfassungen und Bügel vergoldeter Brillengestelle zu
walzen, und schlug daher vor: „Warum walzen wir die sphärischen Erhebungen
nicht auf eine Seite eines Vierkantdrahtes und wickeln den Draht anschließen
auf eine Prägetrommel aus Stahl?”
Wir stellten zwei Stahl-Prägewalzen her: eine mit einer umlaufenden Rille
und eine zweite mit einer umlaufenden Nut, die in die Rille der anderen
Walze passte, jedoch nicht bis ganz auf den Boden der Rille reichte. Der
Durchmesser belief sich auf etwa 75 mm. In den Boden der Rille auf der
Matrizenwalze wurden umlaufend zahlreiche sphärische Vertiefungen geprägt,
während die Oberfläche der Nut auf der Patrizenwalze glatt war. Wenn Sie
sich nun diese beiden ineinandergreifenden Walzen vorstellen, dann werden
Sie feststellen, dass zwischen der Rille und der Erhöhung der anderen Walze
ein Hohlraum existiert. Wenn man jetzt zwischen diese rotierenden Walzen
einen zugverformbaren Metalldraht - z. B. aus Phosphorbronze - einführt,
wird dieser zu Vierkantdraht mit einseitigen sphärischen Erhebungen gewalzt.
Dieser Draht wird nun auf voller Länge dicht um eine Stahltrommel gewickelt,
die etwa fünf Fuß lang ist und einen Durchmesser von einem Fuß hat. Und
schon haben wir eine Prägewalze.
Erinnern Sie sich nun daran, dass die kleinen sphärischen Spiegel in den
verschiedenen Bereichen der Leinwand unterschiedlich ausgerichtet sein
sollten, so dass sie im Wesentlichen auf die Zuschauer ausgerichtet sind und
kein Licht in andere Bereiche der Leinwand streut. Wir gingen davon aus,
dass Bahnen mit fünf unterschiedlichen Winkeln ausreichen würden. Wenn die
Oberfläche der Nut auf der Patrizenwalze winklig zur Achse der Walze
bearbeitet wird, hat der mit dieser Patrize gewalzte Draht eine schräge
Rückseite (und ist somit nicht mehr quadratisch). Wir wählten also fünf
unterschiedliche Winkel und stellten auf diese Weise Prägewalzen her, bei
denen die Erhebungen in fünf unterschiedlichen Winkeln ausgerichtet waren,
und schon war das Problem gelöst.
Mein Vater beauftragte Ed Moon, einen unserer Experten für Kunststoffe und
Fertigung, mit der Herstellung von Leinwänden. Nach etlichen Versuchen
präsentierte uns Ed den geeigneten vinylbeschichteten Stoff sowie ein
Unternehmen für die Ausführung der Prägung und man begann mit der Produktion
des Leinwandmaterials. Dank der Flexibilität des oben beschriebenen
Verfahrens konnte Ed für jedes Kino Leinwände nach individuellen
Anforderungen konstruieren.
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Film und Ton
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Nun aber zurück zum Film und Ton. Wir wollten einen Stereo-Ton, der so
realistisch wie möglich ist. An dieser Stelle ein kleiner Exkurs zu
Definitionen. Es gibt zwei Methoden, um dem Zuschauer den Eindruck eines
richtungsgebundenen Tons zu vermitteln: die stereophone und die binaurale
Tonwiedergabe. Die einfachste Methode ist die binaurale, bei der jedes Ohr
des Zuschauers genau die Töne zu hören bekommt (sowohl in der Amplitude als
auch in der Phase), die er hören würde, wenn er am Original-Schauplatz
sitzen würde (wie z. B. in einem Konzertsaal). Dies wird in der Praxis
dadurch erreicht, dass die Aufnahme mit zwei Mikrofonen erfolgt, die wie
Ohren angeordnet werden, und das Ergebnis anschließend über Kopfhörer
wiedergegeben wird, die der Zuhörer tragen muss. Bei der stereophonen
Tonwiedergabe hingegen versucht man nach besten Kräften, im Kino das
komplette Schallfeld des Original-Schauplatzes wiederzugeben. Dies erfolgt
normalerweise mithilfe mehrerer Tonspuren und verschiedener Lautsprecher,
die hinter der Leinwand und im ganzen Kinosaal installiert sind. Für eine
perfekte Tonwiedergabe wären unendlich viele Tonspuren und Lautsprecher von
Nöten, aber in der Praxis erzielen sechs Tonspuren in Kombination mit drei
Lautsprechern hinter der Leinwand und drei Surround-Lautsprecher-Sets einen
verhältnismäßig guten Erfolg. Außerdem gibt es einen Trick, um den
Lokalisierungseffekt zu verstärken. Für eine Person, die hinten im Kinosaal
sitzt, erscheint ein Ton, der - sagen wir mal - aus dem linken Lautsprecher
hinter der Leinwand kommt, wegen des kleinen Winkels nach links nicht
besonders außermittig. Wenn derselbe Ton jedoch mit einer Phasenverzögerung
von einem Sekundenbruchteil aus den linken Surround-Lautsprechern kommt,
wird der Eindruck erweckt, dass die Amplitude des Tons erhöht sei und er von
links komme.
Aus diesem Grund wollten wir sechs Tonspuren: drei für die Lautsprecher
hinter der Leinwand und drei für die drei Surround-Lautsprechersätze. Es gab
allerdings ein Problem: auf dem 65 mm-Film war kein Platz. Die Lösung war
der Wechsel zu 70 mm-Filmmaterial. Dabei war es jedoch äußerst
wünschenswert, dass der Originalfilm und die Kopien auf denselben
Transportrollen laufen können. Deshalb wurden die zusätzlichen 5 mm
außerhalb der Perforationen hinzugefügt und die Tonspuren dort
untergebracht.
Das Magnettonverfahren hatte den Lichtton in puncto Qualität überholt und
die beste Lösung war das sogenannte grüne Oxid (Chromoxid) der Minnesota
Mining and Manufacturing Company (3M Co), dessen Ferritkristalle vollständig
ausgerichtet waren, so dass ein deutlich besserer Rauschpegel erreicht wurde
als bei einer flüssig aufgetragenen Tonspur. Wir entschieden uns anfänglich
für diese Variante, aber es gab ein großes Problem: 3M (ausgerechnet!) hatte
Probleme mit dem Kleber, der für das Laminieren der Tonspuren auf den Film
verwendet wurde. Die Tonspuren lösten sich im Vorführraum ab. Also trugen
wir sie schließlich flüssig auf unsere Kopien auf, wobei auf jeder Seite
zwei Tonspuren außerhalb der Perforation und eine dritte Tonspur innerhalb
der Perforation untergebracht wurden.
Damals (und ich glaube auch heute noch) wurde Mehrspurton auf 35
mm-Magnetfilm mit einer Standard-35 mm-Perforation aufgezeichnet und bei
einer Standard-Bandlaufgeschwindigkeit von 96 Perforationslöchern pro
Sekunde (d. h. vier Einzelbilder mit je 24 Perforationslöchern pro Sekunde)
abgespielt. Wir verwendeten einen 5-Loch-Greifer bei 30 Einzelbildern pro
Sekunde, so dass unser Film mit einer Geschwindigkeit von 150
Perforationslöchern pro Sekunde transportiert wurde. Das Verhältnis stimmt
natürlich mit dem von 64 Perforationslöchern (ein Fuß) zu 100
Perforationslöchern (diese Länge bezeichneten wir als „Gleep“) überein. Da
Standard-Tonaufnahmegeräte eingesetzt werden sollten, mussten wir die
„Synchronisationsapparate“ für den Schnitt mit 65/70
mm-Bildstreifen-Transportrollen ausrüsten, die einen größeren Durchmesser
als die Tonstreifen-Transportrollen mit dem Verhältnis 100:64 hatten. Wir
bauten eine Reihe von Synchronisationsapparaten mit einer
Bildstreifen-Transportrolle und einer bis sechs Tonstreifen-Transportrollen,
die zusammen auf einer Welle montiert waren.
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Schneidemaschinen
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65mm/70mm
Editing equipment. Picture from Optical Heritage Museum.
Bedenken Sie, dass Filme damals größtenteils an den alten Moviola-Geräten
geschnitten wurden. Westrex, ein Tochterunternehmen der Western Electric
Co., hatte gerade eine neue Schneidemaschine herausgebracht, bei dem
rotierende Prismen (Glaswürfel) verwendet wurden und der Film kontinuierlich
transportiert wurde, im Gegensatz zum intermittierenden Filmtransport bei
der Moviola mittels Schaltrolle und Malteserkreuzgetriebe .
Die Schneidemaschinen von Westrex waren wesentlich besser, weshalb wir das
Unternehmen beauftragten, einige für unseren Film zu bauen. Man kam jedoch
mit der Optik nicht klar, so dass die achtseitigen rotierenden Prismen von
uns geliefert wurden. Wir konstruierten sie so, dass der Cutter den Film
nicht nur direkt in hervorragender Qualität ansehen, sondern den
Bildstreifen außerdem auf eine gekrümmte Bildfläche projizieren konnte, um
sich den Effekt im Kino besser vorstellen zu können.
Eine weitere Modifikation beinhaltete, den Tonstreifen in einer anderen
Geschwindigkeit zu transportieren als den Bildstreifen, d. h. in einem
Verhältnis von einem Fuß Tonstreifen zu einem „Gleep“ Bildstreifen, so dass
sie synchron bleiben würden (das Verhältnis 64:100).
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Schnittausrüstung
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70mm
film splizer. Picture from Optical Heritage Museum.
Die gesamte Schnittausrüstung wie Spulen, manuelle Rückspulvorrichtungen und
Aufwickelvorrichtungen musste natürlich sowohl für 65 mm-Film als auch für
70 mm-Film geeignet sein. Die Spulen der Schneidemaschine mussten für 65 mm
und für 70 mm angefertigt werden, während diese Maße für die
Rückspulvorrichtungen keine Rolle spielten; die Andruckrollen der
Aufwickelvorrichtung für ein straffes Aufwickeln von Film auf Filmkerne
(Bobbies) wurden mit einem geringeren Durchmesser und einer 65 mm breiten
Fläche innerhalb der 70 mm-Stegflächen und -Flansche gefertigt .
Außerdem mussten für den Film Klebepressen hergestellt werden. Wir
beauftragten Bell & Howell mit dem Bau einer fußhebelbetätigten
Filmklebepresse und wir selbst konstruierten einige Klebepressen mit
Handbedienung.
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Objektive
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NEW
sight! NEW sound! NEW screen!
Ich habe die Bildeigenschaften des Superweitwinkelobjektivs („Bug Eye“)
bereits oben erläutert. Das Sichtfeld war 132 Grad breit, wobei das
Einzelbild 128 Grad erfasste. Wegen der bereits beschriebenen Verzerrungen
hatten die Objektive nicht eine feste Brennweite, sondern sie variierte
stattdessen je nach Anordnung im Feld. Die Zuordnung der Objektive erfolgte
daher nach ihrem Erfassungswinkel und nicht anhand ihrer Brennweite wie bei
Standard-Filmobjektiven.
Anfänglich wollten wir nur das „Bug-Eye“-Objektiv haben, analog zur
„Ein-Objektiv-Technik “ von Cinerama. In Hollywood bestand man jedoch auf
einer Reihe von Objektiven mit einer „längeren Brennweite“ für Nahaufnahmen
etc.. Wir versuchten, zu erklären, dass der Anwesenheitseffekt durch
kleinere Bildwinkel zerstört würde, aber man bestand darauf und versicherte,
dass diese Objektive ausschließlich für Nahaufnahmen eingesetzt würden. Also
lieferten wir zusätzlich zum „Bug-Eye“-Objektiv mit einer Brennweite von 128
Grad noch Objektive mit einer Brennweite von 64, 48 und 32 Grad. Das war der
größte Fehler, den wir je gemacht haben!! Diese großartigen
„professionellen“ Kameramänner und Regisseure hatten nicht die leiseste
Ahnung, wie der Weitwinkel oder Anwesenheitseffekt einzusetzen sei, und so
wurde das „Bug-Eye“-Objektiv während der gesamten Dreharbeiten für
„Oklahoma!“ nur bei zwei Szenen eingesetzt: für die Eröffnungsszene, in der
die Kamera durch das Maisfeld wandert, und für eine Aufnahme aus der
wegfahrenden Kutsche, die Laurie und Jud zum Tanzfest nach Claremore bringt.
Alle übrigen Aufnahmen wurden mit den Objektiven mit kleineren Bildwinkeln
gedreht. Mike [Todd] setzte das Superweitwinkelobjektiv später bei „In 80
Tagen um die Welt“ zwar etwas, aber auch nicht wesentlich häufiger ein.
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Der Mais in „Oklahoma!“
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Head
Cinematographer Robert Surtees, adjusts the lens of Director Fred Zinneman's
16mm Eastman home movie camera on Arizona location. The big lens camera in
the center is the Todd-AO 65mm camera equipped with the 128 degree bug-eye
lens. Assistants watch during this rest between takes of “Oklahoma!”
Eine weitere interessante Anekdote liefert der Mais in „Oklahoma!“. Im San
Rafael Valley südlich von Tucson in der Nähe der mexikanischen Grenze, wo
das Haus von Tante Eller errichtet wurde, war es zu kalt und zu trocken, um
erfolgreich Mais anzubauen. Man beauftragte einen Pflanzenpathologen der
Universität Arizona mit dem Anbau. Dadurch, dass man früh anfing und die
Saat täglich mithilfe eines Tanklasters wässerte, der extra aus Nogales kam,
gelang es ihm, ein kleines Maisfeld in der Nähe des Hauses anzulegen. Der
Mais war so niedrig, dass James Whitmore bei Aufnahmen von Vater Carnes, wie
er durch das Maisfeld ging, in die Hocke gehen musste, damit der Mais groß
genug aussah! Wir schätzten, dass das Maisfeld etwa $ 8,95 pro Kolben
verschlungen hat. Für die Eröffnungssequenz von 19 Sekunden, bei der die
Kamera durch das Maisfeld zu einer anschließenden Panoramaaufnahme wandert,
musste man jede einzelne große Maispflanze ausgraben (Mais war vorher noch
nie umgepflanzt worden), in einen Topf setzen und mit dem LKW nach oben auf
den Hügel fahren, um nur für diese Aufnahme ein Maisfeld zu errichten. Die
Aufnahmen von Curly, der an einem Maisfeld vorbeireitet und „Oh What A
Beautiful Morning“ singt, wurden alle in dem Tal in der Nähe von Tucson in
den Feldern einiger Farmer mit hohem, mexikanischem Juni-Mais gedreht.
Schließlich hatte man Mais „as high as an elephant’s eye“.
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28-07-24 |
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